Wegfall der Berufsunfähigkeit – Wie lange kann man Leistungen beanspruchen?

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Ein Versicherungsnehmer hat über das Ende seiner Berufsunfähigkeit hinaus Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen, wenn der Versicherer den späteren Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit nicht durch eine Änderungsmitteilung geltend macht, die den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügt. Dies gilt auch dann, wenn der Versicherer kein gebotenes Anerkenntnis seiner Leistungspflicht abgegeben hat.

Versicherungsbedingungen sind maßgeblich

Der Versicherungsnehmer hatte im Jahr 2002 eine Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen. In den Versicherungsbedingungen hieß es in diesem Zusammenhang, dass der Versicherer im konkreten Versicherungsfall nach Prüfung erkläre, für welchen Zeitraum eine Leistungspflicht anerkannt werde. Die Berufsunfähigkeitsleistungen würden eingestellt, wenn eine Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliege. Die Einstellung werde dabei schriftlich mitgeteilt und erst nach Ablauf eines Monats wirksam.

Der Versicherungsnehmer erkrankte im Jahre 2012 an einer Depression. Ab April 2012 konnte er seiner Tätigkeit als IT-Systemadministrator nicht mehr nachgehen. Die Angelegenheit gelangte zu Gericht. Dort verlangte der Versicherungsnehmer ab Mai 2012 bis längstens zum Vertragsende (30.11.2036) Leistungen wegen Berufsunfähigkeit. Im September 2015 nahm er allerdings eine neue Tätigkeit auf, sodass er seinen Antrag bis zu diesem Zeitpunkt beschränkte. 

Wann endet die Leistungspflicht des Versicherers?

Das Landgericht sprach dem Versicherungsnehmer die begehrte Berufsunfähigkeitsrente sowie Beitragsfreistellung nur für den Zeitraum Mai 2012 bis Ende April 2013 zu. Dagegen legte der Versicherungsnehmer Berufung ein. Das Berufungsgericht entschied, dass dem Versicherungsnehmer Leistungen bis Ende September 2015 zustehen. Der Versicherer sei nicht ab Mai 2013 leistungsfrei geworden, da verabsäumt wurde, dem Versicherungsnehmer eine ordnungsgemäße Einstellungsmitteilung zu übermitteln. Auch dass der Versicherer seine Leistung ursprünglich nicht anerkannt habe, ändere an der Notwendigkeit einer solchen Mitteilung nichts. Hätte der Versicherungsnehmer im Jahr 2015 keine andere Tätigkeit aufgenommen, hätte der Versicherer bis März 2017 leisten müssen, da er erstmals mit Schriftsatz vom 16.02.2017 eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Versicherungsnehmers vorgebracht habe.

Der BGH klärt auf: Tatsächlicher Wegfall der Berufsunfähigkeit reicht nicht aus

Der Versicherer legte Revision beim BGH ein. Diese wurde aber nach einem Hinweisbeschluss zurückgenommen. In seinem Beschluss wies der BGH darauf hin, dass die Revision unbegründet ist. Denn das Berufungsgericht hatte zunächst zutreffend festgestellt, dass der Versicherungsnehmer von April 2012 bis April 2013 aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode bedingungsgemäß berufsunfähig war. Aus Sicht des BGH hatte das Berufungsgericht auch zutreffend festgestellt, dass der Versicherungsnehmer über das Ende seiner Berufsunfähigkeit am 30. April 2013 hinaus bis zum 30. September 2015 weiter Versicherungsleistungen beanspruchen kann und ihm diese Ansprüche ohne das erledigende Ereignis der Aufnahme einer neuen Tätigkeit bis zum 31. März 2017 zugestanden hätten. Denn ein Versicherer könne auch dann, wenn er kein Anerkenntnis seiner Leistungspflicht abgegeben hat, den späteren Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit nur durch eine ordnungsgemäße Änderungsmitteilung geltend machen. Die Versicherungsbedingungen sahen für einen solchen Fall ein sog. Nachprüfungsverfahren vor, welches mit einer Mitteilung an den Versicherungsnehmer über das Ende der Leistungspflicht hätte enden müssen. Nach einer Schutzfrist von einem Monat wäre sodann die Leistungspflicht entfallen. 

Versicherer müssen sich exakt an ihre Bedingungen halten

Maßgeblich ist daher nicht der Eintritt von Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen des Versicherungsnehmers, also der Wegfall der Berufsunfähigkeit, sondern allein die Mitteilung über die Leistungseinstellung und Ablauf der Schutzfrist. Dies gilt auch dann, wenn der Versicherer kein Anerkenntnis abgegeben hat, obwohl er aufgrund seiner eigenen Versicherungsbedingungen verpflichtet war, die Leistungspflicht anzuerkennen, wenn die Voraussetzungen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit vorgelegen haben. Der Versicherer kann in einem solchen Fall nicht von seinen eigenen Versicherungsbedingungen für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit abweichen. Allerdings muss seitens des Versicherers keine außergerichtliche Mitteilung erfolgen; er kann die Änderungsmitteilung auch in einem gerichtlichen Verfahren per Schriftsatz nachholen. Diese gilt dann aber nicht rückwirkend. 


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