Welche Widerrufsbelehrung bei digitalen Inhalten und Dienstleistungen?

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Anbieter, die Verbrauchern gegen Entgelt digitale Inhalte und Dienstleistungen anbieten, sollten ihrer Widerrufsbelehrung besonderer Aufmerksamkeit widmen. Je nachdem, ob es sich um „digitale Inhalte“ oder „digitale Dienstleistungen“ handelt, greifen unterschiedliche rechtliche Regelungen.


Grundsätzlich steht Verbrauchern bei Fernabsatzverträgen (bspw. Erwerb im Onlineshop) gemäß § 312g Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht zu. Ein derartiges Widerrufsrecht sieht der Gesetzgeber auch bei Verträgen über die Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen vor, § 356 BGB. Dem Verbraucher soll damit grundsätzlich Gelegenheit gegeben werden, das erworbene Produkt in Augenschein zu nehmen.


Da der Anbieter bei digitalen Inhalten und Dienstleistungen Gefahr läuft, dass der Verbraucher diese während der Widerrufsfrist kopiert, reproduziert, etc., räumt der Gesetzgeber dem Anbieter die Möglichkeit ein, das Widerrufsrecht frühzeitig auszuschließen. Schwierigkeiten bereitet aber die Tatsache, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts bei digitalen Inhalte und digitalen Dienstleistungen an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft wird. Diesem Umstand muss in der Widerrufsbelehrung Rechnung getragen werden.


Der Ausschluss des Widerrufsrechts bei digitale Inhalten


Die Definition von „digitalen Inhalten“ ist zu finden in § 327 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach sind digitale Inhalte „Daten, die in digitaler Form erstellt oder bereitgestellt werden“. Umfasst sind also u.a. Apps, digitale Spiele, Musik-, Audio- und Videodateien, e-books, Computerprogramme, Datenbanken, elektronische Währungen.  


Der Ausschluss des Widerrufsrechts mit der Lieferung des digitalen Inhalts ist in § 356 Abs. 5 BGB geregelt. Möchten Anbieter von digitalen Inhalten das Widerrufsrecht mit der Lieferung ausschließen, muss


  1. der Verbraucher der Vertragsausführung vor Ablauf der Widerrufsfrist zustimmen und
  2. die Kenntnis besitzen, dass er durch diese Zustimmung sein Widerrufsrecht verliert, § 356 Abs. 5 Nr. 2 BGB, sowie
  3. eine (E-Mail oder Papier-)Bestätigung  im Sinne des § 312 f BGB erhalten, aus der sich das Erlöschen des Widerrufsrechts ergibt.


Für Anbieter von digitalen Inhalten bedeutete dies, dass sie


  1. die Zustimmung des Verbrauchers einholen müssen, dass vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Vertragsausführung begonnen wird,
  2. sie den Verbraucher darüber informieren müssen, dass dieser durch die Zustimmung sein Widerrufsrecht verliert und
  3. sie das Erlöschen des Widerrufsrechts nachvertraglich auf einem dauerhaften Datenträger (Papier oder E-Mail) bestätigen (bspw. durch E-Mailversand).


Der Ausschluss des Widerrufsrechts bei digitalen Dienstleistungen 


Digitale Dienstleistungen“ sind Dienstleistungen, die dem Verbraucher die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen Daten ermöglichen. Außerdem sind digitale Dienstleistungen Dienstleistungen, die dem Verbraucher die Nutzung digitaler Inhalte ermöglichen. Sie ermöglichen dem Nutzer also den Umgang mit den Daten (bspw. Clouddienste, SaaS, Plattformen zum Teilen von Video- oder Audioinhalten, Webhosting, Streamingdienste, soziale Netzwerke, Bewertungs-, Buchungs-, Vergleichsplattformen, Messenger-Dienste).


