BVerfG: Durchsuchung im OWi-Verfahren verfassungswidrig!

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Das Bundesverfassungsgericht hatte sich im Juli 2016 anlässlich einer Verfassungsbeschwerde mit der Überprüfung der Verfassungsgemäßheit von Durchsuchungsmaßnahmen innerhalb des Ordnungswidrigkeitsverfahrens zu beschäftigen und verwies die Sache insoweit aufgrund der Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers zur erneuten Verhandlung an das LG Thübingen zurück.

Im vorliegenden Fall soll der Betroffene im Juni 2012 fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h mit seinem Kraftrad überschritten haben, weshalb ihm eine Geldbuße von 80,- € auferlegt wurde.

Gegen den Bußgeldbescheid legte der Betroffene sodann fristgerecht Einspruch ein, sodass es zur Hauptverhandlung im Februar 2013 kam. Dort machte der Beschwerdeführer jedoch bis auf den Hinweis, dass aus seiner Sicht keine Identifizierung seinerseits möglich sei, keine Angaben. Kurz bevor der Fortsetzungstermin stattfinden sollte, ordnete das AG Reutlingen dann die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers zwecks der Auffindung und Beschlagnahmung etwaiger Motorradkleidung zur Identifizierung des Betroffenen an.

Das BVerfG sah die nach voller Ausschöpfung aller Rechtsmittel durch den Betroffenen erhobene Verfassungsbeschwerde schließlich als zulässig und begründet an.

Es führte insoweit aus, dass gerade die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 I GG einen besonderen grundrechtlichen Schutz gewähre, in welchen durch eine Untersuchung schwerwiegend eingegriffen wird. Die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre gebiete insoweit ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis, die Durchsuchung müsse also stets verhältnismäßig sein. Dies sei hier gerade nicht der Fall gewesen. So müsse die Abwägung von staatlichem Verfolgungsinteresse und der Einhaltung von Grundrechten stets auch danach differenzieren, ob der Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat im Raum stehe. Schon wegen der Nichtgeltung des Legalitätsprinzips im OWi-Verfahren sei nach den Wertungen des Gesetzgebers von Eingriffsbefugnissen ein zurückhaltender Gebrauch zu machen. Eine, wie die Fachgerichte annahmen, „beträchtliche“ Geschwindigkeitsüberschreitung habe überdies auch nicht vorgelegen, sodass die Maßnahme unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig war.

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts Juli 2016

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Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Johlige, Skana & Partner in Berlin.


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