Cannabis und Führerschein: Mieses Spiel bei der Bestimmung des gelegentlichen/regelmäßigen Konsums

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Die Bestimmung des "gelegentlichen Konsums" von Cannabis anhand willkürlicher THC COOH Werte: 

Auch von Interesse: Lug und Trug der Behören mit  spekulativen Wahrscheinlichkeitsbehauptungen bei der Anordnung einer MPU.

"Nur" grob unwissenschaftlicher THC COOH Interpretations Hokus Pokus der Gerichte / Behörden / Gutachterstellen oder haben wir es bereits mit verfassungsfeindlicher Handhabe in grundrechtlich geschützten Sphären zu  tun?

Die Frage, welcher THC COOH Wert welches Konsummuster beweisen soll, ist wissenschaftlich ungeklärt. Es wird nur so getan, als sei sie geklärt.

Es gibt zwar eine Vielzahl von einzelnen Studien, die hierzu Aussagen treffen. Da werden im freien Losverfahren (je nach Strenge der Behörde) Werte zwischen 10 und 100 ng/ml THC COOH vertreten, die als "Beweis" für den gelegentlichen Konsum gelten sollen. Und 150 ng/ml THC COOH sollen sogar den regelmäßigen Konsum beweisen. Es wird der passende Hase aus dem Hut gezaubert, den sich die Behörde oder das Gericht oder der Gutachter wünscht. Und selten hört der Hase auf den Namen "de lege artis".

Für den Wert von 100 ng/ml THC COOH spricht die Studie von Huestis/Henningfield/Cone "Blood cannabinoids. I. Absorption of THC and formation of 11-OH-THC and THCCOOH during and after smoking marijuana

In komplett absurder Wissenschaftlichkeitsverweigerung gab dann das OVG RLP sinngemäß zu verstehen, dass deswegen aber die Auffassung von Daldrup, es gälten 10 ng/ml THC COOH als Grenze nicht widerlegt sei. 

Wissenschaft ist ganz easy dem Grunde nach. Beweist eine Studie, dass ein höherer Grenzwert gelten muss für den gelegentlichen Konsum (100 ng/ml THC COOH), dann ist die Studie  mit dem niedrigeren Grenzwert als widerlegt anzusehen und darf nicht mehr angewendet werden. Gesetzt den Fall, man fühlt sich der Wissenschaft verpflichtet und beantwortet die Gretchenfrage:

"Wie verhält sich der Wissenschaftlicher zur Methodik"? mit: "Redlich". 

Die Gerichte und Behörden suchen sich gerne irgendeinen Wert aus, der zum gewünschten, strengen Ergebnis (Anordnung MPU, Entziehung Fahrerlaubnis, Konstruktion von vermeinlichen Lügen der Betroffenen in Gutachten) passt. Das nennen sie "Wissenschaft". Sie rechtfertigen also ihre letztlich willkürlichen Entscheiduungen mit einer Wissenschaft, die sie gerade nur zu oft mit Füssen treten. 

Das OVG RLP treibt es dann noch auf die Spitze und behauptet zuwider jeder wissenschaftlicher Objektivität, bei einem Wert unter 100 ng/ml THC COOH sei der gelegentliche Konsum (trotz wissenschaftlichen Beweises des Gegenteils!) möglich. 

Die durch Huestis et al. widerlegte Auffassung von zB Daldrup mit seinen (aus den Hut gezauberten) 10 ng/ml THC COOH seien ja trotz wissenschaftlicher Widerlegung nicht widerlegt, sondern gälten parallel weiter. Aha. Das muss man erstmal hinkriegen. Warum das Gericht die Studie von Huestis damit quasi (und damit die Wissenschaft gleich mit) so entwertet? Weil man die Leute mit niedrigeren Werten auch noch dran kriegen will. Deshalb. 

Weil die wissenschaftlich glatt widerlegte, nach richterlich -offenbar überwissenschaftlich sakraler- Betrachtungsweise aber parallel fortgeltende Auffassung Daldrups (im Paralleluniversum der wissenschaftsfeindlichen Richter) weiter gelten soll, sei der Erstkonsum bei einem Wert unter 100 ng/ml THC COOH erst dann bewiesen, wenn sich der Betroffene (der wissenschaftlich betrachtet Erstkonsument ist) entlastet, also dem Gericht substantiiert vorträgt, wie es denn nun genau war mit den Umständen des Erstkonsums. Es wird also die Beweislast mit zu absurdester Argumentation an Freund und Feind gedreht und ein Betroffener, die wissenschaftlich betrachtet Erstkonsument ist, sich für diesen Erstkonsum auch noch erklären solle.

Das ist ziemlich dreist. Ziemlich. Und meiner Ansicht nach glatt verfassungsfeindlich.

Warum? Weil wir uns bei dem Thema MPU und Entziehung der Fahrerlaubnis im grundrechtlich geschützten Bereich befinden. Diese gehören zur Verfassung. Wenn man nun im Bereich dieser Grundrechte die Wissenschaft für obsolet erklärt, dann erklärt man die Grundrechte für obsolet, denn diese sind ohne strenge wissenschaftliche Objektivität entkernt und nur Spielball für Personen, die sich über die Grundrechte erheben, obwohl sie zum guten Teil geschworen haben, die Verfassung zu schützen. Oder die man gut bezahlt für ein Gutachten, dass nach den Regeln der Wissenschaft angefertigt werden soll (viele Gutachterstellen legen null Wert darauf).

