Beweisverwertungsverbot im Zivilprozess - Beweise, Dash-cam

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Ein häufiges Problem, welches auch zu Verwirrungen und Unklarheiten führt, ist die Verwertbarkeit von Beweisen im Zivilprozess. Wenn eine Partei versucht, für Behauptungen Beweise vorzulegen, kommt häufig die Frage auf, ob diese Beweise im Prozess verwendet werden dürfen.

Das Problem ist aus dem strafrechtlichen Bereich bekannt und dort sind Beweisverwertungsverbote besser ausgeleuchtet. Aber auch im zivilrechtlichen Prozess müssen diese Konstellationen betrachtet werden.

Zum einen kann man auf § 242 BGB, das Gebot von Treu und Glauben, abstellen. demnach wären alle Beweisangebote ausgeschlossen, die in einer Weise erlangt sind, welche nicht der Zivilprozessordnung (ZPO) entspricht. Dies würde viele anders erlangte Erkenntnisse ausschließen.

Andererseits werden gerichtliche Verfahren auch angestrebt, um die Wahrheit zu ermitteln. Dies spricht dafür, möglichst viele Beweise im Prozess zuzulassen, da nur so die objektive Wahrheit bestmöglich gefunden wird.

Die Rechtsprechung geht hier keinen der beiden Wege, sondern nimmt eine vermittelnde Ansicht ein:

Selbst die Rechtswidrigkeit der Beschaffung von Beweisen soll nicht direkt und immer zu einem Verwertungsverbot im Prozess führen. Jedoch muss anhand des Schutzzweckes der verletzten Norm abgewogen werden, ob im Einzelfall ein solches Verbot bestehen soll.

Beispielsweise ist ein gestohlenes Beweismittel in der Regel sogar verwertbar. Das Eigentumsdelikt verstößt zivilrechtlich gegen § 903 BGB. Diese Norm soll aber der Intention nach nicht die Verwendung im Zivilprozess ermöglichen oder verhindern. Anderweitige Konsequenzen eines solchen Handelns sind allerdings zu bedenken, die strafrechtliche Relevanz ist gesondert zu prüfen.

Was andererseits tendenziell unverwertbar ist, sind Beweise, die unter Verstoß gegen ein per Verfassung geschütztes Individualrecht erlangt sind.
Unzulässige Mitschnitte von Konversationen können das Recht am eigenen Wort verletzen, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, und so unverwertbar sein.
Das Recht am eigenen Bild ist vor allem im Zusammenhang mit Überwachungskameras von Bedeutung. Hier ist besonders auf den Einzelfall zu blicken. Die Schwere der Taten müssen gegen die Bedeutung der Verletzung des Rechts am eigenen Bild abgewogen werden. Was steht 

Sonderfall: Verfahrensverstöße

Im Zivilrecht sind auch Verfahrensfehler denkbar, und passieren auch, die eine Rolle für die Verwertbarkeit von Beweisen spielen.

Wenn beispielsweise ein Zeuge, der zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, über dieses Recht nicht belehrt wird, ist der Zeugenbeweis nicht verwertbar. Die Belehrungspflicht ergibt sich aus § 383 Abs. 1, 2 ZPO.

Außerdem ist zu beachten, dass ein Schweigen in der Verhandlung verwertbar ist. Der bekannte Grundsatz, dass Schweigen nicht zum eigenen Nachteil zu werten ist, kommt aus dem Strafrecht und ist auch nur dort in der Reinform anwendbar.

Verfahrensverstöße sind aber auch zu benennen und zu rügen. Andernfalls werden solche Fehler über eine eigens dafür geschaffene Vorschrift, § 295 ZPO, geheilt. Man kann also nicht einen Fehler stillschweigend akzeptieren, um ihn später anzubringen, wenn einem die gerichtliche Entscheidung nicht gefällt.

Sonderfall: Dash-Cam

Besondere Relevanz haben mittlerweile Dash-Cams erlangt. Diese filmen aus dem Pkw heraus und die Aufnahmen sollen bei Unfällen als Beweis dienen. Hierzu ist aber zunächst klarzustellen, dass die anlasslose und permanente Videoaufzeichnung nicht mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen vereinbar ist (BGH vom 15.05.2018 - VI ZR 233/17).

Andererseits hat das Gericht auch die Pflicht, den Parteivortrag zu würdigen, § 286 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG. Und es existieren keine solchen gesetzlich ausgestalteten Beweisverwertungsverbote für Zivilverfahren.

Erneut ist also eine Abwägung vorzunehmen, ob dieses Beweismittel verwertbar ist. Dies hat das OLG Nürnberg in der Entscheidung vom 10.08.2017 - 13 U 851/17 nachvollziehbar getan.
Die informationelle Selbstbestimmung der Gefilmten ist betroffen, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Jedoch werden Personen bei solchen Aufnahmen nicht individualisiert oder dauerhaft aufgenommen.
Das Recht am eigenen Bild ist ebenso berührt, § 22 S. 1 KUG. Allerdings geht es nicht um eine wirtschaftliche Verwertung der Bilder, sondern um die Nachvollziehbarkeit der Fahrweisen.
Und zum datenschutzrechtlichen Eingriff ist mit Blick auf die Intensität festzustellen, dass es sich um sehr kurze Aufnahmen handelt, welche einen geringen Eingriff bedeuten.
Für eine Verwertbarkeit spricht dann vor allem die Idee des effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG, wenn anderweitig kein Beweis geführt werden kann.

Auch der BGH hat in der genannten Entscheidung hervorgehoben, dass der Straßenverkehr eine soziale Realität ist, die ohnehin für alle Passanten, also die Öffentlichkeit, wahrnehmbar ist. Wenn hier aus freien Stücken partizipiert wird, ist kein Eingriff in die Privatsphäre anzunehmen.

Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass es im deutschen Zivilrecht keinen grundsätzlichen Mechanismus gibt, der bei unzulässig erlangten Beweisen eine Verwertung ausschließt. 
Vielmehr ist eine Abwägung im Einzelfall geboten, die zwischen der Wahrheitsfindung um jeden Preis und der absolut sauberen Beweiserlangung vermitteln muss.

Wichtige Fälle sind Verfahrensverstöße, welche gerügt werden müssen. Auch Dash-Cams sind ein häufiger auftretendes Phänomen. Hier muss ebenfalls abgewogen werden.

Geht es um die Verwertbarkeit eines Beweismittels, ist viel Abwägung und Arbeit am Einzelfall geboten. Eine stets zutreffende Pauschalaussage ist nach der Rechtsprechung zu diesem Thema leider nicht möglich. Wenn der Ausgang eines Zivilprozesses in großem Maße von einem oder mehreren solchen Beweismitteln abhängt, ist eine Beratung vorab besonders empfehlenswert.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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