BAG Urteil: Offene Videoüberwachung - Verwertungsverbot

  • 2 Minuten Lesezeit

In einem Kündigungsschutzprozess gibt es grundsätzlich kein Verwertungsverbot für Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzliches vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Dies gilt auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht.

Der Kläger war zuletzt als Teamsprecher in einer Gießerei beschäftigt. Die Beklagte warf ihm vor, am 2. Juni 2018 eine Mehrarbeitsschicht absichtlich nicht abgeleistet zu haben, aber dennoch die Vergütung dafür zu verlangen. Der Kläger behauptete, an diesem Tag gearbeitet zu haben. Die Beklagte verwies auf Aufzeichnungen einer Videokamera am Werkstor, die zeigten, dass der Kläger das Gelände vor Schichtbeginn verlassen hatte. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

Der Kläger erhob Klage dagegen und argumentierte, dass die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung einem Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot unterliegen und daher im Kündigungsschutzprozess nicht berücksichtigt werden dürfen.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte bis auf einen Antrag betreffend ein Zwischenzeugnis Erfolg. Die Sache wurde an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses sollte nicht nur das Vorbringen der Beklagten zum Verlassen des Werksgeländes durch den Kläger vor Beginn der Mehrarbeitsschicht berücksichtigen, sondern auch die betreffende Bildsequenz aus der Videoüberwachung am Werkstor in Augenschein nehmen.

Das ergibt sich aus den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts und des nationalen Verfahrens- und Verfassungsrechts. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprach. Selbst wenn dies nicht der Fall war, wäre eine Verarbeitung der betreffenden personenbezogenen Daten des Klägers durch die Gerichte für Arbeitssachen nach der DSGVO nicht ausgeschlossen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Datenerhebung offen erfolgt ist und vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers in Frage steht. In einem solchen Fall spielt es grundsätzlich keine Rolle, wie lange der Arbeitgeber mit der erstmaligen Einsichtnahme in das Bildmaterial gewartet hat.

Der Senat ließ offen, ob es aus Gründen der Generalprävention in Ausnahmefällen ein Verwertungsverbot für vorsätzliche Pflichtverstöße geben könnte, wenn die offene Überwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellt. Dies war in diesem Fall jedoch nicht gegeben.

Foto(s): www.kanzlei-steinwachs.de

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Stephan Steinwachs

Beiträge zum Thema