Der Bundesgerichtshof präzisiert die Anforderungen an eine wirksame Patientenverfügung

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Nachdem der Bundesgerichtshof im Juli 2016 entschieden hat, dass zwar die Äußerung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ alleine keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung enthält, sondern die weitere Konkretisierung durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten bedarf, nahm der Bundesgerichtshof die Gelegenheit wahr, in einem weiteren Fall seine Rechtsprechung weiter zu präzisieren. 

Er hat dabei klargestellt, dass sich die erforderliche Konkretisierung im Einzelfall auch bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituation ergeben kann. Hier ist die Auslegung der in der Patientenverfügung enthaltenen Erklärungen dahingehend möglich, dass eine hinreichend konkrete Aussage in der Patientenverfügung vorliegt.

Zum Fall

Im Jahr 1998 hatte die Betroffene eine Patientenverfügung verfasst. In dieser war niedergelegt, dass unter anderem dann, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe, oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleiben würde, lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollten. Zudem waren in ihrem persönlichen Umfeld zwei Fälle von Wachkomapatienten aufgetreten. Hierzu hatte sie im persönlichen Umfeld geäußert, dass sie nicht künstlich ernährt werden wolle, lieber sterbe sie. Sie war sich aber sicher, dass ihr derartiges wegen der verfassten Patientenverfügung nicht passieren könne. Im Jahr 2008 erlitt sie einen Schlaganfall sowie ein Herzkreislauf Herzstillstand. Danach wurde sie künstlich ernährt. 

Das Amtsgericht bestellte sowohl ihren Sohn als auch ihren Ehemann zum Betreuer. Diese stritten dann, ob die künstliche Ernährung eingestellt werden sollte. 

Die beiden vorhergehenden Instanzen verkannten nach Ansicht des Bundesgerichtshofes, dass bei Vorliegen einer bindenden Patientenverfügung, die auf die konkret eingetretenen Lebens- und Behandlungssituationen zutrifft, diese unmittelbare Bindungswirkung entfaltet. Dabei dürfen die Anforderungen nach Ansicht des Bundesgerichtshofes an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend feststellt, was er in einer bestimmten Lebens-und Behandlungssituation will und was nicht.

Dies hat das Landgericht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht hinreichend geprüft, da die Betroffene in der Patientenverfügung ihren Willen zu der Behandlungssituation unter anderem an die medizinisch eindeutige Voraussetzung geknüpft hat, dass bei ihr keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Die ärztlichen Maßnahmen, die sie in diesem Fall ablehnte, hat sie ebenfalls näher konkretisiert. 

Hier hat das Beschwerdegericht also mehrere Prüfungen noch vorzunehmen. Kommt es zu der Ansicht, dass die Patientenverfügung die konkrete Behandlungssituation betrifft, so hat es die in der Patientenverfügung gewollten oder beschriebenen Konsequenzen – Abbruch der künstlichen Ernährung – zu vollziehen. Kommt es nicht zu diesem Ergebnis, so ist weiter zu prüfen, ob der Abbruch der künstlichen Ernährung dem mutmaßlichen Willen der Betroffenen entspricht. Hierfür sind die früheren mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, die ethischen und religiösen Überzeugungen sowie die sonstigen Wertvorstellungen der Betroffenen heranzuziehen.

Nachdem im Sommer des letzten Jahres eine weitgehende Unsicherheit entstanden ist, scheint der Bundesgerichtshof nunmehr die damalige Entscheidung zu relativieren. 

Andreas Keßler, Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Erbrecht und Steuerrecht aus Bad Vilbel bei Frankfurt am Main, weist noch auf Folgendes hin:

Es zeigt sich, dass eine Patientenverfügung auch im Hinblick auf die Personen, die sie umsetzen sollen, konkrete Inhalte haben sollte. Dass es hier überhaupt zum Streit kam, lag daran, dass hier überhaupt ein Betreuungsverfahren in Gang gesetzt wurde, in dessen Verlauf mehrere Personen gleichberechtigt zu entscheiden hatten. Dies wiederum wäre mit einer Vorsorgevollmacht zu vermeiden gewesen.

Noch Fragen? Bei der rechtssicheren Formulierung von Vorsorgedokumenten hilft Rechtsawalt Keßler gerne.


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