Bausparkassen kündigen Bausparverträge - Was ist zu tun?

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Seit nunmehr über acht Jahren zeichnet sich beim Umgang mit (Alt)-Bausparverträgen eine klare Entwicklung ab. Bausparkassen kündigen teilweise die unliebsamen Altverträge. Mit der Kündigungswelle zu Beginn des Jahres hat das Thema erheblich an Bedeutung gewonnen.

Warben die Bausparkassen noch in den 90-er Jahren mit einem „Renditeknaller”, einer hohen Verzinsung sowie zusätzlichen Bonusprämien, wenn Kunden nur ansparen, aber das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nahmen, so kündigen sie genau heute diese Verträge oder versuchen mit teils unsauberen Tricks die Sparer aus ihren lukrativen Verträgen zu drängen.

Davon betroffen sind vor allem Sparer, die vor der Jahrtausendwende einen Bausparvertrag abgeschlossen haben, diesen auch heute noch nur mit einem Minimalbetrag besparen, aber von der stattlichen Verzinsung profitieren.

Umso mehr zeigt sich auch bei den Sparern eine deutliche Tendenz. War die Finanzierung z.B. eines Bauvorhabens ursprünglich mit dem Abschluss des Bausparvertrags beabsichtigt, generieren genau diese Sparer heute ihre finanziellen Mittel lieber am Kapitalmarkt als den Bausparvertrag in Anspruch zu nehmen. Weder mit Tagesgeld, Festgeld oder sonstigen Staatsanleihen können auch nur vergleichsweise hohe und risikolose Zinssätze erzielt werden, wie es die bestehenden Alt-Verträge bereits seit Jahren versprechen.

Dieses Handeln zwingt die Bausparkassen immer mehr in die Knie, da ihnen heute angesichts des niedrigen Zinsniveaus die Einnahmen fehlen, um die vorhandenen Spartarife bedienen zu können. Um ihre Gewinneinbußen so gering wie möglich zu halten, kündigen die Bausparkassen bestehende Altverträge oder versuchen die Sparer unter Berücksichtigung von Verrechnungsschecks zu Neuabschlüssen zu bewegen.

Im Fokus stehen vor allem die LBS Baden-Württemberg, die Bausparkasse BHW, die Bausparkasse Wüstenrot, die Schwäbisch Hall sowie die LBS West.

Bei der Beurteilung, ob die Kündigungen der Bausparverträge dabei wirksam oder unwirksam sind, müssen verschiedene Konstellationen - die es im Einzelfall stets zu überprüfen gilt - unterschieden werden. So kündigen die Bausparkassen einerseits voll besparte Verträge und andererseits zuteilungsreife, aber noch nicht voll besparte Verträge. Einen Unterschied macht insoweit auch die Rechtsprechung.

Kündigung voll besparter Verträge

Bei den voll besparten Verträgen handelt es sich um Verträge, bei denen im Laufe der Vertragsdauer die volle Bausparsumme durch eigens erspartes Guthaben erreicht wurde. Ein Bauspardarlehen seitens der Bausparkassen bedarf es insoweit nicht mehr.

Die Bausparkassen kündigen die Verträge mit genau dieser Begründung, dass die Bausparsumme erreicht und damit auch der Zweck der Anlage entfallen sei. Maßgeblich sei dabei allein die im Vertrag vereinbarte Höhe der Bausparsumme, welche sich aus dem angesparten Guthaben und dem dann nach Jahren aufgenommenen Darlehen zusammensetzt.

Das OLG Frankfurt (Urteil vom 02.09.2013 - Az. 19 U 106/13), das OLG Stuttgart (Beschluss vom 14.10.2011 - Az. 9 U 151/11) sowie zahlreiche weitere Gerichte (LG Heilbronn, Urteil vom 23. Juli 2013, Az. 6 O 118/13/Bi; AG Reutlingen, Urteil vom 15. Januar 2014, Az. 13 C 1266/13; LG Aachen, Urteil vom 24. Juli 2014, Az. 1 O 78/14) bestätigen die Kündigungen durch die Bausparkassen und wiesen die Klagen der Sparer mit der Begründung ab, dass die Nichtinanspruchnahme des Bauspardarlehens und die eigene Erbringung der Sparleistung bis zur Höhe der vereinbarten Bausparsumme, ein faktischer Verzicht auf das Bauspardarlehen darstellt; mit der Konsequenz, dass die unverzinsliche Einlage sowie das Bausparguthaben ausbezahlt wird.

