Berufsunfähigkeit: Unzumutbarkeit der Berufsausübung wegen Medikamenteneinnahme

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Berufsunfähigkeit: Unzumutbarkeit der Berufsausübung wegen Medikamenteneinnahme

Die Berufsunfähigkeitsversicherung bietet dem Versicherungsnehmer Schutz davor, dass er zu einem bestimmten Maße aufgrund von Krankheit, Unfallfolgen oder Kräfteverfall seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, somit eine Vermögenseinbuße durch Wegfall seiner Lebensgrundlage erleidet. Dabei ist anerkannt, dass ein Versicherungsfall auch dann vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer zwar nach der Behandlung seinen Beruf faktisch wieder ausüben könnte, dieses ihm aber aus anderen Gründen unzumutbar ist. In Betracht kommen hierbei Fälle, in denen die Weiterarbeit sich als „Raubbau" am eigenen Körper darstellt oder die Wiederaufnahme der Arbeit mit erhöhten Risiken für den Versicherungsnehmer verbunden ist. Dass dieses erhöhte Risiko objektiv ein gewisses Maß erreichen muss, zeigt ein jetzt veröffentlichtes Urteil des BGH vom 11.7.2012, IV ZR 5/11 (abgedruckt in VersR 2012, 1547 f.).

Der Kläger war von Beruf Schweißer und im Rahmen seiner konkreten Tätigkeit auf Gerüsten und Leitern in Höhen bis zu 6 m über Grund tätig. Infolge einer Erkrankung musste er dauerhaft ein Medikament einnehmen, das zu einer Verringerung der Blutgerinnung führt. Dadurch werden objektiv die Folgen einer Verletzung erhöht. Dies gilt insbesondere für mögliche innere Verletzungen, da hierbei die Wunden nicht direkt ärztlich versorgt werden könnten. Der Kläger argumentierte, dass die möglichen Folgen einer inneren Verletzung infolge eines Sturzes die Wiederaufnahme seiner ursprünglichen Arbeit für ihn unzumutbar machten. Der BGH hat mit seiner Entscheidung das Berufungsurteil bestätigt, mit dem die Klage abgewiesen wurde, weil der Kläger den ihm obliegenden Beweis der Unzumutbarkeit nicht erbracht hat. Der BGH führte hierzu in den Leitsätzen aus:

1. Eine zur bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit führende Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Berufstätigkeit kann sich daraus ergeben, dass sich die fortgesetzte Berufstätigkeit des VN angesichts einer drohenden Verschlechterung seines Gesundheitszustands als Raubbau an der Gesundheit und deshalb überobligationsmäßig erweist, oder dass andere mit der Gesundheitsbeeinträchtigung in Zusammenhang stehende oder zusammenwirkenden Umstände in der Gesamtschau die Fortsetzung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als für den VN nicht mehr zumutbar erscheinen lassen.

2. Eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Berufstätigkeit kann auch daraus folgen, dass zwar die Erkrankung des VN seiner Weiterarbeit vordergründig nicht im Wege steht, ihm dabei aber infolge einer durch die Erkrankung indizierten Medikamenteneinnahme ersthafte weitere Gesundheitsgefahren drohen. Insoweit genügt aber grundsätzlich nicht, dass dem VN besondere Gesundheitsgefahren nur bei Eintritt bestimmter vermeidbarer Unfallereignisse drohen.

3. Die Beweislast für die Unzumutbarkeit trägt der VN.

Der BGH stütze seine Entscheidung im Ergebnis darauf, dass der darlegungs- und beweisbelastete Kläger im Ergebnis nicht nachweisen konnte, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Unzumutbarkeit in seinem Falle vorlagen. Unstreitig blieb dabei, dass dem Kläger im Falle eines Sturzes schwerere Folgen drohten als anderen Arbeitnehmern, die kein Medikament zur Blutgerinnung einnehmen. Dies war für den BGH jedoch nicht entscheidend, da über das grundsätzliche Risiko eines Sturzes nichts dargelegt worden war und sich dies Risiko nach den Feststellungen auch durch besondere Sicherungsmaßnahmen vermeiden ließe.

Die Entscheidung ist im Hinblick auf die Begründung sicherlich eine Einzelfallentscheidung. Positiv ist jedoch, dass der BGH die Möglichkeit genutzt hat, erneut klarzustellen, dass auch das erhöhte Gesundheitsrisiko des VN bei Weiterarbeit zu einer Unzumutbarkeit und damit Berufsunfähigkeit führen kann.

Heiko Effelsberg, LL.M.

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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