Das Formerfordernis befristeter Arbeitsverträge am Beispiel „Gorillas“

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Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, welche Formanforderungen für befristete Arbeitsverträge gelten und welche Auswirkungen Formverstöße haben können.

Der medial präsente Arbeitskampf beim Lieferdienst „Gorillas“ beschäftigt aktuell das Arbeitsgericht Berlin. Mehrere Radkuriere haben ihren Arbeitgeber auf Entfristung ihrer Arbeitsverhältnisse verklagt. Üblicherweise stellt Gorillas seine Beschäftigten zunächst nur für ein Jahr ein, davon die ersten sechs Monate als Probezeit.

Im vorliegenden Fall wurden die streitgegenständlichen Arbeitsverträge der Beschäftigten nicht eigenhändig unterschrieben, sondern mithilfe eines elektronischen Zertifizierungsverfahrens geschlossen. Die klagenden Radkuriere vertreten die Auffassung, die vertraglich vorgesehene Befristung sei aufgrund von Formverstoß unrechtmäßig und ihre Arbeitsverhältnisse infolgedessen unbefristet. Der Rechtsbeistand des Unternehmens zweifelt wohl das generelle Vorliegen rechtmäßiger Arbeitsverträge an, ohne bislang weitergehend zu argumentieren. Eine vertiefte Auseinandersetzung scheint bald erwartbar.

I. Grundsatz

Gemäß dem in Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz enthaltenen Grundsatz der Vertragsfreiheit können Arbeitsverhältnisse nicht nur unbefristet, sondern auch befristet abgeschlossen werden. Da das befristete Arbeitsverhältnis ohne Ausspruch einer Kündigung endet, finden auch die Kündigungsschutzbestimmungen insoweit keine Anwendung. Das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) enthält die wichtigsten Bestimmungen über die Zulässigkeit von befristeten Arbeitsverträgen.

Gemäß § 3 Abs. 1 TzBfG ist ein Arbeitnehmer mit einem auf bestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag befristet beschäftigt. Daneben unterscheidet das Gesetz die Zeit- und die Zweckbefristung. Ein auf bestimmte Zeit geschlossener Arbeitsvertrag liegt vor, wenn seine Dauer entweder kalendermäßig bestimmt ist oder sich aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.

II. Schriftformerfordernis

Die Befristung des Arbeitsvertrags bedarf gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG der Schriftform. Das Schriftformerfordernis ist insbesondere zum Zweck der Rechtssicherheit und der Beweiserleichterung erforderlich. § 14 Abs. 4 TzBfG verlangt indes nicht den Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrags, sondern unterwirft lediglich die Vereinbarung über die Befristung des Arbeitsvertrags dem gesetzlichen Schriftformerfordernis des § 126 BGB.

Gemäß § 126 Abs. 1 BGB muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.  Gemäß §126 Abs. 2 Satz 1 BGB muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, genügt es gemäß § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Regelmäßig müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Vertragsbeginn jeweils über ein von dem anderen Teil unterschriebenes Schriftstück verfügen (BAG, Urteil vom 25.10.2017 – 7 AZR 632/15).

Das Gesetz sieht in den §§ 126 Abs. 3, 126 a BGB die Möglichkeit vor, die Schriftform durch die elektronische Form zu ersetzen. § 623 BGB schließt dies wiederum für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag aus.

Zur Einhaltung der elektronischen Form bedarf es einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz, wobei im Zuge eines Vertragsschlusses die Parteien jeweils ein gleichlautendes Dokument elektronisch signieren müssen.

Der Wortlaut des § 14 Abs. 4 TzBfG schließt die Verwendung der elektronischen Form gemäß § 126 a BGB nicht ausdrücklich aus. Dennoch ist die Frage, ob die elektronische Form bei befristeten Arbeitsverträgen rechtswirksam ist, umstritten und nicht final entschieden.

Exkurs:

Das Arbeitsgericht Berlin hat sich bereits zuletzt in seiner Entscheidung vom 28.09.2021 (Az. 36 Ca 15296/20) mit der Thematik des Schriftformerfordernisses befristeter Arbeitsverträge auseinandergesetzt.            

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall vereinbarten Arbeitnehmer und Arbeitgeberin einen befristeten Arbeitsvertrag, ohne dass der Vertrag eigenhändig mit Namensunterschrift unterzeichnet wurde.  Stattdessen verwendete man eine elektronische Signatur.                                                                             

Das Arbeitsgericht Berlin gelangte zu dem Ergebnis, die in diesem Fall verwendete Signatur genüge nicht dem Schriftformerfordernis. Auch wenn man annehme, dass eine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des § 126 a Bürgerliches Gesetzbuch grundsätzlich zur wirksamen Vereinbarung einer Befristung ausreiche, liege in diesem Fall keine solche vor. Eine elektronische Signatur gilt nur dann als qualifiziert, wenn das genutzte Signatursystem nach EU-Vorgaben zertifiziert ist. In Deutschland sei für diese Zertifizierung die Bundesnetzagentur zuständig, wie der Bund-Verlag erklärt. Da für den befristeten Vertrag kein zertifiziertes System zum Einsatz kam, sei auch die Vereinbarung der Befristung unwirksam.

Wird die Schriftform nicht eingehalten, ist die Befristung unwirksam und das Arbeitsverhältnis gilt gem. § 16 Abs. 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen. 

Die Nichteinhaltung der Schriftform im Falle der Befristung des Arbeitsverhältnisses führt demnach nicht zu einem unwirksamen Arbeitsvertrag. In der Praxis zwingt das Schriftformerfordernis den Arbeitgeber bei befristeten Arbeitsverhältnissen regelmäßig zum Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrags.

Das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG erfordert nicht die schriftliche Vereinbarung des Sachgrunds für den befristeten Arbeitsvertrag oder die schriftliche Vereinbarung von befristeten Änderungen des Arbeitsvertrags.

Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 TzBfG müssen bis zum Vertragsbeginn, das bedeutet der ersten Arbeitsaufnahme vorliegen. Zuvor nur in mündlicher Form getroffene Vereinbarungen über den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags können bis zu diesem Zeitpunkt geheilt werden. Kommen die Parteien überein, dass noch ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen werden soll, liegt darin regelmäßig nur ein Vorvertrag; maßgeblich ist dann, ob der schriftliche Arbeitsvertrag bis zur Arbeitsaufnahme entsprechend den Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB unterzeichnet wird.

III. Wie kann der Arbeitnehmer seine Ansprüche geltend machen?

Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung seines Arbeitsvertrags rechtsunwirksam ist, kann er dies mittels einer Befristungskontrollklage erreichen. Er muss gemäß § 17 Satz 1 TzBfG (spätestens) innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist.

IV. Fazit

Urteilt das Arbeitsgericht Berlin, dass (auch) die befristeten Arbeitsverträge der Fahrradkuriere von „Gorillas“ die notwendige Schriftform nicht wahren, so ist die Befristung unwirksam und die Arbeitsverhältnisse gelten als auf unbestimmte Zeit geschlossen. In diesem Fall dürfte eine enorme Klagewelle die Folge sein: Denn die Arbeitsverträge sind nach Angaben der Beschäftigten bei allen Fahrradkurieren auf die gleiche Art und Weise geschlossen worden.

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*Aus Gründen besserer Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter


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