Das Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren, Teil I: Erwerbstatbestände

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Von einem Einbürgerungsverfahren grundsätzlich zu unterscheiden ist das Verfahren zur Feststellung deutscher Staatsangehörigkeit (STA). Während durch Einbürgerung die deutsche STA erst erworben werden soll, wird im Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren das Vorliegen bereits vorhandener deutscher STA festgestellt. 

I. Verfahrensweg und Zuständigkeiten

Ziel des Verfahrens ist die Ausstellung eines deutschen Staatsangehörigkeitsausweises und somit Bestätigung einer vorhandenen deutschen STA. Praktischer Anwendungsfall ist etwa die Notwendigkeit, deutsche Ausweispapiere zu erhalten zum Zwecke der Einreise nach Deutschland oder zur Beibehaltung eines zunächst ausländerrechtlich begründeten Aufenthaltes in Deutschland. 

Bei Wohnsitz im Inland ist die örtliche Verwaltung zuständig. 

Praxisrelevant ist das Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren vor allem bei Wohnsitz im Ausland. Insoweit besteht Zuständigkeit des Bundesverwaltungsamtes Köln. Das Verfahren kann über die jeweilige deutsche Auslandsvertretung eingeleitet werden.

Vor Stellung eines Antrages auf Feststellung der deutschen STA wird man in der Regel zumindest überschlägig prüfen wollen, ob eine deutsche STA auch tatsächlich gegeben ist. 

Wegen diverser Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts und der häufig lange zurückliegenden Erwerbs- und Verlusttatbestände kann das im Einzelfall recht schwierig sein. Es sollen hier auch nur die wesentlichen Tatbestände skizziert werden, welche das Vorhandensein deutscher Staatsangehörigkeit indizieren. 

Wichtig: Das Gesetz sieht wegen der häufigen Nachweisprobleme eine Beweiserleichterung vor. Es ist kein Vollbeweis erforderlich, sondern lediglich eine „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ für den Erwerb deutscher STA (§ 30 Abs.2 StAG). 

Das Staatsangehörigkeitsrecht ist ferner Statusrecht. Gesetzesänderungen nach dem Stichtag – zumeist der Geburt – haben auf den Statuserwerb in der Regel keinen unmittelbaren Einfluss. 

Zu unterscheiden sind historisch das Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870, das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) 1913 und das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) 1999. 

II. Erwerbstatbestände

Der häufigste Fall ist sicherlich die Abstammung des Antragstellers von einem deutschen Staatsangehörigen. Voraussetzung ist, dass ein Elternteil des Antragstellers zum Zeitpunkt seiner Geburt oder Adoption deutscher Staatsangehöriger war und das zum Zeitpunkt seiner Geburt oder Adoption geltende deutsche Staatsangehörigkeitsrecht einen Erwerb deutscher Staatsangehörigkeit vorsah. Es gewinnen also diverse historische Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts an Relevanz. 

1.) Erwerb kraft Abstammung von einem deutschen Vater

Bei ehelich geborenen Kindern ist stets davon auszugehen, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt bzw. vom Vater vermittelt wurde. 

Anders die Rechtslage bei vor- oder außerehelich geborenen Kindern. 

Gem. § 4 Abs.1 S.2 StAG tritt der Erwerb deutscher Staatsangehörigkeit nur ein, wenn bis zum 23. Lebensjahr des Kindes die Vaterschaft anerkannt oder festgestellt wurde, für vor dem 1.7.1993 geborene Kinder aber nur unter weiteren Voraussetzungen (§ 5 StAG). Auf eine Ehe der Eltern des Betroffenen kommt es nicht an. 

Bis zum 30.06.1998 gab es ferner das Rechtsinstitut der Legitimation. Ein zunächst außerehelich geborenes Kind galt als „ehelich“, wenn seine Eltern nachfolgend die Ehe schlossen. Auch in solchen Fällen wurde die deutsche Staatsangehörigkeit vom Vater vermittelt (§ 5 RuStAG).

Inzwischen muss das Kind auch nach Eheschließung der Eltern vom Vater anerkannt werden, insofern das nicht bereits vorher geschehen ist. Bei in einer Ehe geborenen Kindern wird hingegen die Vaterschaft des Ehemannes bereits gesetzlich vermutet (§ 1592 BGB). 

2.) Erwerb kraft Abstammung von einer deutschen Mutter

Das Kind erlangt gem. § 4 StAG stets die deutsche Staatsangehörigkeit. 

Hier ist jedoch die frühere Rechtslage – Staatsangehörigkeitsrecht ist Statusrecht – von erheblicher Bedeutung. 

Bis zum 31.12.1974 wurde die deutsche Staatsangehörigkeit bei ehelichen Kindern nur vom Vater vermittelt, nicht auch von der Mutter. 

Für vor dem 1.1.1975 ehelich geborene Kinder deutscher Mütter gab es für eine befristete Zeit die Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit durch Erklärung zu erwerben. Die entsprechenden Erklärungsfristen sind jedoch spätestens Anfang der 90er Jahre (für den Bereich der ehemaligen UdSSR) abgelaufen und haben heute keine Bedeutung mehr. Mit Erlass vom 28.03.2012, V II 5-124 460/1, hat das Bundesministerium des Innern für solche Fälle die Möglichkeit einer Einbürgerung vom Ausland her unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit geschaffen, was jedoch an recht hohe Voraussetzungen geknüpft ist. 

