Bruttomonatslohn und MiLoG: Gefährliche Rechtsunsicherheit

  • 3 Minuten Lesezeit

Der allgemeine Mindestlohn beträgt 8,50 € je Stunde. So viel ist klar. Das Mindestlohngesetz schweigt aber zu der Frage, wie hoch denn ein Monatslohn bemessen sein muss, um MiLoG-konform zu sein. Da in der Praxis die meisten Arbeitsverträge lediglich Monatslöhne, nicht aber Stundenlöhne ausweisen, entsteht hier eine gefährliche Rechtsunsicherheit.

Wenn man den Bruttomonatslohn aus dem Arbeitsvertrag mit der Bestimmung der regelmäßig geschuldeten Arbeitszeit kombiniert, müsste man eigentlich ohne Anstrengung erkennen können, ob der Bruttomonatslohn hoch genug ist oder letztlich einen zu geringen Stundenlohn erzeugt. Hierbei entsteht allerdings ein Rechenproblem: Zur Errechnung des Stundenlohns aus einer Monatslohnvereinbarung ist eine Durchschnittsrechnung weit verbreitet, die von 21,67 Arbeitstagen pro Monat ausgeht bzw. bei der die geschuldete Wochenarbeitszeit mit 4,3333 multipliziert wird. Bei dieser Berechnung wird fingiert, in jedem Kalendermonat werde an gleich vielen Tagen gearbeitet. Die Faktoren erzeugen so einen Durchschnittswert, der bei Betrachtung eines ganzen Kalenderjahres letztlich zu korrekten Ergebnissen führt.

Allerdings enthält eben nicht jeder Kalendermonat dieselbe Anzahl von Arbeitstagen. Vielmehr schwankt deren Zahl zwischen 20 und 23. Würde man nun die Durchschnittsrechnung verwenden und hiermit ermitteln, welcher Bruttomonatslohn bei einer täglichen Arbeitszeit von 8 Stunden in einer 5-Tage-Woche gerade noch MiLoG-konform wäre, ergäbe sich folgende Rechnung: 8,50 € x 8 h x 21,67 Arbeitstage= 1.473,56 €. Vereinbarte ein Arbeitgeber nun also einen Bruttomonatslohn von zB 1480 € bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 8 Stunden täglich und einer Fünftagewoche, so wäre dieser Monatslohn hoch genug, wenn denn die Rechnung mit den Durchschnittsfaktoren legitim wäre.

Verwendet man demgegenüber eine konkrete, an der tatsächlichen Anzahl der Arbeitstage des jeweiligen Kalendermonats orientierte Berechnungsweise ergibt sich beispielsweise für den Juli 2015, der 23 Arbeitstage hatte, folgende Rechnung: 8,50 € x 8 h x 23 Arbeitstage = 1.564 €

Zahlt aber der Arbeitgeber, wie im vorgenannten Beispiel ausgeführt, stets lediglich 1480 € brutto, so hat er den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers jedenfalls im Juli nicht erfüllt. Zwar würde der Mindestlohnanspruch letztlich im Verlauf des gesamten Kalenderjahres befriedigt. Allerdings ist zu beachten, dass nach § 2 Abs. 1 MiLoG der Mindestlohn spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, zu zahlen ist. Ein Bußgeld in Höhe von bis zu 500.000 € droht nicht nur demjenigen, der zu wenig Lohn zahlt, sondern auch demjenigen, der zu spät zahlt. Es steht hier also einiges auf dem Spiel, und die Unterscheidung zwischen der Durchschnittsrechnung und der konkreten Rechnung ist nicht rein akademischer Natur.

Nach der gegenwärtigen Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und einigen Stimmen in der juristischen Literatur ist die Verwendung der Durchschnittsrechnung möglich, so dass bei einer 5-Tage-Woche in Verbindung mit einem 8-Stunden-Tag ein Bruttolohn von monatlich mindestens 1473,56 € keine Mindestlohnunterschreitung mit sich brächte.

Es wäre aber auch nach dieser Rechtsauffassung zu beachten, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die konkrete Berechnungsweise anzuwenden ist, um noch ausstehende Arbeitsentgelte gegebenenfalls gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 MiLoG rechtzeitig nachzuzahlen. Man benötigt nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, dass dies in der Praxis häufig übersehen wird und so der Bußgeldtatbestand verwirklicht wird. Auch zeigt diese Einschränkung, dass die Auffassung in sich nicht konsistent ist. Andere Stimmen in der juristischen Literatur halten stets die konkrete Berechnung für erforderlich, so dass man bei einer 40-Stunden-Woche erst bei einem Bruttomonatslohn von 1564 € „auf der sicheren Seite“ wäre.

Für mich scheint hier entscheidend zu sein, dass die Systematik des Gesetzes auf die konkret gearbeiteten Zeitstunden abstellt. Solange keine höchstrichterliche, arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage vorliegt oder der Wortlaut des Gesetzes klargestellt wurde, ist die Rechtslage zu unsicher, um eine Mindesthöhe des Bruttomonatslohns mit der Durchschnittsrechnung zu ermitteln.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Andreas Hartmann

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten