Bürgschaft auf erstes Anfordern mal anders

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Bürgschaft auf erstes Anfordern mal anders

Seit Jahren ist durch die Rechtsprechung des BGH geklärt, dass der Auftraggeber einer Bauleistung keinen Anspruch auf eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zur Ablösung eines Sicherheitseinbehalts hat. Eine entsprechende Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam. BGH, BauR, 2015, 114; BauR 2000, 1052; BauR 1997, 829. Gleiches gilt für die Erfüllungsbürgschaft: BGH, BauR 2002, 1239. Durch diese Rechtsprechung finden sich kaum noch Baurechtsfälle, in denen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern verlangt oder ausgestellt wurde.

Eine Ausnahme bildet der Bereich der Sicherungen von Anzahlungen. Die Vereinbarung einer Vorauszahlung ist eine gute Sicherung für den Auftragnehmer vor einer Insolvenz seines Auftraggebers und hat den wirtschaftlichen Vorteil, dass Materialkosten und anderes nicht bis zur Zahlung der Abschlagsrechnung vorfinanziert werden müssen. Die Forderung einer Absicherung des Auftraggebers ist ebenso legitim, auch er will einen Insolvenzschutz. Das Instrument einer Bürgschaft eignet sich dafür hervorragend.

Wenn allerdings die Bürgschaft auf erstes Anfordern lautet, so hat der Auftragnehmer nur einen vermeintlichen Schutz. Er geht damit ein Risiko ein, welches vielen Auftragnehmern nicht bewusst ist. Der Bürge ist nämlich zur Zahlung des Bürgschaftsbetrags auf Verlangen des Auftraggebers verpflichtet, ohne dass dieser die Voraussetzungen für einen Rückzahlungsanspruch beweisen muss. Das reine Verlangen reicht aus. Im Innenverhältnis Bürge/Auftragnehmer ist der Auftragnehmer dann dem Bürgen zum Ausgleich der Rückzahlung verpflichtet. Wirtschaftlich hat er dann keine Vorauszahlung mehr. Er steht ohne Sicherung da.

Das BGB kennt mit der Handwerkersicherheit gemäß § 650f BGB (ehemals § 648a BGB) eine gute Sicherung des Auftragnehmers vor einer Insolvenz des Auftraggebers. Auf Verlangen hat der Auftraggeber eine Sicherheit in Höhe des vereinbarten Werklohns abzüglich bereits geleisteter Zahlungen dem Auftragnehmer zu stellen. Dieses Recht kann dem Auftragnehmer auch nicht im Vertrag genommen werden. Etwaige Vereinbarungen sind unwirksam, § 650f Abs. 7 BGB. Hat der Auftraggeber eine Anzahlung geleistet, so ist der Anspruch auf weitere Sicherheit nur noch auf den Restbetrag begrenzt.

Fordert der Auftraggeber zu Unrecht eine Rückzahlung der Anzahlung gegenüber dem Bürgen, dann kann der Auftragnehmer eine Auszahlung des Bürgschaftsbetrages nur mit einer einstweiligen Verfügung stoppen. Grundsätzlich reicht bei einer einstweiligen Verfügung eine Glaubhaftmachung des Anspruches, ein Beweis muss nicht erbracht werden. Diese Beweiserleichterung gilt allerdings nach der BGH-Rechtsprechung nicht für die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, BGH, NJW 2002, 1493. Bei einer Bürgschaft auf erste Anforderung gilt vielmehr der Grundsatz: erst zahlen, dann klagen. Der Auftragnehmer muss daher im einstweiligen Verfügungsverfahren „liquide beweisen“, dass die Inanspruchnahme zu Unrecht erfolgt, die Bürgschaft also missbraucht wird. Das sind hohe Hürden, die kaum zu überwinden sind.

Im Ergebnis würde dadurch der Auftragnehmer schlechter stehen, als wenn er keine Vorauszahlung nimmt, sondern eine Handwerkersicherheit gemäß § 650f BGB erhält. Mit dieser Überlegung hat das Berliner Kammergericht am 16. März 2021 (21 W 4/21) eine interessante Entscheidung getroffen.

Das Kammergericht ist der Auffassung, dass eine einstweilige Verfügung auch ohne den Nachweis des rechtsmissbräuchlichen Vorgehens des Auftraggebers ergehen kann, da der Auftragnehmer sich auf die sogenannte dolo-agit-Einrede berufen kann. Diese besagt, dass der Anspruchsteller nicht etwas fordern kann, was er aus einem anderen Rechtsgrund sofort wieder zurückgewähren müsste. So liegt auch der Fall einer Inanspruchnahme einer Bürgschaft auf erste Anforderung zur Absicherung einer Anzahlung. Erhält der Auftraggeber die Anzahlung zurück, lebt der Anspruch des Auftragnehmers aus § 650f BGB auf Stellung einer Handwerkersicherheit wieder auf. Der Auftraggeber wäre verpflichtet, dem Auftragnehmer eine Sicherheit zu geben. Nach der Entscheidung des Kammergerichtes darf daher der Auftraggeber die Bürgschaft nicht in Anspruch nehmen, wenn ein solcher Sicherungsanspruch gemäß 650f BGB besteht.

In dem vom Kammergericht zu entscheidenden Fall ging es um eine sogenannte Kündigungsvergütung. Der Auftraggeber hatte dem Bauvertrag gekündigt und der Auftragnehmer hatte Schlussrechnung gelegt, die die Vergütung für die erbrachte Leistung umfasste und auch für den nicht erbrachten Teil der Leistung abzüglich der ersparten Aufwendungen. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht es im einstweiligen Verfügungsverfahren, dass der Unternehmer schlüssig seine Vergütung darlegt, er muss für den Erlass einer einstweiligen Verfügung keine Beweisaufnahme erfolgen (BGH vom 6. März 2014, VII ZR 349/12). Die Höhe kann nach Auffassung des Kammergerichtes in freier Überzeugung vom Gericht geschätzt werden (KG vom 26. Juli 2019, 21 U 3/19; 15. Juni 2018, 21 U 140/17). Bei der Schätzung der Höhe der Kündigungsvergütung ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Vertrag nicht vom Besteller aus wichtigem Grund gekündigt ist (KG vom 26. Juli 2019, 21 3/19). Mithin ist im einstweilige Verfügungsverfahren davon auszugehen, dass der Auftragnehmer auch einen Vergütungsanspruch hinsichtlich des nicht erbrachten Teils der Leistung hat.

Als Fazit ist somit festzustellen, dass eine Absicherung einer Anzahlung möglichst nicht durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vereinbart werden sollte, da es für den Auftragnehmer den wirtschaftlichen Vorteil der Anzahlung entwertet. Allerdings steht er nach dieser Rechtsprechung des Kammergerichtes nicht so schlecht da, wie es nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH den Anschein hatte. Wenn er schlüssig seinen Vergütungsanspruch darstellen und glaubhaft machen kann, kann er eine Inanspruchnahme durch eine einstweilige Verfügung verhindern.

Foto(s): Jutta Lüdicke

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