3.) Erwerb durch Adoption

Diesen Erwerbstatbestand gibt es erst seit dem 1.1.1977 (§ 6 RuStAG n.F; § 6 StAG). Voraussetzung ist die Annahme als Kind durch einen deutschen Staatsangehörigen, wobei der Annahmeantrag noch während der Minderjährigkeit des Kindes (i. e. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr) gestellt sein muss. Die Dauer des Adoptionsverfahrens ist also irrelevant, insofern dieses letztlich zum Erfolg führt. 

4.) Erwerb durch Eheschließung

Als Kuriosum erscheint inzwischen der Erwerb deutscher Staatsangehörigkeit durch Eingehung einer Ehe mit einem Deutschen. Das betraf nur Frauen und galt bis zum 31.03.1953. Abkömmlinge solcher Frauen können ggf. ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, zum Beispiel Kinder, die nach der Scheidung vom deutschen Ehemann unehelich geboren wurden. 

5.) Erwerb durch Zuerkennung der Eigenschaft als Spätaussiedler, Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers

Die Eigenschaft als Spätaussiedler, dessen Ehegatte oder Abkömmling wird durch Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung (§ 15 BVFG) bestätigt. Mit Aushändigung der Bescheinigung erwirbt der Berechtigte zugleich die deutsche Staatsangehörigkeit, § 7 StAG. Vor dem 1.8.1999 gab es diesen Automatismus noch nicht, der Berechtigte musste vielmehr einen Einbürgerungsantrag stellen (wobei Anspruch auf Einbürgerung bestand). Zum 1.8.1999 wurden sodann auch diejenigen deutsche Staatsangehörige, denen zuvor die Bescheinigung nach § 15 BVFG ausgestellt worden war und die noch nicht eingebürgert waren, § 40a StAG. 

6.) Erwerb durch Deutsche ohne deutsche Staatsangehörigkeit (Statusdeutsche) zum 1.8.1999

Personen, die nach dem BVFG vor dem 1.1.1993 Wohnsitz in Deutschland genommen haben, waren keine Spätaussiedler. Sie erwarben mit der Wohnsitznahme den Status als Deutsche ohne deutsche Staatsangehörigkeit (sog. Statusdeutsche) gem. Art. 116 Abs.1 GG. Diesen Personen wurde die deutsche Staatsangehörigkeit sodann automatisch zum 1.8.1999 verliehen, womit der Gesetzgeber den unbefriedigenden und mit vielen Fragen behafteten Rechtsstatus des „Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit“ bereinigen und in den sicheren Zustand deutscher Staatsangehörigkeit überführen wollte. Im Gegensatz zu Spätaussiedlern hängt der Vorgang nicht von der Ausstellung einer Bescheinigung nach dem BVFG ab. Auch ein vor dem 1.1.1993 nach Deutschland ausländerrechtlich zu einem Vertriebenen (im Sinne des BVFG) nachgezogenes Kind oder Ehegatte war Statusdeutscher und damit seit dem 1.8.1999 deutscher Staatsangehöriger. 

7.) Erwerb durch Einbürgerung

Die Feststellung deutscher STA kommt natürlich auch in Betracht, wenn der Berechtigte sich hat einbürgern lassen oder von einer von Deutschland eingebürgerten Person abstammt. 

Praxisrelevant ist zum Beispiel die Abstammung von einer während des 2. Weltkrieges von der Einwandererzentralstelle (EWZ) eingebürgerten deutschstämmigen Person. Es handelte sich zumeist um Volksdeutsche aus der damaligen Sowjetrepublik Ukraine. Nachweise zu damaligen Einbürgerungen befinden sich soweit erhalten beim Bundesarchiv in Berlin (vormals Berlin Document Center).

In der ehemaligen Sowjetrepublik Ukraine erwarben deutschstämmige Sowjetbürger die deutsche STA ferner mit Eintragung in die „Volksliste Ukraine“ und Aushändigung eines Volkslistenausweises. 

8.) Ersitzungserwerb

Kurios, aber die deutsche STA kann man auch ersitzen. Wer ohne eigenes Verschulden seit 12 Jahren als Deutscher behandelt wird, erwirbt ebenfalls die deutsche STA, § 3 Abs.2 StAG. 

Die Vorschriften sollten die bis dahin unbefriedigende Handhabung von Fällen fehlerhaft ausgestellter deutscher Ausweispapiere lösen. Typischer Fall war die Ausstellung von deutschen Ausweispapieren an Ehegatten von Spätaussiedlern, ohne dass zum Zeitpunkt der Einwanderung eine dreijährige Ehedauer gegeben gewesen wäre. Ebenfalls haben deutsche Botschaften deutsche Reisepässe an Personen ausgestellt, bei denen das Vorhandensein deutscher Staatsangehörigkeit indiziert, aber aus welchen Gründen auch immer nicht tatsächlich gegeben war. 



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