Ehrlich: Ich habe selten so einen Stuss (man muss das so sagen) gelesen in wissenschaftlicher Hinsicht wie im Bereich der Frage der Deutung von THC COOH Werten. Diese willkürlichen Ergüsse noch mit "anrüchig" zu beschreiben, ist beschönigend. Es ist wissenschaftsfremd, verkürzt damit direkt die Schutzsphären der Grundrechte und nimmt diesen Verfassungsnormen die wissenschaftliche Legitimation. Diese Handhabe entweiht die Grundrechte. Und der Umstand, diese Grundrechte durch Verzicht auf ehrliche Methodik mit der Abrissbirne zu zermalmen, ist scheinbar Trend geworden. 

Wissenschaft ist NICHT: Ich suche mir eine Studie aus, die zum Ergebnis passt, welches ich mir wünsche (auch wenn diese Studie längst widerlegt ist). Das ist keine Wissenschaft, das ist Frevel. Und dieser Frevel ist Tagesgeschäft und zerfrisst die Grundrechte - solange bis sie nur noch ein entkernte Idee sind und maximal eine Erinnnerung. 

Grundrechte ohne wissenschafltliche Methodik geht nicht. Punkt. Man muss ein zweifelhafter Charakter sein, um das anders sehen zu können.

Kommen wir zurück zu Huestis et al. Der Studie mit dem höchten THC COOH Wert als Grenze, die den gelegentlichen Konsum beweisen soll. 

Wussten Sie, dass dort den Probanden nur zwischen 17 und 35 mg THC verabreicht wurden? Und das selbst bei diesen niedrigen Werten 100 ng/ml THC COOH bei Erstkonsumenten erzielt wurden?

Nun verhält es sich doch so, dass heutige Cannabis Sorten oft einen sehr hohen THC Gehalt haben (zB BRUCE BANNER #3 (GROWER’S CHOICE): 27% THC, ROYAL GORILLA (ROYAL QUEEN SEEDS): 27% THC, BANANA (ZAMNESIA SEEDS): 23–30% THC, CRITICAL KUSH (BARNEY’S FARM): 25% THC, GORILLA GLUE #4 (BSB GENETICS): 26–31% THC).

Wenn nun ein Erstkonsument zB 0,2 Gramm einer Sorte mit 25 % THC Anteil konsumiert, dann konsumiert er mehr als 17 und auch mehr als 35 mg THC (spitzfindige Rechner können das überprüfen! Gerne und gerade auch solche, die über andere Menschen richten und diese begutachten). 

Bereits dann ist der Grenzwert von 100 ng/ml THC COOH nicht mehr zu halten, da mehr THC konsumiert wurde als bbei Huestis et al und deshalb der THC COOH Wert höher sein kann und wird. Logisch zwingend, oder?

Dann sind auch 150 ng/ml THC COOH locker in Schlagweite. Und dann wird aus den Einmalkonsument ein regelmäßiger Konsument aus Sicht behördlichen Müßiggänger. 

Wenn ein Konsum von Cannabis, der vielleicht alle paar Wochen mal am WE konsumiert, hochqualitatites Cannabis konsumiert, zB 0,5 Gramm am Freitag und 0,5 Gramm am Samstag, dann konsumiert er bei 25 % THC Gehalt 250 mg THC. Und das ist -ist wirklich so, hohes Gericht!- deutlich mehr als 35 mg. Und dann wird ihm täglicher oder beinahe  täglicher Konsum und völlig außer der Normalität liegendes Hardcore Kiffertum unterstellt werden, obwohl er nur ein Wochenende in Amsterdam verbracht hat und vorher ewig nichts geraucht hatte. 

Und wie verhält es sich  mit der Studienlage bezüglich des Nachweises von THC COOH in Urin / Blut nach dem Konsum normaler Mengen von qualitativ hochwertigen Cannabis: Zero Zero ist die Studienlage:

Will heißen: Man tappt im Dunklen, kann davon ausgehen, dass ein Einmalkonsuim locker Werte nach sich ziehen kann, der heute als Grenzwert zum regelmäßigen Konsum mißbraucht wird. Und dann werden noch angesichts dieser doch wohl hoffentlich logischen Annahme, dass die THC COOH Werte zur Bestimmung des gelegentlichen / regelmäßigen Konsums zu niedrig angesetzt sind, noch komplett überholte Werte (=10 ng/ml THC COOH) für weiterhin gültig erklärt neben den Studien, die genau das Gegenteil beweisen, damit man noch die Beweislast drehen kann. 

Brauchen Sie noch mehr Infos, um mit mir der Annahme zu sein, dass man Grundrechte nicht behandeln sollte wie ein Zuhälter sein Crack süchtiges Personal? 

Es ist -ohne Übertreibung- erschütternd, wie man absichtlich den wissenschaftlichen Ball dauerhaft so flach halten und sich morgens noch in den Spiegel schauen kann. 

Man kann nur appellieren: Wertet die Grundrechte als höchstes Gut und verhaltet Euch danach, auch wenn das Ergebnis nicht schmeckt. Erhebt Euch nicht über das Erfordernis wissenschaftlicher Arbeit im Bereich der  Grundrechte, sonst schafft ihr sie ab.

Foto(s): RA Björn Schüller

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