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Der Amtsschimmel und die zwei Gesichter des Oktoberfests

  • 6 Minuten Lesezeit
Johannes Schaack anwalt.de-Redaktion

[image]Beginnen wir mit einem Rätsel: Gesucht ist das mit Abstand größte Volksfest der Welt, das traditionsgemäß am ersten Samstag nach dem 15. September beginnt und bei dem auf der Theresienwiese südlich der Münchener Innenstadt kein Stein auf dem anderen bleibt. Manche Pessimisten sind der Meinung, dass man dieses Jahr im Interesse der Sicherheit für alle Beteiligten wohl eher darauf verzichten sollte – diverse Medien berichten aktuell von einem Zaun rund um das gesamte Festareal, einem Verbot, Rucksäcke mit sich zu führen, Videoüberwachung und einem beachtlichen Polizeiaufgebot. Die Antwort kennt wohl jedes Kind: Trotz aller Unkenrufe werden mindestens 6 Millionen Besucher auf dem diesjährigen Oktoberfest erwartet. Sobald es wieder aus voller Kehle „O’zapft is!“ heißt, darf der kühle Gerstensaft – dieses Jahr übrigens für mindestens stramme 10,40 Euro bis 10,70 Euro pro Maß – wieder in satten, bernsteinfarbenen Strömen fließen.

Der Erfolg gibt dem feuchtfröhlichen Spektakel recht

Für manche ist es der Himmel auf Erden, für manche der blanke Horror – das Fest der Feste polarisiert wie kaum eine andere Veranstaltung. Den Besucherströmen aus aller Welt, die es zu der „größten Party der Welt“ drängt, scheint dies allerdings keinen Abbruch zu tun. Und in ähnlicher Weise bestätigt sich, wenn die Juristerei mit dem Ausnahmeevent in Berührung kommt, offenbar eines: Das ausgelassene Treiben auf der Theresienwiese ist nicht nur einfach ein Volksfest. Vielmehr ist es mittlerweile amtlich, dass sich die Welt eben ein wenig anders dreht, wenn die bierselige Feierlaune in „Minga“ um sich greift.

Wenn im wahrsten Sinne des Wortes mit zweierlei Maß gemessen wird

Furore machte etwa der bekannte Fall, in dem eine Besucherin aufgrund von überbordender Feierlaune auf ihre Sitzbank geklettert war. Postwendend verlor sie das Gleichgewicht und stürzte auf einen anderen Gast, der gerade seinen Maßkrug ansetzte und sich somit eine Zahnverletzung zuzog. Es folgte eine Schmerzensgeldforderung – doch die Auslöserin des Malheurs sagte aus, selbst zu Fall gebracht worden sein. Obwohl selbige Ausflucht insgesamt plausibel anmutete, ließ sich das Amtsgericht (AG) München in seinem Urteil vom 12.06.2007 (Az.: 155 C 4107/07) nicht erweichen. Das Opfer der Tücken der Schwerkraft wurde zur Zahlung eines Geldbetrags von 500 Euro verpflichtet – schließlich müsse man auf derartige „Gleichgewichtsprobleme“ im Rahmen des feuchtfröhlichen Feiertrubels vorbereitet sein.

Während der „Wiesn“ 2009 übergab sich ein gut abgefüllter Oktoberfestbesucher in einem Taxi – und brachte es langfristig zu einem beachtlichen Bekanntheitsgrad unter Juristen. Sein „Chauffeur“ verlangte postwendend die erheblichen Reinigungskosten sowie die Kosten des entstandenen Verdienstausfalls. Das AG München gab dem Taxifahrer in seinem Urteil vom 02.09.2010 (Az.: 271 C 11329/10) recht, sprach ihm allerdings nur die Hälfte der Aufwendungen zu. Als dem bierseligen Fahrgast übel wurde, habe er den Fahrzeugführer nämlich vehement ersucht, anzuhalten. Dieser sei der Bitte allerdings nicht nachgekommen.

Und nicht zuletzt scheint Besitzern eines motorisierten Fortbewegungsmittels mittlerweile generell einiges abverlangt zu werden, wenn es auf der Theresienwiese wieder einmal hoch hergeht. Laut eines Urteils des AG München vom 15.05.2009 (Az.: 331 C 22085/07) müssen Kraftfahrer generell damit rechnen, dass sich rund um das Festgelände üblicherweise größere Mengen betrunkener Verkehrsteilnehmer tummeln und hierbei die Straßenverkehrsordnung tendenziell kreativ auslegen. Ausschlaggebend war eine Motorradfahrerin, der ein Betrunkener während des Oktoberfests 2009 direkt vor ihr Fahrzeug stürzte. Die Richter des AG München waren diesbezüglich der Meinung, dass die Kraftradfahrerin eine Mitschuld traf. Diese war sich schließlich bewusst, zu welcher Jahreszeit sie sich zum gegebenen Zeitpunkt in der Nähe der Theresienwiese aufhielt.

