Der Schlüssel zum Waffenschrank ist genauso sicher aufzubewahren wie die Waffe selbst - oder doch nicht?

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Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat am 30.08.23 zum Az. 20 A 2384/20 entschieden, dass Schlüssel zu einem Waffenschrank denselben Sicherheitsstandards entsprechen müssen wie der Waffenschrank selbst. Der Wortlaut dieser Entscheidung verlangt von Waffenbesitzern, etwa Jägern und Sportschützen, die bisherige Aufbewahrungspraxis ihrer Schlüssel zu überdenken. Ein Beispiel zeigt, dass selbst die Lagerung in einem schweren Tresor unzureichend sein kann, wenn dieser nicht den ausdrücklichen Sicherheitsnormen für Waffenschränke entspricht. Auch wenn einem Jäger im spezifischen Fall keine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nachgewiesen wurde, da die genauen Anforderungen an die Schlüsselaufbewahrung bis dato unklar waren, setzt diese Rechtsprechung neue Maßstäbe. Zukünftig könnte Unwissenheit keine Entschuldigung mehr darstellen und Waffenschränke mit Zahlencodes könnten an Beliebtheit gewinnen. Die Entscheidung impliziert ebenfalls, dass selbst Notschlüssel unter diese strengen Aufbewahrungsvorschriften fallen könnten.

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hält diese Rechtsauffassung für überzogen und erläutert im Urteil vom 27.05.2024, warum man es sich nicht so einfach machen darf.

Das OVG NRW in Münster hat sich (als erstes Oberverwaltungsgericht) erstmals dazu geäußert, wie ein Schlüssel zu einem Waffenschrank aufzubewahren ist. Die Entscheidung hat zu Unsicherheit bei vielen Waffenbesitzern wie Jägern und Sportschützen geführt.

Hintergrund: Nur waffenrechtlich zuverlässige Personen dürfen Inhaber eines Jagdscheins bzw. einer Waffenbesitzkarte sein. Die Zuverlässigkeit setzt unter anderem die sichere Aufbewahrung von Waffen voraus. Während ältere Waffenschränke Bestandsschutz haben, gelten seit einigen Jahren strengere Vorgaben (Sicherheitsklassen 0/1). 

Das OVG Münster stellt mit seiner Entscheidung vom 30.08.23 (Az.  20 A 2384/20) klar: Das Behältnis für den Schlüssel muss denselben Sicherheitsstandards entsprechen wie der Waffenschrank selbst. Mit anderen Worten: Einen Schlüssel zum Waffenschrank muss man in einem (zulässigen) Waffenschrank aufbewahren oder bei sich tragen.

Im Vorliegenden Fall hatte ein Jäger den Schlüssel zu seinem Waffenschrank in einem dicken 40kg schweren Tresor aufbewahrt. Dieser erfüllte aber nicht den Sicherheitsstandard als Waffenschrank. Das sei nach Auffassung des VG und OVG unzulässig und hätte zum Jagdscheinentzug führen müssen. 

Dem Wortlaut der Entscheidung nach würde übrigens wohl auch die Aufbewahrung von Notschlüsseln unter das "Matroschka-Puppen-Prinzip" fallen.

OVG Niedersachsen in Lüneburg hat sich mit dieser Frage im Rahmen eines Urteils vom 27.05.2024 zum AZ: 11 LB 508/23 befasst und die Beantwortung ausdrücklich offen gelassen. Es erklärt jedoch, dass die niedersächsischen Richter die Aulegung der Münsteraner für überzogen halten.

Das für Niedersachsen zuständige OVG Lüneburg hat in einem Urteil vom 27.05.2024 angedeutet, dieses „Matroschka-Puppen-Prinzip“ decke sich seiner Auffassung nach nicht mit geltendem Recht. Im Urteil heißt es:

(1) Der Senat lässt dabei offen, ob er der nunmehrigen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 30. August 2023 (20 A 2384/20) folgt, wonach Schlüssel zu Waffen- oder Munitionsbehältnissen, soweit der Waffen- oder Munitionsbesitzer die tatsächliche Gewalt über sie nicht ausübt, in Behältnissen aufzubewahren seien, die ihrerseits den gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung der im Waffen- oder Munitionsbehältnis verwahrten Waffen und Munition genügen und dem Kläger ggf. schon deswegen ein Aufbewahrungsverstoß anzulasten ist, weil er Schlüssel nicht in einem Behältnis nach § 13 Abs. 1 und 2 AWaffV aufbewahrt hat. 

Zwar mögen die für die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen streitenden systematischen Erwägungen von nennenswertem Gewicht sein. Nach Auffassung des Senats trägt indes der gegenwärtige Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften, der die Grenze jeder Auslegungsmöglichkeiten beschreibt, das Auslegungsergebnis nicht hinreichend. § 36 Abs. 1 WaffG verpflichtet [...] dazu, die „erforderlichen Vorkehrungen“ zu treffen. Dieser Wortlaut erlaubt und gebietet [...] eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Die Begrifflichkeit „erforderliche Vorkehrungen“ beinhaltet in zweifacher Hinsicht einen unbestimmten Rechtsbegriff: Vorkehrungen können der Art nach alles Mögliche sein. Auch dem Maß nach bleibt auf dieser abstrakt-generellen Ebene offen, was im konkreten Einzelfall erforderlich ist [...]. Soweit der Verordnungsgeber auf Grundlage von § 36 Abs. 5 WaffG in § 13 AWaffV spezifischere Vorgaben festgelegt hat, beziehen sich diese ausschließlich auf Waffen und Munition, nicht auch auf Schlüssel zu betreffenden Aufbewahrungsbehältnissen oder -räumen. Der Wortlaut der Vorschriften gibt daher nicht her, dass Schlüssel zu Waffen- und Munitionsschränken in Behältnissen aufbewahrt werden müssen, die ihrerseits den in § 13 Abs. 1 und 2 AWaffV enthaltenen technischen Sicherheitsstandards entsprechen. Die Argumentation des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urt. v. 30.8.2023 – 20 A 2384/20), ein erleichterter Zugriff auf Schlüssel zu deren Behältnissen führe dazu, dass das gesamte Sicherheitsniveau der Verwahrung auf dasjenige sinke, auf dem die Schlüssel (als „schwächstes Glied der Kette“) verwahrt würden, vermag den Senat auch insofern nicht vollständig zu überzeugen, weil dann auch der Schlüssel zu dem Behältnis, in dem sich der Schlüssel zum Waffenschrank befindet, wiederum in einem den Anforderungen nach § 13 AWaffV entsprechenden Behältnis aufbewahrt werden müsste. Letztlich liefe die so entstehende „Endloskette“ auf ein Verbot von mit Schlüsseln zu verschließenden Waffen- und Munitionsschränken hinaus. Die Einführung eines derartigen – auf Grundlage der aktuellen Vorschriften bisher, wie ausgeführt, nicht bestehenden – Verbots fällt aus Sicht des Senats in den Zuständigkeitsbereich des Gesetz- oder Verordnungsgebers.

(OVG Lüneburg Urt. v. 27.5.2024 – 11 LB 508/23, BeckRS 2024, 13366 Rn. 64)

In dem vom OVG Lüneburg entschiedenen Fall half dies dem Betroffenen allerdings nicht. Er wurde u.a. deshalb als waffenrechtlich unzuverlässig eingestuft, weil er den Schlüssel fast 50 Jahre lang an derselben Stelle "versteckt" hatte (in einer Tabakdose im Sekretär) und seine nicht berechtigte Tochter diesen Aufbewahrungsort nachvollziehbar kannte.

Foto(s): ©Adobe Stock/light2015

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