Der VW-Abgas-Skandal – eine Zusammenfassung der aktuellen Rechtsprechung

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Aktuelle Situation

Immer mehr Besitzer von Fahrzeugen mit einem manipulierten Motor ziehen in Erwägung, rechtliche Schritte einzuleiten. Dies vor dem Hintergrund, dass auch nach einer Umrüstung und einem Software-Update Mängel verbleiben können. Unter anderem kann derzeit nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Umrüstung nachteilig auf den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung auswirkt. Auch bleibt das Fahrzeug nach einer Umrüstung mit einem Makel behaftet, der den Wiederverkaufspreis schmälert. 

Mittlerweile sind zahlreiche Urteile ergangen. Entweder wurden die Verkäufer/Autohäuser oder die Volkswagen AG verklagt. In vielen Verfahren wurden den Klagen stattgegeben. Allerdings sind nicht alle Urteile rechtskräftig geworden, weil Berufung eingelegt wurde.

Es ist aber deutlich zu erkennen, dass die Gerichte in zunehmenden Maß verbraucherfreundlich, also zu Gunsten der Betroffenen, entscheiden.

In Anbetracht der zahlreichen Verfahren werden die wesentlichen Aspekte und Entscheidungsgründe einiger Urteile nachfolgend kurz zusammengefasst, um somit einen Überblick zu ermöglichen.

Verfahren, die gegen Fahrzeugverkäufer/Autohändler geführt wurden

Grundlage für die Verfahren gegen die Verkäufer ist die gesetzliche Sachmängelhaftung. Hier ist zu beachten, dass Gewährleistungsansprüche nur gegenüber dem Verkäufer, nicht aber gegenüber dem Hersteller, also z. B. VW oder Audi, geltend gemacht werden können. Ferner, dass Gewährleistungsansprüche zwei Jahre ab Gefahrübergang, also ab Übergabe des Fahrzeuges, verjähren. Dies betrifft sowohl Neuwagen wie auch gebrauchte Fahrzeuge.

In den klagestattgebenden Urteilen wurden unter anderem folgende Mängel bejaht:

Nach Auffassung einiger Gerichte besteht die Mangelhaftigkeit darin, dass der Motor die Vorgaben im Prüflaufstand nur aufgrund der manipulierten Software einhält und die unter Laborbedingungen gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht einhalten werden (u. a. Landgericht Dortmund, Urteil vom 29.9.2016; Landgericht Hagen, Urteil vom 18.10.2016; Landgericht Braunschweig, Urteil vom 12.10.2016; Landgericht Braunschweig, Urteil vom 2.12.2016; Landgericht Hamburg, Urteil vom 16.11.2016; Landgericht Regensburg, Urteil vom 21.11.2016). Ein Sachmangel ist auch darin zu sehen, dass durch die illegale Abschalteinrichtung die Betriebserlaubnis von Gesetzes wegen erloschen ist (Landgericht München II, Urteil vom 16.11.2016).

Nachdem die Hersteller der betroffenen Motoren eine Rückrufaktion eingeleitet haben, war in einigen Verfahren zu prüfen, ob dadurch der Mangel beseitigt wurde und deshalb keine Gewährleistungsansprüche mehr geltend macht werden können.

Hierzu wird unter anderem vom Landgericht Aachen die Auffassung vertreten, dass durch die Umrüstung bzw. das Software-Update eine Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs und eine Verringerung der Motorleistung nicht ausgeschlossen werden könne. Zudem besteht auch die Gefahr, dass sich die umfassende Berichterstattung zum Abgasskandal negativ auf den zu erzielenden Wiederverkaufspreis auswirkt (Landgericht Aachen, Urteil vom 6.12.2016).

Verfahren gegen die Volkswagen AG

In einem sehr verbraucherfreundlichen Urteil hat das Landgericht Hildesheim in seinem Urteil vom 17.01.2017 die Volkswagen AG und nicht den Verkäufer auf Erstattung des Kaufpreises für einen Skoda Yeti Zug um Zug gegen Übergabe dieses Fahrzeuges verurteilt. Das Landgericht Hildesheim hat dies unter anderem mit einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB begründet. Es ist zu dem Schluss gekommen, dass der Vorstand der Volkswagen AG Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerung hatte und die Motoren mit der manipulierten Software dennoch in Verkehr gebracht, d. h. in ihre Fahrzeuge eingebaut oder an andere Hersteller verkauft hat. 

Anders als in den meisten anderen Verfahren wurde hier nicht der Verkäufer/Autohändler im Rahmen der Gewährleistung, sondern der Motorenhersteller verklagt. Dies ist in mehrfacher Hinsicht höchst bemerkenswert. Dies deshalb, weil dieses Urteil nicht nur Fahrzeuge, die von VW selbst hergestellt worden sind betrifft, sondern sämtliche Fahrzeuge in die Motoren von VW mit manipulierter Software eingebaut worden sind. Dies sind Fahrzeuge von Skoda, Seat, Audi und Porsche. 

Wichtig ist das Urteil auch deshalb, weil bei Fahrzeugen die älter als zwei Jahre sind, die gesetzliche Gewährleistung nicht mehr greift und deshalb Ansprüche gegenüber dem Verkäufer/Händler nicht mehr geltend gemacht werden können. Es sei denn, diese haben auf die Einrede der Verjährung ausdrücklich verzichtet, sodass Gewährleistungsansprüche auch noch nach Ablauf von zwei Jahren durchsetzbar sind. 

