Das neue BGB Vertragsrecht für digitale Produkte und Dienstleistungen - Umsetzung der RL 2019/770

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Das neue BGB Vertragsrecht für Digitale Produkte

- was Selbständige und Unternehmen bei der Gestaltung von Verträgen über Digitale Produkte beachten müssen -

Seit Anfang 2022 gelten neue gesetzliche Vorschriften für Verträge über digitale Produkte. Betroffen sind Verträge von Unternehmern mit Verbrauchern (B2C-Geschäfte). Einzelne Neuregelungen betreffen aber auch die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen.


Selbständige und Unternehmen, die B2C-Verträge über digitale Produkte abschließen, müssen die neue Rechtslage nicht nur beim Abschluss von Neuverträgen berücksichtigen. Auch bestehende Verträge sind gegebenenfalls auf ihre Übereinstimmung mit dem neuen BGB-Vertragsrecht zu überprüfen und anzupassen.

Alle Selbständigen und Unternehmen, die digitale Produkte vertreiben, sollten sich durch einen Fachanwalt beraten lassen, um sicherzustellen, dass ihre Verträge mit dem neuen Vertragsrecht für digitale Produkte im Einklang stehen.

Ich betreue als Fachanwältin Mandanten aus dem gesamten Bundesgebiet im IT-Recht, im Internetrecht und im Vertragsrecht über Digitale Produkte.

Hintergrund der BGB-Neuregelungen: Umsetzung einer EU-Richtlinie

Die neuen BGB-Vorschriften (insbesondere die neu in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügten §§ 327 bis 327u BGB) dienen der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/770 über digitale Inhalte und Dienstleistungen (DIDRL). Ziel der DIDRL ist es, den Verbraucherschutz zu stärken, das Vertragsrecht innerhalb der Europäischen Union zu vereinheitlichen und einer Rechtszersplitterung entgegenzuwirken.


Anwendungsbereich: Welche Verträge sind von den neuen BGB-Vorschriften betroffen?

Die Paragraphen 327ff BGB betreffen Verträge von Unternehmen mit Verbrauchern über die Bereitstellung digitaler Produkte gegen Zahlung eines Preises.

Es wird keine neue Vertragsform eingeführt, sondern alle bisher bereits gesetzlich geregelten Vertragsformen (zum Beispiel Kaufvertrag, Dienstvertrag, Werkvertrag oder Mietvertrag) unterliegen den Neuregelungen, wenn sie digitale Produkte zum Inhalt haben.


Für einen Vertrag über digitale Produkte setzt § 327 BGB voraus, dass die „Zahlung eines Preises“ erfolgt.

Als eine solche Zahlung gilt ab jetzt nicht nur eine Geldzahlung, sondern auch die Bereitstellung personenbezogener Daten durch den Verbraucher.


Was gilt im Rechtssinn als digitales Produkt?

Digitale Produkte haben entweder digitale Inhalte (Beispiele: Computerprogramme, Apps, elektronische Publikationen) oder bestehen aus digitalen Dienstleistungen (Beispiele: Software-as-a-Service, Streaming- und Messenger-Dienste, Webinare, Mitgliedschaften auf Social-Media-Plattformen).


Voraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 327ff BGB ist, dass sich der Vertragsgegenstand auf digitale Produkte bezieht und zwar entweder auf ein ausschließlich digitales Produkt oder auf den digitalen Bestandteil eines Gesamtproduktes (sogenannter „Paketvertrag“, Beispiele: Smartphones und Smart-Haushaltsgeräte).


Ab wann gelten die neuen Vorschriften zu Verträgen mit digitalen Produkten?

Die neuen Vorschriften gelten für alle ab dem 1. Januar 2022 abgeschlossenen Verträge und außerdem für früher abgeschlossene Verträge, wenn die Produkt-Bereitstellung ab dem 1. Januar 2022 erfolgt.


Kurzübersicht Verträge über digitale Produkte:
Was ändert sich durch die neuen BGB-Rechtsnormen inhaltlich?

Gewährleistungsrechte des Verbrauchers

Ein digitales Produkt muss – wie im bisherigen Gewährleistungsrecht auch - frei von Produkt- und Rechtsmängel bereitgestellt werden. Allerdings hat der Gesetzgeber einige wesentliche Änderungen vorgenommen.

Verschärfung des Produktmangel-Begriffs

Ein Produktmangel liegt nur dann nicht vor, wenn das Produkt

• zum vereinbarten Zeitpunkt bereitgestellt wurde,

• das Produkt den subjektiven Anforderungen entspricht (vereinbarte Beschaffenheit),

• es den objektiven Anforderungen entspricht (Eignung für die gewöhnliche Verwendung) und wenn

• das Produkt in die digitale Umgebung des Verbrauchers integriert wurde (bei vertraglich vereinbarter Integration

Gewährleistungsrechte des Verbrauchers bei einem Mangel

Der Verbraucher hat bei einem Mangel (nach Maßgabe der §§ 327ff BGB) folgende Gewährleistungsrechte:

Nacherfüllung

Vertragsbeendigung

Preisminderung

Schadenersatz

Ersatz vergeblicher Aufwendungen


Die Gewährleistungsfrist wird auf mindestens zwei Jahre ausgeweitet.


Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers

Wenn sich innerhalb eines Jahres nach Produkt-Bereitstellung ein Mangel zeigt, so wird vermutet, dass dieser Mangel bereits zum Zeitpunkt der Bereitstellung vorlag. 

Bei dauerhaft bereitgestellten Produkten wird vermutet, dass der Mangel während der bisherigen Dauer der Produkt-Bereitstellung vorlag.


Aktualisierungspflicht des Unternehmers

Zudem hat der Unternehmer nunmehr eine gesetzliche Aktualisierungspflicht (Pflicht zur Bereitstellung von Aktualisierungen, zum Beispiel von Sicherheits-Updates).


Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen


Die BGB-Regelungen zu Verträgen über digitale Produkte beziehen sich zwar auf B2C-Verträge, haben aber auch Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen innerhalb einer Lieferkette (§ 327u BGB).


Kann ein Verbraucher Aufwendungsersatz von einem Unternehmer verlangen, so kann der Unternehmer wiederum Aufwendungsersatz von seinem Produktzulieferer verlangen (und dieser von seinen Vorlieferanten weiter entlang der Lieferkette), soweit der Vorlieferant die Aufwendungen verursacht hat.


Verträge über digitale Produkte: Unternehmen sollten sich unbedingt beraten lassen und ihre Verträge anpassen!

Selbständige und Unternehmen sollten sich durch einen Fachanwalt beraten lassen,  um sicherzustellen, dass ihre Bestands- und Neuverträge mit dem neuen Vertragsrecht für digitale Produkte im Einklang stehen.


Wichtiger Hinweis:

Dieser Rechtstipp ersetzt nicht eine individuelle Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt.





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