Bürgschaft sittenwidrig ⚠️ Ist das Ende möglich?

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Die Bürgschaft ist ein verpflichtendes Rechtsgeschäft. Dennoch passiert es der Praxis häufiger, dass eine sittenwidrige Bürgschaft existiert. Die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft kommt unter bestimmten Voraussetzungen vor, beispielsweise bei der emotionalen Ausnutzung des Bürgen.

In unserem Beitrag gehen wir darauf ein, wie Sie eine Bürgschaft vorzeitig beenden können und welche Gründe es für die Sittenwidrigkeit gibt. Ferner erläutern wir, was die Folgen der Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft sind und wer die Beweislast trägt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Bürgschaft kann zum Beispiel durch einen Widerruf oder durch die Verjährung der Hauptforderung vorzeitig beendet werden

  • Es gibt mehrere Gründe für die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft, wie zum Beispiel die Ausübung unzulässigen Drucks auf den Bürgen

  • Ebenfalls sittenwidrig kann die Bürgschaftserklärung sein, wenn sich aus der Verpflichtung eine krasse, finanzielle Überforderung des Bürgen ergibt

  • Die Folge einer sittenwidrigen Bürgschaft ist, dass der gesamte Bürgschaftsvertrag nichtig ist

Aus welchen Gründen kann ich die Bürgschaft vorzeitig beenden?

Es gibt mehrere Gründe, aus denen Sie eine Bürgschaft vorzeitig beenden können bzw. der Vertrag automatisch endet. Im Wesentlichen existieren drei Hauptgründe, aus denen eine Bürgschaft vor dem eigentlichen Schluss und somit vorzeitig beendet werden kann: 

  • Bürgschaftsforderung ist verjährt

  • Hauptforderung ist verjährt

  • Bürgschaft wird widerrufen

Wenn eine Bürgschaft vorzeitig endet, liegt das meistens daran, dass die Hauptforderung verjährt ist. Das zieht automatisch das Erlöschen der Bürgschaftserklärung nach sich. Gleiches gilt unter der Voraussetzung, dass die Bürgschaftsforderung als solche verjährt ist. Falls die Bürgschaft sittenwidrig ist, wäre das ebenfalls ein Grund für die vorzeitige Beendigung.

Wann ist eine Bürgschaft sittenwidrig?

Wann ist eine Bürgschaft unwirksam? Diese Frage steht in enger Verbindung damit, ob eine Bürgschaft sittenwidrig ist oder nicht. Unter welchen Voraussetzungen ein sittenwidriges Rechtsgeschäft – beispielsweise eine Bürgschaft - existiert, ist im § 138 BGB festgelegt. In der Praxis können Sie insbesondere in den drei folgenden Fällen von einer sittenwidrigen Bürgschaft ausgehen:

  • Entscheidungsfreiheit des Bürgen wird beeinflusst oder das Bürgschaftsrisiko wird verharmlost

  • Es ergibt sich aus der Verpflichtung eine krasse, finanzielle Überforderung

  • Auf den Bürgen wird unzulässiger Druck ausgeübt bzw. eine seelische Zwangslage ausgenutzt 

Auf diese drei Punkte möchten wir jetzt etwas näher eingehen, da sie in der Praxis häufig zu einer Sittenwidrigkeit der Bürgschaft führen.

Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit sowie Verharmlosen des Bürgschaftsrisikos

Sollte die Entscheidungsfreiheit des Bürgen in massiver Weise beeinflusst worden sein, stellt dies oft einen Grund für die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft dar. In der Rechtssprache heißt das, dass eine besonders verwerfliche Einwirkung auf die Entscheidung des Bürgen gegeben sein muss. Was heißt das genau? 

Regelmäßig findet ein unzulässiges Einwirken auf die Entscheidungsfreiheit des Bürgen dann statt, wenn dieser unerfahren in solchen Geschäften ist und das von einer anderen Person ausgenutzt wird. Von der Unerfahrenheit wiederum gehen Gerichte vorrangig unter den folgenden Voraussetzungen aus:

  • Junge Erwachsene in Ausbildung

  • Junge Erwachsene studieren

  • Berufsstarter

Diesen jungen Erwachsenen wird nachgesagt, dass sie die Tragweite ihrer Entscheidung im Hinblick auf die eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung nicht in ausreichendem Maße beurteilen können. Sollte in dem Fall zum Beispiel die Mutter des jungen Erwachsenen den Eingang der Bürgschaft fordern, wird das im Allgemeinen als verwerflich im Hinblick auf die beeinflusste Entscheidungsfreiheit bewertet. 

Ebenfalls sittenwidrig kann eine Bürgschaft sein, sollte zum Beispiel das Kreditinstitut die Risiken verharmlosen. Davon gehen Gerichte aus, falls die Bank existierende Risiken verharmlost oder verschleiert, nur damit der Bürge den Bürgschaftsvertrag unterschreibt. Das es insbesondere dann der Fall, wenn die Bank von einer reinen Formsache spricht und dass keine größeren Verpflichtungen mit der Bürgschaft verbunden wären.