Der Ausschluss des Widerrufsrechts für digitale Dienstleistungen ist in § 356 Abs. 4 BGB geregelt. Danach erlischt das Widerrufsrecht mit vollständiger Erbringung der Dienstleistung, wenn


  1. der Verbraucher seine Zustimmung dazu erteilt, dass mit der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen wird und
  2. der Verbraucher bestätigt, dass sein Widerrufsrecht mit vollständiger Vertragserfüllung erlischt.


Die bei digitale Inhalten vorgesehene Bestätigung des Ausschlusses auf einem dauerhaften Datenträgern ist hingegen nicht erforderlich.



Die Widerrufsbelehrung


Je nach Art der Leistung muss also unterschiedlich über das Widerrufsrecht belehrt werden.


Problematisch ist es jedoch, wenn eine klare Abgrenzung zwischen digitalen Inhalten und digitalen Dienstleistungen nicht möglich ist. In der Praxis ist dies häufig der Fall, so dass für Anbieter unklar ist, welche Widerrufsbelehrung sie nutzen müssen.


Der Gesetzgeber geht in diesen Fällen davon aus, dass digitale Inhalte vorliegen, wenn die Inhalte theoretisch auf einem Datenträgern bereitgestellt werden könnten.


Vertreten wird aber auch die Auffassung, es sei in diesem Fall auf den Schwerpunkt der Leistung abzustellen. Ein Vertrag über digitale Inhalte ist nach dieser Auffassung anzunehmen, wenn der Schwerpunkt darin liegt, dass der Verbraucher den Inhalt selbst zur dauerhaften Verfügbarkeit (bspw. zum Download auf sein Smartphone) erhält. Ist Schwerpunkt des Vertrags dagegen, dass dem Verbraucher der Inhalt durch den Anbieter zur Verfügung gestellt wird (im Sinne einer bereitgestellten Infrastruktur), soll eine digitale Dienstleistung vorliegen.


Es bleibt abzuwarten, wie Gerichte diese Problematik in Zukunft lösen werden.



Die Rechtsfolgen bei unterbliebener oder fehlerhafter Widerrufsbelehrung


Hat der Anbieter nicht oder nicht korrekt über das Widerrufsrecht belehrt, steht dem Verbraucher das Widerrufsrecht zu. Widerruft der Verbraucher also den Vertrag während der Widerrufsfrist, hat der Anbieter trotz Erbringung seiner Leistung keinen Anspruch auf Vergütung.


Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 und § 356 Abs. 2 Nr. 2 BGB beträgt die Widerrufsfrist grundsätzlich 14 Tage, beginnend mit Vertragsschluss. Hat der Anbieter allerdings nicht oder nicht rechtzeitig belehrt, endet die Widerrufsfrist spätestens nach zwölf Monaten und vierzehn Tagen, § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB.


Einen Wertersatz erhält der Anbieter bei digitalen Inhalten nicht, § 357 a Abs. 3 BGB.


Bei der Erbringung digitaler Dienstleistungen ist der Verbraucher nur zu einem Wertersatz verpflichtet, wenn


  1.  der Verbraucher vor Ablauf der Widerrufsfrist ausdrücklich verlangt hat mit der Dienstleistung zu beginnen und
  2. der Unternehmer über das Widerrufsrecht und den möglichen Wertersatzanspruch informiert hat.


Tipps zur technischen Umsetzung


In der Praxis sollte die Zustimmung des Verbrauchers einschließlich der Kenntnisbestätigung über das Erlöschen des Widerrufsrechts mittels separat ausgewiesener, anklickbarer (Opt-In)- Checkboxen erfolgen. Erwirbt der Verbraucher mehrere trennbare Inhalte und Dienstleistungen, muss je Inhalt / Dienstleistung eine eigene Checkbox vorgehalten werden.


Bei Leistungen, die nicht klar trennbar definiert werden können, bleibt ein Restrisiko für den Unternehmer.


Haben Sie Fragen zu dieser Thematik oder benötigen Sie Unterstützung bei der Umsetzung rechtlicher Verpflichtungen, stehe ich Ihnen als Fachanwältin für IT-Recht gerne zur Verfügung.









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