Widerruf eines Schenkungsangebotes durch Testament

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Das Oberlandesgericht Brandenburg entschied kürzlich: Verfügt ein Erblasser in einem Testament umfassend über sein Vermögen, so ist dies im Zweifel als konkludenter Widerruf einer früheren entgegenstehenden rechtsgeschäftlichen Erklärung anzusehen, wenn der Erblasser sich von dieser Erklärung jederzeit einseitig lösen kann.

Was war geschehen? Eine Frau mit einer Tochter und einem Sohn hatte zwei Lebensversicherungen, wobei sie ihre Tochter als Bezugsberechtigte der einen Versicherung und ihren Sohn als Bezugsberechtigten der anderen Versicherung mit der Versicherungsgesellschaft vereinbarte. Etwa ein Jahr nachdem sie diese Lebensversicherungen mit den Bezugsrechten abgeschlossen hatte, errichtete sie ein Testament, wonach beide Kinder zu gleichen Teilen ihre Erben sein sollten. In dem Testament benannte sie auch verschiedenen vorhandene Vermögenswerte, insbesondere auch die beiden Lebensversicherungen. Nach dem Tod der Mutter entstand zwischen den Kindern Streit darüber, ob die ursprünglich vereinbarte Bezugsberechtigung weiterhin gültig ist und die Versicherungssummen entsprechend an den jeweiligen Berechtigten auszuzahlen sei oder ob die beiden Versicherungen, welche unterschiedliche Auszahlungssummen beinhalteten, insgesamt in den Nachlass fallen und den Geschwistern jeweils hälftig zustehen.

Wie sah es das Gericht? Das Oberlandesgericht Brandenburg kam zu dem Ergebnis, dass die Erblasserin ihre Schenkungsangebote an die Kinder mit dem streitgegenständlichen Testament rechtzeitig widerrufen habe und ein Schenkungsvertrag zwischen der Erblasserin und der Tochter insoweit nicht zustande gekommen sei. Es hätten zwei Rechtsverhältnisse vorgelegen – eines zwischen der Erblasserin und er Versicherung und eines zwischen der Erblasserin und dem jeweiligen Bezugsberechtigten. Letzteres sei eine Schenkung. In der entsprechenden Vereinbarung mit der Versicherung sei ausdrücklich davon die Rede gewesen, dass die Leistung aus dem Vertrag bestimmten Personen zustünden. Dies sei der Sache nach als Schenkungsangebot der Erblasserin zu werten. Nach den getroffenen Vereinbarungen sollte der Schenkungsvertrag in der Weise zustande kommen, dass das Schenkungsangebot der Erblasserin nach deren Versterben von der Versicherung als Botin dem Bezugsberechtigten übermittelt werde und dieser das Angebot – gegebenenfalls stillschweigend mit dem Empfang der Nachricht des Versicherungsunternehmens – annehme. Vorliegend sei jedoch ein wirksamer Schenkungsvertrag zwischen der Erblasserin und ihrer Tochter nicht zustande gekommen, da zum Zeitpunkt der Benachrichtigung durch die Versicherung über die zu Gunsten der Tochter getroffene Verfügung ein wirksames Schenkungsangebot nicht mehr vorgelegen habe.

Die Erblasserin habe ihr auf der Vereinbarung mit der Versicherung beruhendes Schenkungsangebot mit ihrem Testament widerrufen. Die Erblasserin habe bestimmt, dass ihre Kinder ihren Nachlass zu gleichen Teilen erben sollen, ohne dass sie von dieser Festlegung irgendwelche abweichenden Regelungen getroffen oder Einschränkungen vorgenommen habe. Zur Darlegung des Nachlassumfanges habe sie die aus ihrer Sicht wichtigsten Bestandteile des Nachlasses aufgezählt, insbesondere auch die Lebensversicherungen. Aus der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers könne diese Formulierungen nur in der Weise verstanden werden, dass die Erblasserin ihre Kinder insgesamt – also auch mit Blick auf die vorhandenen Versicherungsguthaben – im gleichen Umfang am Nachlass beteiligen wollte, denn anderenfalls wäre zu erwarten gewesen, dass sie auf die (abweichenden) Bezugsberechtigungen aus den Lebensversicherungsverträgen hingewiesen hätte, was allerdings nicht geschehen sei.

Im Ergebnis war das Versicherungsguthaben nach Ansicht des Gerichts daher hälftig zu teilen.


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