Zweck des Bausparvertrages ist nämlich nicht die Schaffung einer zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens, § 1 Abs. 1 ABB 7 (Allgemeine Musterbausparbedingungen).

Bei dem Bausparvertrag handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag, der nach seinem Sinn und Zweck zunächst von dem Bausparer bis zur Zuteilungsreife angespart wird. Hierfür erhält er eine vereinbarte Guthabenverzinsung, deren Höhe unter Berücksichtigung eines etwaigen Zinsbonus für die Bestimmung der Höhe des Darlehenszinses maßgeblich ist. Je höher die Guthabenverzinsung, desto höher der Darlehenszins, und umgekehrt. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Anspruch nehmen. Es wird in der Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung während der Ansparphase angesammelten Guthaben (einschließlich unverzinslicher Einlage und Zinsbonus) gewährt. Die Gewährung eines Darlehens unabhängig von der vereinbarten Bausparsumme ist nicht vorgesehen. Das Darlehen wird bestimmungsgemäß nur zur „Überbrückung” der Lücke zwischen angespartem Bausparguthaben und vereinbarter Bausparsumme gewährt.

Kündigung zuteilungsreifer, aber nicht voll besparter Verträge

Bei der Kündigung zuteilungsreifer, aber noch nicht voll besparter Verträge stützen sich die Bausparkassen regelmäßig auf ein vertraglich nicht vereinbartes Kündigungsrecht. Sie gehen davon aus, dass ihnen ein gesetzliches Kündigungsrecht zusteht, wenn seit Eintritt der Zuteilungsreife zehn Jahre vergangen sind. Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag nach Ablauf von zehn Jahren nach vollständigem Empfang mit einer Frist von sechs Monaten kündigen.

Es wird einhellig die Meinung vertreten, dass in dem Bausparvertrag ein einheitlicher Darlehensvertrag zu sehen ist, bei welchem die Bausparkasse und der Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen (LG Karlsruhe, Urteil vom 09.10.2015 - Az. 7 O 126/15). Als Darlehensnehmer gilt hier die Bausparkasse, da sie vom Bausparer die Sparraten gewissermaßen als Darlehen erhält und dafür die Zinsen zahlt.

Das Landgericht Karlsruhe hat erst kürzlich entschieden, dass der Anwendungsbereich des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB in der vorliegenden Konstellation nicht eröffnet ist, da es sich bei dem Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausschließlich um ein Kündigungsrecht des Darlehensnehmers handelt. Bei der Kündigung des Bausparvertrags durch die Bausparkasse vor Vollansparung der Bausparsumme und vor Zuteilung des Bauspardarlehens handelt es sich aber um eine Kündigung, mit welcher sich die Bausparkasse sowohl aus ihrer Rolle als Darlehensnehmerin löst, als auch aus ihrer Rolle als Darlehensgeberin. Für eine solche Kündigung enthält § 489 BGB keine Grundlage.

Die Bausparkasse ist aber auch vor Zuteilung des Bauspardarlehens, jedenfalls so lange die Bausparsumme noch nicht voll angespart wurde, gleichzeitig Darlehensgeberin bezüglich des künftig zur Verfügung zu stellenden Bauspardarlehens. Dass die Auszahlung des Tilgungsdarlehens an den Bausparer in der Zeit vor der Zuteilung des Bauspardarlehens noch nicht erfolgt ist, sondern erst bei Vorliegen der vertraglich vereinbarten Voraussetzungen erfolgen wird, ändert nichts daran, dass die Bausparkasse bereits auch in der Ansparphase Darlehensgeberin ist. Denn bereits mit Abschluss des Bausparvertrags verpflichtet sie sich, dem Bausparer einen Geldbetrag in vereinbarter Höhe zur Verfügung zu stellen. Da auf Grund der vertraglichen Konstruktion des Bausparvertrags vor Zuteilung des Bauspardarlehens eine Kündigung des von der Bausparkasse empfangenen Darlehens ohne gleichzeitige Kündigung des von ihr zu gewährenden Darlehens nicht möglich ist, und ohnehin eine Teilkündigung bei einem einheitlichen Vertragsverhältnis nur im Fall einer gesetzlichen Gestattung oder bei einer entsprechenden vertraglichen Abrede zulässig ist, ist der Anwendungsbereich des gesetzlichen Kündigungsrechts aus § 489 BGB nicht eröffnet.

