Beim Sex heimlich das Kondom abgezogen? Über die Strafbarkeit des Stealthings

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Gerade noch traute Zweisamkeit mit dem Partner und dann der Schock: Entgegen der Absprache wurde das Kondom während des Geschlechtsverkehrs heimlich entfernt oder liegt gar unbenutzt neben der Verpackung. 

Zwar gibt es bislang keine zuverlässigen Statistiken über die Häufigkeit von und Beweggründe für Stealthing - fest dürfte aber stehen, dass das Phänomen kein Einzelfall ist und viele nicht wissen, dass es sich dabei im Ergebnis um eine Vergewaltigung, mithin um ein Verbrechen  mit empfindlicher Strafandrohung, handelt. 


Was ist Stealthing? 

Stealthing (Stealth, englisch für List, Verstohlenheit, Heimlichtuerei) bezeichnet die Situation, dass bei einem ansonsten einverständlichen Geschlechtsverkehr ein Sexualpartner sein anfänglich getragenes Kondom ohne Zustimmung oder gar entgegen dem erklärten Willen des anderen Partners heimlich wieder abstreift oder von vornherein nur vortäuscht, ein solches  zu benutzen. 

Wann ist Stealthing strafbar?

Gemäß § 177 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Personen sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt. 

Grundsätzlich und „untechnisch“ gesprochen ist daher die Einwilligung des Partners zu sexuellen Handlungen - hier zum Geschlechtsverkehr - erforderlich, um eine Strafbarkeit auszuschließen.

Dass die Einwilligung des Opfers zum Sex möglicherweise durch Täuschung erlangt wurde, ist dabei jedoch grundsätzlich ohne Bedeutung. 

Allerdings müssen sich die sexuellen Handlungen innerhalb der gegebenen Einwilligung halten, wobei unerhebliche Abweichungen noch nicht zur Strafbarkeit führen. 

Der BGH (vgl. Beschluss vom 13.12.2022 - 3 StR 372/22) hat mittlerweile entschieden, dass das „Stealthing“ jedenfalls eine erhebliche Abweichung von der zuvor eingeholten Einwilligung darstellt, welche den Tatbestand  des §177 StGB erfüllt. 

Nach - zutreffender - Ansicht des BGH kommt es bei der Frage, ob eine sexuelle Handlung dem Willen des Opfers zuwiderläuft, somit auf die konkret vorgenommene Handlung an.

Willigt die Frau (oder der Mann) in den Geschlechtsverkehr mit Kondom ein, lässt sich diese Einwilligung nicht auf ungeschützten Sex ausweiten. 

Beide Formen des Geschlechtsverkehrs stellen qualitativ unterschiedliche sexuelle Handlungen dar. 

Dies begründet der BGH vor allen Dingen mit der Eignung des Kondoms als einziges Verhütungsmittel, welches vor ungewollter Schwangerschaft und Übertragung sexueller Krankheiten schützt. 

Diese Wertung würde sich zudem auch in der Regelung des § 32 Abs. 1 Prostitutionsschutzgesetzes finden, wonach für die Prostitution eine Kondompflicht besteht. 

Der BGH hat in der obigen Entscheidung erstmals explizit bestätigt, dass Stealthing grundsätzlich den Tatbestand der Vergewaltigung erfüllen kann.

Was bedeutet der Beschluss für die Praxis?

Wie immer in der Juristerei gilt jedoch auch hier: Jeder Fall ist für sich zu betrachten und muss genauestens bis ins kleinste Detail analysiert werden. 

So begrüßenswert die Entscheidung des BGH ist: Die praktischen nahezu allen Sexualdelikten  immanenten Probleme der Nachweisbarkeit dürften in Stealthing-Fällen erst recht eine Rolle spielen.


Egal, ob Sie als Geschädigte(r) oder Beschuldigter mit Stealthing zu tun haben: nehmen Sie die Situation unbedingt ernst und suchen Sie sich anwaltliche Unterstützung. 

Als Geschädigte(r) sind Sie - möglicherweise - Opfer einer schweren Straftat geworden; als Beschuldigter sind Sie mit dem Vorwurf eines Verbrechens konfrontiert, welches grundsätzlich mit mindestens 2 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist. 

In diesem Falle sollte jedes Wort wohl überlegt  sein und keinesfalls ohne Rücksprache mit einem Rechtsanwalt erfolgen!

Foto(s): https://pixabay.com/de/photos/rote-kondome-empfängnisverhütung-849407/

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