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Bei Anruf Diebstahl – muss die Hausratversicherung zahlen?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Um möglichst schnell und problemlos an viel Geld zu kommen, lassen sich Betrüger immer wieder neue Gemeinheiten einfallen. Vor allem Rentner werden bevorzugt Opfer ihrer Tricks. Die Gauner geben sich dabei z. B. als Enkelkind oder auch Polizisten aus, die auf Diebstähle in der Nachbarschaft hinweisen und ihre Opfer um Auskunft bitten, ob sie ebenfalls Wertgegenstände besitzen und ob sie diese zur Sicherheit nicht an die „Beamten“ übergeben wollen. Finden die Geprellten dann heraus, dass sie ihr Vermögen nicht an Hüter des Gesetzes, sondern vielmehr an Gesetzesbrecher abgeliefert haben, stellt sich die Frage, ob dann wenigstens die Hausratversicherung den Schaden ersetzen muss.

„Polizisten“ warnen vor Trickbetrügern

Eine 67-Jährige bewahrte ihren Schmuck in einem Safe auf, der sich in ihrer Wohnung befand. Auch hatte sie eine Hausratversicherung abgeschlossen. Die war unter anderem einstandspflichtig, wenn ein versicherter Gegenstand mittels Gewalt oder unter Androhung einer Gewalttat mit der Gefahr für Leib und Leben entwendet wurde. Trickdiebstähle waren hiervon jedoch ausdrücklich ausgenommen.

Eines Nachts erhielt die Rentnerin einen Anruf von einem Betrüger, der sich als Polizist ausgab. Er warnte die Frau vor künftigen Diebstählen und erkundigte sich, ob sie ihre Wertsachen gut versichert habe. Sie erklärte daraufhin, ihren Schmuck in einem Safe aufzubewahren. Kurze Zeit später meldete sich der „Gesetzeshüter“ erneut – er alarmierte die Frau, dass die Täter einen Einbruch in ihre Wohnung planten und natürlich zuerst in ihren Safe schauen würden. Es wäre daher ratsam, den Schmuck zu entnehmen und erst einmal in der Waschmaschine zu deponieren.

Gauner können mit dem Schmuck flüchten

Einige Zeit später empfahl der „Polizist“ der Frau sogar, den Schmuck in die Mülltonne im Hof zu werfen, dort rechne schließlich kein Dieb mit Wertsachen. Nachdem die verängstigte Rentnerin dieser „Empfehlung“ nachgekommen war, erhielt sie erneut einen Anruf. Der „Gesetzeshüter“ gestand, dass die Täter mit dem Schmuck geflüchtet seien. Sie müssten wohl erfahren haben, dass die Frau ihre Wertsachen in die Mülltonne geworfen habe. Einige Zeit später konnte einer der angeblichen Polizisten gefasst werden – er wurde wegen Bandenbetrugs verurteilt.

Als die Geprellte von ihrer Hausratversicherung die Erstattung ihres Schadens verlangte, verweigerte die unter Verweis auf ihre Versicherungsbedingungen jegliche Leistung. Daraufhin zog die Frau vor Gericht.

Trickdiebstahl: Versicherte geht leer aus

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschied, dass die Hausratversicherung keinen Cent an die Geprellte zahlen muss.

Wann wendet der Täter Gewalt an?

Nach den Versicherungsbedingungen sollte eine Leistungspflicht nur bestehen, wenn der Täter Gewalt anwendet bzw. diese mit Gefahr für Leib und Leben androht und somit einen bewussten Widerstand beim Opfer überwinden muss.

Doch wann genau wendet der Täter Gewalt an? Im Strafrecht wird Gewalt nicht nur angenommen, wenn der Täter sein Opfer tatsächlich schlägt oder anderweitig verletzt – Gewalt kann vielmehr auch vorliegen, wenn der Täter psychisch so auf sein Opfer einwirkt, dass dieses eine Art körperlichen Zwang empfindet, sich also gezwungen fühlt, den Forderungen des Täters Folge zu leisten.

Das führt aber im Versicherungsrecht zu Problemen bei der Klärung der Frage, wann z. B. der Versicherungsfall „Raub“ vorliegt und wann „lediglich“ ein gewaltloser Trickdiebstahl. Denn auch hier wird das ahnungslose Opfer ja regelrecht dazu verleitet, dem Täter das Geld „freiwillig“ zu übergeben. Daher kommt beim versicherungsrechtlichen Gewaltbegriff noch die Voraussetzung hinzu, dass der Täter einen tatsächlichen oder zumindest erwarteten Widerstand überwinden muss.

Wird dagegen nur ein Überraschungsmoment ausgenutzt, um eine Sache wegzunehmen, ist nicht mit einem Widerstand beim Opfer zu rechnen – der Täter wendet somit keine Gewalt an, auch wenn er z. B. einer Frau an deren Haustür die Handtasche entreißt. Gleiches gilt, wenn der Gauner das Opfer mit einer List dazu bewegt, den begehrten Gegenstand freiwillig herauszugeben.

Kein Gewaltopfer, sondern nur Opfer einer Täuschung?

Vorliegend waren die Versicherungsbedingungen sehr deutlich. Sie schrieben nicht nur vor, dass der Täter Gewalt anwenden oder androhen muss – er musste auch einen bewussten Widerstand des Opfers überwinden.

Die 67-Jährige ging aber bis zuletzt davon aus, ihren Schmuck vor den Bösewichten zu retten, indem sie ihn in die Mülltonne wirft. Dass sie ihn den Tätern stattdessen auf dem Silbertablett präsentiert, kam ihr dagegen nicht in den Sinn. Als die Betrüger ihre Wertsachen aus der Mülltonne holten, ging sie vielmehr noch immer davon aus, alles richtiggemacht und ihren Schmuck sicher versteckt zu haben. Von einem etwaigen Widerstand bei der Wegnahme ihres Eigentums konnte daher keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Täter hatten diese List genutzt, um einen direkten Kontakt mit der Frau zu vermeiden und an deren Schmuck zu kommen, ohne eine Widerstand brechen zu müssen.

Somit hatten die Gauner keine Gewalt angewendet. Hiervon ging auch das Strafgericht aus, dass einen der Täter „nur“ wegen Bandenbetrugs, nicht wegen Raubs verurteilt hatte. Weil die „Banditen“ ferner nur vor dem Coup selbst „gewarnt“, aber dabei auch keine Gewalt angedroht hatten, lag kein Versicherungsfall vor. Weil somit „nur“ ein Trickdiebstahl vorlag, stand dem Betrugsopfer deshalb kein Anspruch gegen seine Hausratversicherung zu.

(OLG Köln, Urteil v. 18.07.2017, Az.: 9 U 183/16)

(VOI)

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