Berufsunfähigkeit: das befristete Anerkenntnis – was nun?

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BGH, Urteil vom 09. Oktober 2019 – IV ZR 235/18

Berufsunfähigkeit: Das befristete Anerkenntnis – Was nun?

Ein befristetes Anerkenntnis in der Berufsunfähigkeitsversicherung setzt sowohl das Vorliegen eines sachlichen Grundes als auch eine Begründung der Befristung durch den Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer voraus.

Das befristete Anerkenntnis

Der Versicherungsnehmer arbeitete selbständig als Betreuer von PC-Netzwerken. Im Jahr 2012 schloss er mit dem Versicherer eine Berufsunfähigkeitsversicherung. In den Versicherungsbedingungen wurde u. a. festgehalten, dass der Versicherer nach Vorliegen aller entscheidungserheblichen Unterlagen, innerhalb von höchstens vier Wochen erklären werde, ob, in welchem Umfang und für welchen Zeitraum eine Leistungspflicht anerkannt wird. 

Zeitlich befristete Anerkenntnisse würden grundsätzlich nicht ausgesprochen. In begründeten Einzelfällen könne aber einmalig ein auf maximal 18 Monate zeitlich begrenztes Anerkenntnis erfolgen. Bis zum Ablauf der Frist sei das zeitlich begrenzte Anerkenntnis für den Versicherer bindend. Anschließend werde die Berufsunfähigkeit erneut beurteilt.

Berufsunfähig wegen Depression

Im Oktober 2013 beantragte der Versicherungsnehmer bei seiner Berufsunfähigkeitsversicherung die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente. Im Februar 2014 erstellte ein Gutachter seines Krankentagegeldversicherers eine Stellungnahme, nach welcher der Versicherungsnehmer infolge einer schweren depressiven Episode voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % außerstande sei, seinem zuletzt ausgeübten Beruf nachzugehen; es handele sich um einen Dauerzustand, der eine Besserung unwahrscheinlich erscheinen lasse. 

Die Stellungnahme wurde dem Versicherer übermittelt. Im März 2014 teilte der Versicherer schriftlich mit, dass er nach Prüfung aller vorliegenden Unterlagen die vertragsgemäßen Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung für den Zeitraum vom März 2014 bis Ende Mai 2015 erbringen werde. Er begründete dies nicht näher. Im Mai 2015 beantragte der Kläger, die Versicherungsleistungen über den 1. Juni 2015 hinaus zu erhalten. 

Ein von dem Versicherer daraufhin eingeholtes ärztliches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass beim Versicherungsnehmer eine leichtgradige depressive Episode mit Somatisierung vorliege und er noch zu mehr als 50 % in seiner letzten beruflichen Tätigkeit leistungsfähig sei. Hierauf gestützt lehnte der Versicherer weitere Leistungen ab.

Der Gang durch die Instanzen

Der Versicherungsnehmer war aber weiterhin anderer Auffassung und zog daher vor Gericht. Das Landgericht wies seine Klage ab. Der Versicherungsnehmer legte Berufung zum Oberlandesgericht ein. Das OLG wies die Berufung ebenfalls zurück. Es meinte, der Versicherer sei nicht leistungsverpflichtet, da er 2014 nur ein befristetes Anerkenntnis abgegeben habe. 

Ein sachlicher Grund für die Befristung des Anerkenntnisses habe vorgelegen. Der Versicherungsnehmer habe unstreitig auf eine Leistung gedrängt und angegeben, bald wieder arbeiten zu wollen. In der Stellungnahme des Krankentagegeldversicherers sei außerdem nicht näher erläutert worden, weshalb von einem Dauerzustand ausgegangen werde, der eine Besserung unwahrscheinlich erscheinen lasse. Einer schriftlichen Begründung der Befristung habe es hier nicht bedurft. 

Ein Versicherungsnehmer, der wissen wolle, warum ihm die Leistung nur befristet gewährt werde, könne ohne weiteres beim Versicherer nachfragen. Der Versicherer agiere hier auch nicht treuwidrig. Da es kein unbefristetes Anerkenntnis gegeben habe, sei ein Nachprüfungsverfahren nicht erforderlich. Nach Fristablauf würden die Grundsätze über die Erstprüfung gelten.

Der BGH „rüffelt“ die Vorinstanzen

Der Versicherungsnehmer verfolgte sein Anliegen mit seiner Revision beim BGH weiter. Der dortige Senat hob die Entscheidung des OLG auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung dorthin zurück. 

Der Senat hielt fest, dass es dem Versicherer hier schon deswegen verwehrt sei, sich auf die Befristung seines Anerkenntnisses zu berufen, weil er die Befristung im Schreiben vom März 2014 nicht begründet hatte. Der Senat bekräftigte erneut, dass das befristete Anerkenntnis zunächst das Vorliegen eines sachlichen Grundes voraussetze. Auch in den Versicherungsbedingungen sei festgehalten, dass allenfalls in begründeten Einzelfällen ein zeitlich befristetes Anerkenntnis erfolge. 

Allgemeine Versicherungsbedingungen seien aus Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer auszulegen. Ein sachlicher Grund sei bei einer Befristung insbesondere notwendig, da die Befristung für den Versicherungsnehmer in erheblichem Maße nachteilig sei. Denn bei einem befristeten Anerkenntnis müsse der Versicherungsnehmer nach Ablauf der Frist die Voraussetzungen für eine fortbestehende Leistungsverpflichtung des Versicherers nach den Grundsätzen der Erstprüfung selbst beweisen. 

Im Fall eines unbefristeten Anerkenntnisses aber sei es Sache des Versicherers, im Nachprüfungsverfahren zu beweisen, dass die Voraussetzungen seiner Leistungspflicht nicht mehr gegeben sind. Die Tatsache also, dass es für eine Befristung eines sachlichen Grundes bedarf, mache auch deutlich, dass der Versicherer diese Befristung auch gegenüber dem Versicherungsnehmer begründen müsse, da er nur so in der Lage sei, diesen auf seine Berechtigung zu überprüfen. In den Bedingungen heiße es schließlich „begründete Einzelfälle“. Nichts Anderes gelte aus dem Gesetz. 

Sowohl hiernach als auch nach der Rechtsprechung des Senats, habe der Berufsunfähigkeitsversicherer dafür Sorge zu tragen, dass der Versicherungsnehmer seine Rechte aus dem Versicherungsverhältnis sachgerecht wahrnehmen kann; dies setze die Nachvollziehbarkeit der jeweiligen Entscheidung voraus. 

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung habe häufig existentielle Bedeutung für den Versicherungsnehmer. Daher sei der Versicherer aus Treu und Glauben in besonderer Weise gehalten, seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auszunutzen.

Wieder stärkt der BGH die Rechte der Versicherungsnehmer

Der Versicherungsnehmer muss also die Begründung für ein befristetes Anerkenntnis – auch ohne konkrete Nachfrage – früh genug erfahren, um zu entscheiden, ob er sich hiergegen gerichtlich zur Wehr setzt oder nicht. 

Nur so kann er das Prozessrisiko abschätzen. Der BGH berücksichtigte dabei, dass es durch Zeitablauf häufig zu einer Verschlechterung der Beweislage kommt. Daher sei der Versicherungsnehmer darauf angewiesen, die Gründe für die Befristung des Anerkenntnisses möglichst zeitnah zu erfahren.

Dies sei nur gewährleistet, wenn der Versicherer die Befristungsgründe zusammen mit der Erklärung des befristeten Anerkenntnisses mitteile. Der Versicherer konnte sich damit nicht auf die Befristung berufen


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