Das 1x1 der Testamentsvollstreckung – Den Nachlass richtig führen und Konflikte vermeiden (Teil I)
- 7 Minuten Lesezeit
Grundlagen – Welche Rechte und Pflichten haben Testamentsvollstrecker?
Von Rechtsanwalt Jens-Arne Former und Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann
Einleitung
Der Erblasser kann durch sein Testament einen Testamentsvollstrecker ernennen. Diesem kommt sodann die verantwortungsvolle Aufgabe zu, die letztwillige Verfügung des Erblassers auszuführen. Darüber hinaus wird aber auch ein Rechtsverhältnis zu den Erben des Erblassers begründet. Gerade in diesem (nicht selten angespannten) Verhältnis kann es aufgrund weitreichender Befugnisse des Testamentsvollstreckers zu Streitigkeiten kommen, welche die Erbschaftsangelegenheit betreffen.
Diese äußerst spannende, jedoch auch mit nicht unwesentlichem Konfliktpotential verbundene Konstellation bietet Anlass für die nachfolgende Beitragsserie. Dabei soll zunächst geklärt werden, welche Aufgaben und Pflichten den Testamentsvollstrecker treffen (Teil 1), bevor im 2. Teil die berufsrechtlichen Grenzen im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Testamentsvollstrecker besprochen werden. Sieht sich der Testamentsvollstrecker bereits in einer Konfliktsituation mit angriffslustigen Erben konfrontiert, soll sich die Reihe weiter mit möglichen Konsequenzen wie auch mit einem taktischen Vorgehen zur Konfliktbewältigung befassen (Teil 3).
Teil 1: Grundlagen – Wesentliche Rechte und Pflichten des Testamentsvollstreckers
Mit der Stellung als Testamentsvollstrecker geht eine Vielzahl verschiedener Rechte und Pflichten einher. Dieser muss sich der Testamentsvollstrecker stets bewusst sein, um seine Aufgaben pflichtgemäß und gewissenhaft erfüllen zu können, aber auch, um möglichen Einwenden der Erben effektiv begegnen zu können.
I. Die wichtigsten Rechte des Testamentsvollstreckers
Die Rechte des Testamentsvollstreckers ergeben sich aus dem Testament und dem auf dieser Basis erteilten Testamentsvollstreckerzeugnis. Neben der Verwaltung des Nachlasses und der Befugnis, über diesen zu verfügen, spielt auch der Vergütungsanspruch des Testamentsvollstreckers eine wichtige Rolle.
1. Nachlassverwaltung und Verfügungsbefugnis
Der Testamentsvollstrecker ist gem. § 2205 S. 1 BGB zur Nachlassverwaltung verpflichtet. Zu diesem Zwecke ist er insbesondere berechtigt, den Nachlass vollständig in seinen Besitz zu nehmen und über die Nachlassgegenstände zu verfügen[1], wenn er ein solches Vorgehen mit nachvollziehbarer Begründung für sachlich geboten hält. Im Falle unentgeltlicher Verfügungen besteht die Befugnis jedoch nur, soweit die Verfügung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entspricht.
Hat der Erblasser keine ausdrückliche Anordnung getroffen, ist dessen mutmaßlicher Wille zu berücksichtigen. Dabei kann sich dieser auch aus Anhaltspunkten ergeben, welche außerhalb der letztwilligen Verfügung liegen.[2] Hat der Erblasser hingegen Anordnungen getroffen, kann der Testamentsvollstrecker diese vernachlässigen, wenn die Erben mit diesem Vorgehen einverstanden sind.[3]
LFR-Tipp: Anzuraten ist in letzterem Fall, dass ein solches Einvernehmen hinreichend dokumentiert wird, sodass der Testamentsvollstrecker im Falle einer späteren Auseinandersetzung mit den Erben genügend Beweise vorbringen kann.
Spezialfall: Verwaltung eines GmbH-Gesellschaftsanteils durch den Testamentsvollstrecker
Ist ein GmbH-Gesellschaftsanteil Teil des Nachlasses, verwaltet der Testamentsvollstrecker diesen kraft eigenen Rechts. Er ist grundsätzlich zu den mit der Gesellschaftereigenschaft der Erben einhergehenden Handlungen berechtigt; die Erben selbst sind dabei ausgeschlossen.[4] Ist die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nicht beschränkt[5], sind umgekehrt ihm gegenüber die Rechtshandlungen gegenüber dem Inhaber des Gesellschaftsanteils zu besorgen.