Für die Eigentümer von Fahrzeugen, bei denen die Gewährleistungsansprüche verjährt sind, besteht im Hinblick auf das Urteil des LG Hildesheim die Möglichkeit, die Volkswagen AG auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.

Welche Rechte und Möglichkeiten haben die Betroffenen?

Im Rahmen der Gewährleistung muss dem Verkäufer zunächst die Möglichkeit der sogenannten Nacherfüllung gegeben werden. Der Käufer muss den Verkäufer unter Setzung einer angemessenen Frist auffordern, entweder den Mangel zu beseitigen oder eine mangelfreie Sache zu liefern. Wird die Nacherfüllung verweigert oder schlägt sie fehl, hat der Käufer dann das Recht, den Kaufpreis zu mindern, Schadensersatz zu fordern oder vom Vertrag zurückzutreten.

Da auch nach einem Software-Update nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Kraftstoffverbrauch erhöht und zudem eine Wertminderung verbleibt, entscheiden sich viele Käufer für einen Vertragsrücktritt. In diesem Fall ist das Fahrzeug an den Verkäufer zurückzugeben. Im Gegenzug hat der Verkäufer den gezahlten Kaufpreis zu erstatten. Der Käufer muss sich jedoch die Gebrauchsvorteile für die Nutzung des Fahrzeugs anrechnen lassen.

Zur Berechnung der Nutzungsvorteile wird auf die voraussichtliche Lebensdauer des Fahrzeuges abgestellt. Das Landgericht Hildesheim hat für einen Skoda Yeti eine Gesamtlaufleistung von 300.000 km angenommen, das Landgericht Aachen hat für einen VW Tiguan eine Laufleistung von 250.000 km. 

Sodann wird der Kaufpreis durch die voraussichtliche Laufleistung dividiert und anschließend mit der tatsächlichen Fahrleistung multipliziert. Der so ermittelte Betrag ist als Gebrauchsvorteil von dem zu erstattenden Kaufpreis abzuziehen ist.

Hierzu folgendes Beispiel:

Das Fahrzeug hat 30.000 € gekostet und hat eine voraussichtliche Lebensdauer/Gesamtlaufleistung von 250.000 km. Der Käufer hat das Fahrzeug 12.000 km gefahren und dann den Rücktritt vom Vertrag erklärt. 

30.000 € Kaufpreis: 250.000 km = 0,12 € x 12.000 gefahrene km = 1.440,00 €

Nach Abzug der Nutzungsentschädigung hat der Verkäufer somit einen Betrag von 28.560 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges zu erstatten.

Entscheidet sich der Käufer eines Neuwagens im Rahmen der Nacherfüllung für die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs, so hat der Verkäufer nach Ansicht des Landgerichts Regensburg (Urteil vom 04.01.2017) ein baugleiches und mangelfreies Neufahrzeug zu liefern, ohne dass der Käufer für die Nutzung des mangelhaften Fahrzeugs eine Entschädigung an den Verkäufer zahlen muss.

Wie erfahre ich, ob mein Fahrzeug von der manipulierten Software betroffen ist?

Wenn Sie vom Hersteller Ihres Fahrzeugs noch nicht über einen Rückruf informiert wurden, können Sie dies über die unten aufgeführten Internetseiten in Erfahrung bringen. Hierfür benötigen Sie die Fahrzeug-Identifikationsnummer, die Sie Ihrer Kfz-Zulassung bzw. der Zulassungsbescheinigung Teil I entnehmen können.

VW:   http://info.volkswagen.de/de/de/home.html?tab=check-own-car

Seat:  http://www.seat.de/ueber-seat/dieselmotoren/fin-nummer.html

Skoda: http://skoda-recallactions.skoda-auto.com/de-de/?s=W&cd=0

Audi:  http://www.audi.de/de/brand/de/neuwagen/layer/serviceaktion.html

Was sollte ich als Betroffener beachten?

Falls Sie nicht sicher sind, ob Ihr Fahrzeug betroffen ist, sollten Sie dies abklären.

Wurde Ihnen im Rahmen einer Rückrufaktion des Herstellers eine Umrüstung bzw. ein Software-Update angeboten, sollten Sie dies ohne zwingende Gründe nicht ablehnen. Es kann nämlich durchaus sein, dass ansonsten irgendwann die Betriebserlaubnis erlischt oder es bei der Hauptuntersuchung Probleme gibt. Da aber trotz Umrüstung Risiken verbleiben und Sie bei dem Verkauf Ihres Fahrzeugs mit wirtschaftlichen Nachteilen rechnen müssen, sollten Sie überlegen, ob Sie dies wirklich hinnehmen möchten.

Was können wir für Sie tun?

Damit wir Sie optimal beraten und gegebenenfalls auch vertreten können, beobachten wir kontinuierlich die weitere Entwicklung. 

Bei Bedarf prüfen wir ob, und falls ja, wem gegenüber Sie Ansprüche geltend machen können und welche Rechte (Nacherfüllung, Minderung, Schadensersatz, Vertragsrücktritt) Ihren wirtschaftlichen Interessen am ehesten entsprechen. Sollten Sie eine Vertretung durch uns wünschen, leiten wir die erforderlichen Schritte ein und machen Ihre Ansprüche geltend. Wenn Sie rechtsschutzversichert sind, setzen wir uns zuvor mit Ihrer Versicherung in Verbindung, um ein Kostenübernahmeerklärung einzuholen.

Für eine kostenlose Erstberatung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.



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