Erhebliche finanzielle Überforderung des Bürgen

Ein weiterer Grund, aus dem eine Bürgschaft sittenwidrig sein kann, ist die erhebliche finanzielle Überforderung des Bürgen. In einem solchen Fall können Sie die Bürgschaft anfechten, ebenfalls aufgrund einer vorliegenden Sittenwidrigkeit. Doch wann sprechen wir von einer krassen, finanziellen Überforderung des Bürgen?

Eine Gemeinsamkeit zahlreicher Gerichtsurteile in dieser Hinsicht ist, dass unter der folgenden Voraussetzung von einer krassen Überforderung ausgegangen wird: Der Bürge wäre nach Abschluss der Bürgschaft später nicht in der Lage, eventuell anfallende Zinsen zu zahlen

Zudem spielt auf die emotionale Bindung eine große Rolle, die zum Eingehen der Verpflichtung geführt hat. Diese Bindung besteht in erster Linie gegenüber Ehe- und Lebenspartnern, Eltern und Kindern. Sollte eine solche emotionale Bindung bestehen und lässt sich eine erhebliche, finanzielle Überforderung des Bürgen feststellen, beurteilen die meisten Gerichte die Bürgschaft als sittenwidrig. 

Dann gehen Richter meistens davon aus, dass der Bürge auf seine eigene, finanzielle Situation nicht ausreichend geachtet hatte. Vielmehr war dann die emotionale Verbundenheit zum Schuldner für ihn der Grund, die Bürgschaftsverpflichtung einzugehen.

Ausübung von Druck bzw. Ausnutzen einer seelischen Zwangslage

Weitere Gründe für die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft ist eine unzulässige Druckausübung sowie das Ausnutzen einer seelischen Zwangslage. Diese Ursachen lassen sich so zusammenfassen, dass insbesondere die Bank versucht, den Bürgen zu überrumpeln. 

Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Bürge eigentlich die Filiale der Bank aus einem gänzlich anderen Anlass besucht. Der Mitarbeiter jedoch übt dann Druck aus und verleitet den Kunden zum Unterzeichnen der Bürgschaftserklärung

Das Druck ausüben sieht meistens so aus, dass das Kreditinstitut die Kündigung des Darlehens androht, sollte der Kunde nicht als Bürge auftreten. Solche Bürgschaften sehen die Gerichte regelmäßig aufgrund der nicht zulässigen Druckausübung als sittenwidrig an. 

Was ist die Folge der Sittenwidrigkeit?

Die wesentliche Folge der Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft ist, dass die Bürgschaftserklärung unwirksam wäre. Das wiederum bedeutet, dass der gesamte Bürgschaftsvertrag nichtig ist. Für den Hauptschuldner hat dies zunächst keine direkten Folgen, aber für den Bürgen. 

Dieser ist sofort von seinen Verpflichtungen, die sich zuvor aus der Bürgschaftserklärung ergeben haben, entlassen. Das wiederum bedeutet, dass ihn das Kreditinstitut in der Zukunft nicht mehr beanspruchen kann, sollte der Schuldner zum Beispiel seine Darlehensarten nicht zahlen. 

Eine indirekte Folge gibt es allerdings auch für den Hauptschuldner. Dieser muss in der Regel gegenüber den Kreditgeber neue und damit anderweitige Sicherheiten stellen, weil die Bürgschaft entfallen ist. 

Wer hat die Beweislast für die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft?

Normalerweise trägt die Beweislast einer sittenwidrigen Bürgschaft der Bürge, der die Bürgschaft anfechten möchte. Relativ leicht kann der Bürge oft zum Beispiel seine erhebliche, finanzielle Überforderung beweisen. Dazu muss er nur seinen regelmäßigen Einkünfte und Ausgaben darlegen.

Ebenfalls recht einfach lässt sich darlegen, dass eine emotionale Bindung seitens des Bürgen zum Schuldner existiert. In diesem Fall kommt es sogar oft zur Beweislastumkehr. Dann müsste das Kreditinstitut beweisen, dass der Bürge keine emotionale Bindung hatte bzw. nicht aus dem Grund die Bürgschaftserklärung abgegeben hat.

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Sind Sie der Auffassung, dass die von Ihnen unterzeichnete Bürgschaft sittenwidrig ist? In dem Fall nehmen Sie die Beratung der auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Anwaltskanzlei CDR-Legal in Anspruch. Sie vereinbaren zunächst ein für Sie kostenfreies, telefonisches Erstgespräch.

Innerhalb des Telefonats erörtert CDR-Legal mit Ihnen zusammen als erste Schritte, die zum Beispiel das Anfechten der Bürgschaft beinhalten können. Im weiteren Verlauf vertritt Sie die Anwaltskanzlei zum Beispiel gegenüber der Bank, um die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft feststellen zu lassen.

Foto(s): 347480481 © N. Theiss, https://stock.adobe.com/

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