Berliner Testament ohne Schlusserbeneinsetzung

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Ein Ehepaar mit drei Kindern setzte ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament auf, welches unter anderem eine gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute, eine Pflichtteilsstrafklausel sowie umfangreiche Bestimmungen für den Fall des Todes beider Ehegatten enthielt. Nach dem Tod des Ehemannes errichtete die Ehefrau notariell ein neues Testament, wonach zwei der drei Kinder zu gleichen Teilen ihre Erben sein sollten. Dem dritten Kind wurde sein Pflichtteil als Vermächtnis zugewandt. Nachdem die Mutter verstorben war, beantragten die beiden im neueren Testament bedachten Kinder einen Erbschein, welcher diese je zur Hälfte als Erben ausweisen sollte. Dem trat jedoch das dritte Kind entgegen und beantragte die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins für alle drei Kinder zu je 1/3. Das Nachlassgericht erklärte, es beabsichtige, den beantragten Erbschein zu je 1/2 zu erteilen und den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zu je 1/3 zurückzuweisen. Hiergegen legte das dritte Kind entsprechend Rechtsmittel ein.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf befasste sich mit dem Sachverhalt und führte aus, dass der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zu 1/2 ausschließlich dann Erfolg haben könne, wenn das neuere, notariell errichtete Testament der Erblasserin wirksam wäre. Das sei nicht der Fall. Es verstoße gegen die nach dem Tod des Ehegatten eingetretene Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments. Das gemeinschaftliche Testament sei dahin zu verstehen, dass die Eheleute alle drei gemeinsamen Kinder zu ihren Schlusserben eingesetzt haben. Die Einsetzung von Erben nach dem Tod des Überlebenden (zweiter Erbfall) in einem gemeinschaftlichen Testament müsse nicht ausdrücklich erfolgen, es reiche aus, wenn sie, wie im Fall, durch Auslegung zu ermitteln sei. Die Sanktionsklausel im Testament enthalte die ausdrückliche Erwartung der Eheleute, dass die Geltendmachung von Pflichtteilen nach dem Tode des Erstversterbenden nicht geschehe. Weiterhin umfasse die Sanktionsklausel ausdrücklich die Anordnung, dass im Falle einer Pflichtteilsgeltendmachung das entsprechende Kind enterbt sein soll. Diese Formulierung lege besonders die Vorstellung der Eheleute nahe, alle ihre Kinder seien Erben des Letztlebenden. Auch die umfangreichen Ausführungen zum gemeinsamen Tod zeigen, die Ehegatten gingen wie selbstverständlich davon aus, alle ihre Kinder seien zu Erben berufen und hätten das zur Grundlage aller ihrer Anordnungen gemacht.


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