Bei den Rechten im Rahmen der Verwaltungstätigkeit[6] handelt es sich vorrangig um:
- Stimmrechtsausübung/Informationsrechtsausübung
- Geschäftsführerüberwachung
- Mitwirkungsrecht bzgl. Satzungsänderungen
- Entgegennahme der Gewinnausschüttung/ des Liquidationserlöses
- Kündigung der Mitgliedschaft
- Entgeltliche Veräußerung des Anteils
- Veräußerung des Anteils im Rahmen der Erbauseinandersetzung
2. Vergütungsanspruch
Gem. § 2221 BGB kann der Testamentsvollstrecker für seine Amtsführung eine Vergütung verlangen. Dies gilt jedoch nur, sofern der Erblasser nichts anderes bestimmt hat.[7] Ferner muss die Vergütung angemessen sein. Schwierigkeiten bereitet die Regelung deshalb, weil sie zwar einen Vergütungsanspruch dem Grunde nach annimmt, jedoch hinsichtlich der Höhe bzw. der Berechnung keine näheren Angaben enthält. Hier kann allerdings auf die in der Rechtsprechung entwickelten Vergütungstabellen Bezug genommen werden.
Insbesondere der verwendete Begriff der „angemessenen Vergütung“ kann für Unklarheit und letztlich Konfliktpotential sorgen. Auch hier hat die Rechtsprechung jedoch Bewertungskriterien entwickelt. Berücksichtigung finden dabei:
- Wert des Nachlasses
- Schwierigkeitsgrad/ Komplexität der Nachlassverwaltung
- Dauer der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers
- Beteiligte Personen
- Erfolg der Vollstreckungstätigkeit
Aber auch besondere Kenntnisse und Fähigkeiten des Testamentsvollstreckers können hier eine Rolle spielen.[8]
II. Die wichtigsten Pflichten des Testamentsvollstreckers
Wird jemand mit der Aufgabe des Testamentsvollstreckers betraut, sei es durch den Erblasser selbst, durch einen Dritten oder durch das Nachlassgericht, trifft ihn eine verantwortungsvolle Aufgabe. Er hat die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB). Damit einher geht eine Vielzahl an Aufgaben, welche der Testamentsvollstrecker pflichtgemäß zu erfüllen hat. Verletzt er eine der ihm obliegenden Verpflichtungen schuldhaft, haftet er den Erben gegenüber auf Ersatz des aus der Verletzung entstandenen Schadens. Entsprechend ist es von besonderer Bedeutung, dass sich der Testamentsvollstrecker seiner Pflichten bewusst ist und diese gewissenhaft erfüllt.
1. Benachrichtigungspflicht
Gegenüber den Erben hat der Testamentsvollstrecker die rechtserheblichen und wirtschaftlich bedeutsamen Vorgänge zum Nachlassvermögen unaufgefordert mitzuteilen (§ 2218, § 666 Alt. 1 BGB).[9] Dabei handelt es sich um eine kontinuierliche Informationsobliegenheit den Erben gegenüber.
2. Auskunftspflicht
Tritt der Erbe mit einem Auskunftsverlangen an den Testamentsvollstrecker heran, ist dieser zur Erteilung verpflichtet. Das OLG München[10] hält die gemäß § 2218, § 666 Alt. 1 BGB auf Aufforderung zu erteilende Auskunft für eine Wissenserklärung und verlangt, dass der Auskunftspflichtige seine Angaben
- schriftlich niederlegt und
- persönlich unterzeichnet.
Ausreichend ist damit nicht, dass ein anwaltlichen Vertreter Auskunft mittels eines Schriftsatzes erteilt hat. Das Auskunftsgebot des Testamentsvollstreckers ist zudem absolut, d. h. er hat ohne Rücksicht auf die Gefahr eigener Strafverfolgung die angeforderten Fakten sowie ein mögliches Rechenwerk offenzulegen.[11] Fehlt es jedoch an einem Auskunftsverlangen seitens des Erben, verbleibt es bei der Benachrichtigungspflicht nach Punkt 1.
3. Nachlassverzeichnispflicht
Der Testamentsvollstrecker hat dem Erben unverzüglich nach Amtsantritt ein sogenanntes Nachlassverzeichnis zu überlassen, welches sich auf alle zum Nachlass gehörenden Gegenstände bezieht, die der Testamentsvollstrecker nach Einsicht in die ihm verfügbaren Unterlagen festgestellt hat. Die Mitteilung eines Verzeichnisses ist eine spezielle Art der Auskunftserteilung. Sie hat Kontrollfunktion für den Erben, Beweisfunktion für die spätere Abwicklung des Nachlasses sowie für die Rechnungslegung und Haftung des Testamentsvollstreckers gemäß § 2219 BGB.[12]
Unentbehrliche Bestandteile[13] des Nachlassverzeichnisses sind:
- Auflistung sämtlicher bekannter Nachlassgegenstände sowie die
- Darstellung der bekannten Nachlassverbindlichkeiten im Zeitpunkt des Erbfalles.