Die Münchener Juristerei und das „Big Business“ der modernen „Wiesn“

Doch trotz aller Unkenrufe bezüglich des Siegs des Kommerzes über die Tradition – etwas müssen die Organisatoren des Ausnahme-Events richtig gemacht haben. Dem mittlerweile globusumspannenden Bekanntheitsgrad des Volksfests der Volksfeste scheinen nämlich schier keine Grenzen gesetzt. Dementsprechend ist aus den wilden Feierlichkeiten mittlerweile ein lukratives Geschäft geworden, das nicht nur in der Gastronomie- und Tourismusbranche so manchen Lebensunterhalt sichert. Folglich sind inzwischen auch vor Gericht mehr als genügend Belege für die merkantil geprägte Kehrseite der „Wiesn“-Medaille bekannt.

Die Formulierung „Oktoberfest-Bier“ kann teuer werden

Den Anfang macht – wie sollte es auch anders sein – der süffige Gerstensaft, bei dem bekanntlich, wenn es hart auf hart kommt, kein Stück Spaß verstanden wird. Gemäß dem LG München I (Urteil v. 19. Februar 2008, Az.: 9 HK O 20939/07) war selbst in einer Pressemitteilung über das Mainzer Oktoberfest die Verwendung des Begriffs „Oktoberfest-Bier“ unzulässig. Der schlichte Grund: Bei dem Begriff „Oktoberfest-Bier“ handelt es sich um eine eingetragene Marke. Für den Anbieter der betroffenen Pressetexte setzte es folglich die Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro.

Wiesn-Fahrgeschäfte in Gefahr

Und auch die Vergnügungsattraktionen, die mittlerweile ein unverzichtbarer Teil der Ausnahme-Sause sind, sorgten bereits für Konfliktstoff. Um ein Haar wäre das immerhin 23 Jahre alte Kult-Rundfahrgeschäft „Magic“ durch den TÜV aus dem Verkehr gezogen worden. Die Betreiber klagten allerdings – und gewannen. In einem Urteil vom 11.02.2015 (Az.: M 9 K 14.4412) entschied das VG München, dass „Oldtimer“ unter den Fahrgeschäften nicht nach der neuesten europäischen DIN-Norm zu prüfen ist. Postwendend war nicht nur bei dem Betreiber des „Magic“ die Erleichterung groß. Im Fall des Scheiterns der Klage wäre es nämlich möglicherweise rund 100 Wiesn-Fahrgeschäften an den Kragen gegangen.

Auch Kreativität hilft nicht immer

Und auch, wer mit ein wenig Ideenreichtum von der Sogwirkung der „Wiesn“ profitieren möchte, kann es schwer haben. Während des Oktoberfests 2011 bat ein findiger Gastronom um die Erlaubnis, in der Nähe der Theresienwiese in unmittelbarer Nähe des lustigen Treibens einen mobilen Verkaufsstand betreiben zu dürfen, der – selbstverständlich – auch Alkoholisches feilbieten sollte. Hierfür beantragte er eine Gaststättenerlaubnis. Der Unternehmer argumentierte, dass hier ein „besonderer Anlass“ vorliege, der besagte Geschäftsidee rechtfertige.

Dass es sich bei dem Oktoberfest um einen „besonderen Anlass“ handelt, gestand das Verwaltungsgericht (VG) München dem Antragsteller durchaus zu. Zum Verhängnis wurde dem ausgeschlafenen Gastronom allerdings, dass sich besagter „besonderer Anlass“ – sprich das Oktoberfest – explizit lokal auf die Theresienwiese beziehe. In der Nähe des Festgeländes, wo der Unternehmer Getränke an den Mann zu bringen plante, war der „besondere Anlass“ daher nicht mehr gegeben. Abschließend legte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit seinem Beschluss vom 16. September 2011 (Az.: 22 CE 11.2174) dem Antragsteller nahe, beim Betrieb seines Stands auf den Verkauf von Alkohol zu verzichten – dann wäre sein Anliegen kein Problem.

Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust!

Ist eine der angesagtesten Festivitäten der Welt somit Kult oder Kommerz? Am zutreffendsten wäre wohl die Antwort „von beidem ein bisschen“. Viele haben den Ausnahmeevent sicherlich in seiner aktuellen Form kennen und schätzen gelernt und eigentlich wäre die „Wiesn“, wie so einige sie lieben, unter Ausklammerung des lauten, bunten „Tourifaktors“ eigentlich keine „Wiesn“ mehr. Und diejenigen, denen besagte Tatsache nicht angenehm die Kehle herunterrinnt, finden auch in München eine beachtliche Zahl an qualitativ hochwertigen Alternativen vor.

Beschlossene Sache ist allerdings, dass der bunte Reigen auf der Theresienwiese den Justizeinrichtungen in und um München auch in Zukunft noch mehr als genug Beschäftigung verschaffen wird. Aktuell wird übrigens diskutiert, ob die kürzlich durch den Stadtrat beschlossene Bevorzugung von Münchenern bei Tischreservierungen gegen geltendes EU-Recht verstößt. Sobald hier Näheres verkündet wird, werden wir selbstverständlich darüber berichten. Bis dahin sagen wir allerdings „Prost“ und wünschen ganz viel Gaudi in den folgenden zwei Wochen!

(JSC)

Foto(s): ©Fotolia.com

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