Brexit und danach: Neue Regeln für das Einwerben von Investorenkapital im Vereinigten Königreich ohne Prospekt

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Das Vereinigte Königreich hat im Rahmen seiner andauernden Post-Brexit-Reformen hochaktuell neue Regeln für das Einwerben von Anleger-Kapital erlassen. Auch deutsche Unternehmen können auf diesem Weg den lukrativen britischen Finanzmarkt betreten. Wie die Regierung zuvor in einem Grundsatzpapier erläutert hat, sind die Verordnungen Teil eines Programms zur Schaffung eines "intelligenteren Rechtsrahmens" für Finanzdienstleistungen im Vereinigten Königreich.

Grundsatz: Keine Anlagen ohne Prospekt 

Grundsätzlich ist das öffentliche Angebot von Anlagen („securities“) ohne Veröffentlichung eines Vermögensanlagen-Verkaufsprospekts – weiterhin – verboten, unter Androhung von Strafe. Es gibt aber eine Reihe von Ausnahmen von diesem Verbot. Diese sind aktuell überarbeitet worden.

Ausnahmen von dem Verbot

Folgende Ausnahmen von dem Verbot statuiert das (in Bezug auf die im Folgenden wiedergegebenen Regelungen) aktuell in Kraft getretene Statutory Instrument (SI) „The Public Offers and Admissions to Trading Regulations 2024“, welches im Zuge der Aufhebung der bis zuvor geltenden, übernommenen EU-weiten Regelungen erlassen wurde:

  1. Ein öffentliches Angebot von Wertpapieren, bei dem die Gesamtgegenleistung für die relevanten Wertpapiere, die im Vereinigten Königreich angeboten werden, 5 Millionen Pfund oder einen gleichwertigen Betrag nicht überschreitet.
  2. Ein Angebot von Wertpapieren, das sich ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet.
  3. Ein Angebot von Wertpapieren an weniger als 150 Personen im Vereinigten Königreich, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt.
  4. Ein Angebot von Wertpapieren mit einer Stückelung von mindestens 50.000 £ oder einem gleichwertigen Betrag.
  5. Ein Angebot von Wertpapieren an Personen, die Wertpapiere einen Gesamtbetrag von mindestens 100.000 £ oder einem gleichwertigen Betrag pro Anleger für jedes einzelne Angebot investieren.
  6. Ein Angebot von übertragbaren Wertpapieren, wenn

    das Angebot von der Zulassung der übertragbaren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt oder einem primären MTF (multilateral trading facility) abhängt, oder 

    die angebotenen übertragbaren Wertpapiere zum Zeitpunkt des Angebots zum Handel an einem geregelten Markt oder einem primären MT zugelassen sind.

Weitere regulatorische Anforderungen sind zu beachten


Weitere regulatorische Vorgaben, außerhalb der allgemeinen Zulässigkeit eines Vorhabens, sind zu beachten. Dazu gehören:


  • Regulatorische Berichterstattung (Aufsichtsrechtliche Meldepflichten): Auch wenn eine Ausnahmeregelung gilt, müssen Unternehmen möglicherweise die zuständigen Aufsichtsbehörden (FCA, ggf. andere) über das Angebot informieren.


  • Finanzwerbung: Die Regeln zur Finanzwerbung im Vereinigten Königreich sind einzuhalten. Alle mit dem Angebot zusammenhängenden Kommunikationen sollten den regulatorischen Anforderungen in Bezug auf Marketing und Werbung von Wertpapieren entsprechen.


  • Anti-Geldwäsche (AML) und "Know Your Customer" (KYC) Verfahren: Es sind robuste AML- und KYC-Verfahren zu implementieren, um die Identität der Anleger zu überprüfen und die Einhaltung der Vorschriften zur Geldwäsche zu gewährleisten.


  • Offenlegungsanforderungen: Unternehmen müssen sicherstellen, dass den Anlegern ausreichende und genaue Informationen  offengelegt werden. Dazu gehören Informationen über das Unternehmen, die angebotenen Wertpapiere und verbundene Risiken.


  • Market Abuse Regulation (MAR): Unternehmen müssen die Market Abuse Regulations beachten, die Markmanipulation und Insiderhandel verbieten. Das Unternehmen und seine Führungskräfte sollten Maßnahmen ergreifen, um Handlungen zu verhindern, die als Marktmissbrauch betrachtet werden könnten.


  • Ongoing Compliance: Unternehmen müssen beachten, dass eine fortlaufende Einhaltung der anwendbaren Vorschriften erforderlich ist. Änderungen in den Umständen oder der Art des Angebots können Auswirkungen auf die Compliance-Anforderungen haben.


FCA erhält weitreichende Befugnisse


Schließlich ist zu beachten, dass die aktuelle Fassung des Financial Services and Markets Act 2000 (FSMA), unter dessen Rahmenbedingungen das The Public Offers and Admissions to Trading Regulations 2024 (SI) erlassen wurde, nunmehr vorsieht, dass die FCA weitaus weitreichendere Kompetenzen erhält, zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Angebote zulässig sind. Da die aktuelle Regelung äußert neu ist, gibt es hier noch wenig belastbare Erfahrungswerte, wenn auch auf die zur Vorgängerregelung herrschende Praxis zurückgeblickt werden kann.

Rechtsberatung unerlässlich

Wer den im Vergleich zum deutschen bzw. europäischem erheblich liberaleren britischen Finanzmarkt bewerben möchte, sollte neben den Gelegenheiten, die sich dort bieten, auch die gesetzlichen Einschränkungen im Blick behalten. Die Inanspruchnahme rechtlicher Beratung ist unerlässlich. 



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