Es gilt dabei zu beachten: Der Testamentsvollstrecker muss die Nachlassgegenstände nicht spezifizieren und ist auch nicht gehalten, ihren Wert anzugeben.[14]
4. Rechenschaftslegung
Der Testamentsvollstrecker ist auf Verlangen des Erben zur Rechenschaftslegung verpflichtet. Sie ist geprägt von einer größeren Dichte und Intensität an Informationen. Hintergrund ist, dass durch sie die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers lückenlos abgebildet werden soll. Sie hat in übersichtlicher Form sowie transparent zu erfolgen. Außerdem kann gefordert werden, dass der Testamentsvollstrecker die wirtschaftlichen Vorgänge auch belegen kann. Eine umfassende Rechenschaftslegung umfasst daher die schriftliche Darstellung von Aktiva und Passiva des Nachlassvermögens und schließt mit einem bestimmten wirtschaftlichen Ergebnis ab.[15] Der Umfang dieser Auskunft richtet sich nach den Anforderungen des Erben.[16]
Art und Ausmaß der Rechenschaftslegung haben keine statischen Vorgaben, sondern sind einzelfallbezogen. Sie hängen u. a. von folgenden Faktoren ab:
- Umfang des Nachlasses,
- Anzahl der Nachlasspositionen
- Aufwand der Dokumentation von Aktiva und Passiva
- Umfang der Geschäftstätigkeit, Informationsinteresse des Erben.
III. Fazit
So umfassend die Rechte und Befugnisse des Testamentsvollstreckers sein mögen, so treffen ihn aber auch bestimmte Pflichten den Erben gegenüber, welche der Testamentsvollstrecker bei der Ausübung seiner Tätigkeit umfassend zu berücksichtigen hat. Letztlich soll damit das Kräfteverhältnis zwischen den Beteiligten ausgeglichen werden. Anderenfalls drohen ihm gegebenenfalls hohe Schadensersatzforderungen seitens der Erben, die durch die Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers einen Schaden erlitten haben.
Über #LFR Wirtschaftsanwälte
LFR Wirtschaftsanwälte sind Ihr Partner bei Erb-, Unternehmens- und Vermögensnachfolge. Unsere Anwälte beraten seit über 20 Jahren Testamentsvollstrecker bei allen Fragen der Erbauseinandersetzung, Erbschaftsstreitigkeiten und Nachlassabwicklung, aber auch bei der Abwehr von Haftungsansprüchen, insbesondere im Zusammenhang mit unternehmerisch gehaltenen Beteiligungen im Nachlass (GmbHs, GmbHs & Co. KGs, GbR-Anteile). Derartige Streitigkeiten zeichnen sich meist doch eine hohe Komplexität
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[1] Siehe dazu auch MüKoGmbHG/Weller/Reichert, 4. Aufl. 2022, GmbHG § 15 Rn. 496.
[2] MüKoBGB/Zimmermann, 8. Aufl. 2020, BGB § 2203 Rn. 4.
[3] MüKoBGB/Zimmermann, 8. Aufl. 2020, BGB § 2203 Rn. 4.
[4] MüKoGmbHG/Heinze, 4. Aufl. 2022, GmbHG § 2 Rn. 139; BGH NJW 1959, 1820.
[5] Siehe dazu auch BGH NJW 1969, 841, 844.
[6] Nach MüKoGmbHG/Heinze, 4. Aufl. 2022, GmbHG § 2 Rn. 139.
[7] Denkbar ist etwa ein lebzeitiger Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Erblasser und vorgesehenem Testamentsvollstrecker.
[8] Siehe hinsichtlich der Doppelstellung als Testamentsvollstrecker und Steuerberater Teil 2 der Reihe.
[9] Sarres, ZEV 2000, 90, 91.
[10] OLG München, FamRZ 1995, 737.
[11] Sarres, ZEV 2000, 90, 92.
[12] Sarres, ZEV 2000, 90, 92; vgl. hierzu auch Schöne Auskunftsansprüche im Erbrecht, 1983, S. 125 Fn. 96 unter Hinweis auf die Verzeichnispflicht des Vorerben gemäß § 2121 BGB, S. 127 ff.; Reimann, FamRZ 1995, 588
[13] Materiell treffend erscheint daher der Begriff „Vermögensaufstellung”.
[14] vgl. OLG Hamm, OLGZ 1986, 1, 5; BayObLG, ZEV 1997, 381.
[15] Sarres, ZEV 2000, 90, 92; Beispiele für eine Rechenschafts-/Rechnungslegung bei Klumpp, a. a. O., S. 343 ff.; ferner bei Möhring/Beisswingert/Klingelhöfer, Vermögensverwaltung in Vormundschafts- und Nachlaßsachen, 7. Aufl. 1992, S. 73 ff.; ferner instruktiv zur Rechnungslegung Jochum/Pohl, Der Nachlaßpfleger, S. 208, bezogen auf den Nachlasspfleger.
[16] vgl. Haegele/Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 12. Aufl., Rn. 480.
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