BGH: Versicherer kann wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss nur 10 Jahre anfechten

  • 2 Minuten Lesezeit

Verfahren, in denen der Versicherer sich arglistig getäuscht fühlt, werden in aller Regel mit besonderer Härte geführt. Das zeigt auch ein nunmehr veröffentlichtes Urteil des BGH vom 23.11.2015 (Az.: IV ZR 277/14).

Die Klägerin des Verfahrens war die Ehefrau und Erbin der versicherten Person. Dieser hatte Anfang 2002 den Arbeitgeber gewechselt. Anlässlich des Wechsels wurde ein zur Alterssicherung geführter Lebensversicherungsvertrag in die Gruppenversicherung des neuen Arbeitgebers überführt. Gleichzeitig wurde eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ergänzt. Im Zusammenhang mit dem Wechsel stellte der neue Gruppenversicherer Gesundheitsfragen, die der Ehemann der Klägerin allesamt mit „Nein“ beantwortete, obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon an Morbus Parkinson erkrankt war. Seit 2008 war der Ehemann der Klägerin infolge eines Hirntumors, nachfolgender Rezidivbildung und fortschreitender Parkinsonerkrankung berufsunfähig. Anfang 2012 machte er bei der Beklagten erstmals Leistungsansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung geltend, wobei er angab, seit 1990 an Parkinson und seit 2008 an einem Gehirntumor erkrankt zu sein.

Die Beklagte erklärte im Weiteren die Anfechtung der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und lehnte Leistungen hieraus ab. Nach dem Tod ihres Ehemanns machte die Klägerin Versicherungsansprüche seit 2008 auf Beitragsfreistellung in der Lebensversicherung gerichtlich geltend. Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, gab der BGH der Klägerin nunmehr Recht.

Das Berufungsgericht hatte zu der entscheidenden Rechtsfrage noch ausgeführt, dass zwar die 10-jährige Anfechtungsfrist zwischen Abgabe der Willenserklärung und Zugang der Anfechtungserklärung abgelaufen sei, es wendete jedoch die Regelung des § 21 VVG analog an. Die Regelung besagt, dass es für die Rechtzeitigkeit einer Rücktrittserklärung ausreichend ist, wenn der Versicherungsfall vor Ablauf der Erklärungsfrist eintritt.

Dem folgte der BGH nicht und stellte eindeutig fest, dass für den Bereich der arglistigen Täuschung die feste Frist des § 124 Abs. 3 BGB von 10 Jahren gilt.

Auch andere Begründungsansätze, mit denen die Beklagte ihrer Leistungspflicht entgehen wollte, ließ der BGH nicht durchgreifen.

Das Urteil ist in seiner Klarheit in der zu entscheidenden Rechtsfrage zu begrüßen. Während der Umsetzung der VVG-Reform waren zwar in einigen Vortragsveranstaltungen von Vertretern der Versicherungswirtschaft zahlreiche Befürchtungen geäußert worden, dass ihre Rechte mit der Neuausgestaltung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zu weit beschränkt würden, das hat aber weder den Gesetzgeber überzeugt, von seiner Reform abzuweichen, noch begründet es nachvollziehbar, warum die großzügig bemessene Anfechtungsfrist des allgemeinen Bürgerlichen Rechts im Versicherungsverhältnis verlängert werden müsse. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass eine – auch arglistig – nicht angezeigte Erkrankung, die 10 Jahre nicht zum Versicherungsfall führte, wohl nicht risikorelevant war.

Allein in dieser Überlegung begründen sich die Bauchschmerzen mit der Entscheidung, da der Versicherungsnehmer seine Ansprüche nicht schon im Jahr 2008, sondern erst 2012 und dann rückwirkend geltend gemacht hat. Dies könnte jedenfalls darauf hindeuten, dass der Versicherungsnehmer sich seiner arglistigen Täuschung und der Rechte der Beklagten gewusst gewesen sei. Allerdings hatte der Versicherungsnehmer die Ansprüche schon 4 Monate vor Ablauf der 10-Jahresfrist angemeldet, so dass die Beklagte – hätte sie den Versicherungsfall schneller reguliert – noch wirksam hätte anfechten können. Dass sie dies unterlassen hat, geht nun zu ihren Lasten.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Heiko Effelsberg LL.M.

Beiträge zum Thema