Betriebliche Invaliditätsrente auch dann, wenn Erwerbsminderungsrente befristet ist

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Auch wenn die gesetzliche Erwerbsminderungsrente (zunächst) nur befristet gewährt wird, steht dies einer betrieblichen Invaliditätsrente nicht entgegen, die an das Vorliegen einer „voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit“ geknüpft ist.

Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat am 13.07.21 entschieden (3 AZR 445/20), dass die nur befristete Gewährung einer Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung einem Anspruch auf betriebliche Invaliditätsversorgung nicht entgegensteht, wenn die Versorgungszusage vorsieht, dass „bei Eintritt einer voraussichtlich dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts“ eine monatliche Invalidenrente gezahlt wird.


Waas war passiert?


Im Jahr 2000 erteilte die beklagte Arbeitgeberin dem nunmehr klagenden Arbeitsnehmer eine Versorgungszusage, die 

„bei Eintritt einer voraussichtlich dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts“ 

Leistungen der betrieblichen Invaliditätsversorgung vorsieht. Seit Juni 2017 bezieht der Kläger wegen voller Erwerbsminderung eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Rentenbescheid war zunächst auf drei Jahre befristet, da es nach medizinischen Untersuchungsergebnissen nicht unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Der Kläger hat die Zahlung der betrieblichen Invaliditätsversorgung geltend gemacht.


Problemstellung


Zu klären war die Frage, ob es der Voraussetzung der „voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit“ entgegensteht, dass die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung – vor dem Hintergrund einer möglichen medizinischen Verbesserung – nur befristet bewilligt worden war. 

Das BAG hatte daher den Begriff der „voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit“ auszulegen, der in der Versorgungszusage Verwendung findet.


Entscheidung


Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch aus der Versorgungszusage trotz der Befristung des Rentenbescheids vorliegen.


Die Versorgungszusage, bei der es sich nach Ansicht des BAG um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, verweist zur Konkretisierung des Begriffs „voraussichtlich dauernde völlige Erwerbsunfähigkeit“ ausdrücklich auf das – jeweils geltende - Sozialversicherungsrecht. Gemeint sind hier die Vorschriften in § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a. F. bzw. die Neuregelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI über die Voraussetzungen einer an die Invalidität anknüpfenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.


Die Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt voraus, dass der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, erwerbstätig zu sein. 

Der Begriff „dauernd“ in der Versorgungszusage entspricht nach Ansicht des BAG der Formulierung „auf nicht absehbare Zeit“ in den – damaligen und geltenden – Regelungen des Sozialversicherungsrechts. Das Wort „dauernd“ sei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, nicht dem Wort „endgültig“ gleichgestellt. Hiernach seien die materiellen Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit gegeben. Nicht in Bezug genommen werde die in den § 99 ff SGB IV geregelte Befristung, die als Verfahrensvorschrift von der materiellen Regelung losgelöst sei. Auf die Frage, ob der Rentenbescheid befristet oder auf Dauer erteilt werde, komme es daher nicht an.


Fazit


Das BAG hat eine wichtige Auslegungsfrage zu (dynamischen) Verweisen auf das Sozialversicherungsrecht in betrieblichen Versorgungszusagen überzeugend beantwortet. Es muss aber bedacht werden, dass es maßgeblich auf die Formulierung der Zusage im Einzelfall ankommt. So sind etwa auch Abreden denkbar, nach denen der Anspruch auf betriebliche Versorgungsleistungen davon abhängt, dass die gesetzliche Rente unbefristet gewährt wird.


Für weitergehende Fragen zu diesem Thema steht Ihnen Rechtsanwalt Stephan Kersten als Fachanwalt für Arbeitsrecht gern zur Verfügung.

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

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