BVerfG: Bezeichnung als „Spanner“ ausnahmsweise zulässig

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Erneut hebt das Bundesverfassungsgericht mit einem Beschluss vom 29.06.2016 (Az. 1 BvR 2732/15) ein vorinstanzliches Urteil wieder auf. Die Begründung diesmal war, dass die fälschliche Einordnung einer Aussage als Tatsachenbehauptung zu einer unzulässigen Verkürzung des Grundrechtsschutzes führe.

Der Beschwerdeführer erhebt Verfassungsbeschwerde gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen übler Nachrede im Sinne des § 186 StGB. Er sieht sich durch dieses Urteil in seinen Rechten der freien Meinungsäußerung verletzt.

Die Verurteilung basiert auf einem Facebook-Post des Beschwerdeführers, wo er einen Polizeibeamten als „Spanner“ bezeichnete. Dieser Polizist hatte ihn zuvor mehrfach unbegründet kontrolliert und schließlich für weitere Kontrollmaßnahmen sein Haus mit dem Licht seines Einsatzfahrzeuges angestrahlt. Dies sah der Beschwerdeführer zum Anlass folgenden Facebook-Eintrag zu veröffentlichen:

„Da hat der (Name des Polizeibeamten) nix besseres zu tun, als in K. und Co in irgendwelchen Einfahrten mit Auf- und Abblendlicht zu stehen und in die gegenüberliegenden Häuser in den Hausplatz zu leuchten!!! Der Spanner!“

Dies verleitete den Polizeibeamten wiederrum zu einem Strafantrag.

Das zuständige Gericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen übler Nachrede gemäß § 186 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 Euro. Urteilsbegründung war, dass die Bezeichnung „Spanner“ eine Tatsachenbehauptung wäre und ehrverletzend sei.

Eine unvoreingenommene und verständige Durchschnittsperson würde unter der Bezeichnung eines „Spanners“ einen Voyeur verstehen, der als Zuschauer bei sexuellen Betätigungen anderer Personen Befriedung erfahre. Zumindest könnte man aber bei einem Spanner von einer Person ausgehen, die gesetzeswidrige Handlungen tätigt. Dies würde weder ein Werturteil darstellen noch von der Meinungsäußerung gedeckt seien.

Das Bundesverfassungsgericht hatte sich daher mit dieser Äußerungseinordnung zu befassen. Grundsätzlich ist eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils nur zulässig, wenn eine zuverlässige Sinnermittlung dadurch nicht verfälscht wird. Im Interesse eines wirksamen Grundrechtschutzes darf auch keine Trennung zwischen tatsächlichen und wertenden Bestandteilen einer Äußerung erfolgen.

Im vorliegenden Fall wird festgestellt, dass das vorinstanzliche Gericht in einer verfassungsrechtlich nicht mehr tragbaren Art und Weise annahm, es handele sich um eine unwahre, ehrverletzende Tatsachenbehauptung im Sinne von § 186 StGB.

Der Beschwerdeführer schildert zwar ein tatsächliches Geschehen, nämlich den Wendevorgang des Polizeibeamten. Die Äußerung „Spanner“ ist aber keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Bewertung des Beobachteten, die dem Beweis nicht zugänglich ist. Darüber hinaus liegt es nicht nahe, eine unvoreingenommene und verständige Durchschnittsperson würde angesichts dieses Gesamtkontextes davon ausgehen, dass es dem Polizeibeamten darum gegangen sei, Befriedigung als Zuschauer bei sexuellen Handlungen anderer zu erfahren.

Die Einordnung der Äußerung erfolgt daher unter einer unzulässigen isolierten Betrachtungsweise. Es wurde übersehen, dass im Gesamtzusammenhang die Äußerung naheliegender Weise als Element der Stellungnahme und daher als Werturteil anzusehen ist.

Eine solche unzulässige Trennung und eine daraus folgende falsche Einordnung von Äußerungen führen zu einer Verkürzung des Grundrechtsschutzes. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Verfassungsbeschwerde daher als begründet an und hebt die angegriffene Entscheidung auf.

Dieser Beschluss ist jedoch kein Freifahrtschein für die beliebige Bezeichnung von „Spannern“. Es ist zwar keine Tatsachenbehauptung nach § 186 StGB, es könnte jedoch eine unzulässige Beleidigung nach § 185 StGB vorliegen.

Die Kanzlei Buse Herz Grunst Rechtsanwälte steht Ihnen rund um das Thema Persönlichkeitsrecht sowohl in gerichtlichen als auch in außergerichtlichen Verfahren jederzeit gern zur Verfügung.


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