Darüber hinaus besteht auch kein Kündigungsrecht der Bausparkassen gemäß § 488 Abs. 3 BGB. Nach § 488 Abs. 3 BGB hängt die Fälligkeit der Rückzahlung eines Darlehens von der Kündigung des Darlehensgebers oder des Darlehensnehmers ab, wenn für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt ist.

Dieses Kündigungsrecht ist dispositiv und wird insoweit durch die Allgemeinen Musterbausparbedingungen (ABB) abbedungen, dass das Bauspardarlehen grundsätzlich unkündbar ist. Die Folge ist, dass die Bausparkasse den Bausparvertrag nicht kündigen darf, wenn sie dadurch dem Bausparer den Anspruch auf das Tilgungsdarlehen entzieht. Der Bausparvertrag ist mithin so lange unkündbar, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich ist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigen Sparpflichten erfüllt.

Fazit

Aktuell weisen die Bausparkassen jeden Widerspruch von Betroffenen gegen die Kündigung zurück. Dahinter versteckt sich ein durchdachtes Schema, denn nur ein geringer Teil der Betroffenen nimmt danach anwaltliche Hilfe in Anspruch, sodass sich bei dem weitaus größeren Teil, die nichts gegen den Widerspruch unternehmen, für die Bausparkassen ein Erfolg der Kündigungen abzeichnet. Die Bausparkassen sparen dadurch geschätzt mehrere Milliarden Euro.

Gleichzeitig spielen die Bausparkassen mit der Zurückweisung der Widersprüche auf Zeit.

In der Rechtsprechung besteht zum Kündigungsrecht der Bausparkassen noch keine einheitliche oder höchstrichterliche Entscheidung. Umso mehr gilt es, jede Kündigung im Einzelfall zeitnah zu prüfen und gegebenenfalls rechtzeitig der Kündigung zu widersprechen. Ein Abwarten auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt hierbei keine Alternative dar, da es die Gefahr birgt, dass bis zur Rechtskraft des Urteils Verjährungsfristen verstrichen und Ansprüche damit nicht mehr durchsetzbar sind.

Im Ergebnis ist Betroffenen zu empfehlen die Bausparverträge bis zum Erreichen der vollen Bausparsumme weiter zu besparen und Kündigungen bis zu diesem Zeitpunkt zu widersprechen. In keinem Fall sollte einem Wechsel in einen anderen Vertrag ohne entsprechende vorherige rechtliche Prüfung zugestimmt werden.

Sollten Sie von der Bausparkasse ein Abrechnungsschreiben mit gleichzeitiger Aushändigung eines Verrechnungsschecks erhalten, wird empfohlen diesen nicht einzulösen und schriftlich der Abrechnung zu widersprechen. Dabei soll deutlich gemacht werden, dass man sich mit der Abrechnung nicht einverstanden erklärt und eine Verrechnung mittels Scheck nicht akzeptiert.

Gern überprüft die Kanzlei WBV Fachanwälte mögliche Erfolgsaussichten gegen eine ausgesprochene Kündigung der Bausparkassen vorzugehen, setzt sich gegebenenfalls mit Rechtsschutzversicherungen zur Kostentragung auseinander und informiert Sie umfassend über die Entwicklung in der Rechtsprechung.

Sten Wagner                                                                  Ulrike Mrhal

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht                     Assessorin jur.

WBV Fachanwälte


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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