Die 10 wichtigsten Fragen zum Coronavirus im Arbeitsverhältnis

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1. Kann mich der Arbeitgeber zwangsweise in den Urlaub schicken?

Nein. Zwar ist grundsätzlich denkbar, dass ein Arbeitgeber seinen Betrieb vorübergehend schließt und dafür „Betriebsferien“ anordnet. Eine solche Anordnung setzt aber die Mitbestimmung des Betriebsrates oder die Einverständnis jedes betroffenen Arbeitnehmers voraus. Alles andere würde das Betriebsrisiko unzulässigerweise auf den Arbeitnehmer abwälzen.

2. Kann der Arbeitgeber mich zwingen, Minusstunden aufzubauen?

Nein. Arbeitnehmer haben einen Anspruch darauf, für die Arbeitszeit, die im Vertrag vereinbart ist, auch eingesetzt zu werden. Eine Abweichung davon bedarf wiederum einer Vereinbarung. Eine solche ist mit dem einzelnen Arbeitnehmer oder auch mit dem Betriebsrat denkbar.

3. Kann der Arbeitgeber mich zwingen, Plusstunden abzubauen?

Hier kommt es darauf an, was hinsichtlich der Plusstunden zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart wurde. Gibt es keine konkrete Regelung dazu, wie mit Plusstunden verfahren werden soll, kann der Arbeitgeber in der jetzigen Situation den Abbau der Plusstunden verlangen.

4. Kann der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen?

Die Anordnung von Kurzarbeit bedarf einer vertraglichen Grundlage. Folgende Konstellationen kommen in Frage:

  • bereits im Arbeitsvertrag wurde die Möglichkeit vereinbart, im Bedarfsfall Kurzarbeit anzuordnen;
  • Vereinbarung über Kurzarbeit im Tarifvertrag:
  • Vereinbarung über Kurzarbeit in einer Betriebsvereinbarung;

Wichtig: Gibt es weder eine arbeitsvertragliche Regelung, einen Tarifvertrag noch eine Betriebsvereinbarung, kann der Arbeitgeber gegen den Willen des Arbeitnehmers keine Kurzarbeit anordnen. Der Arbeitnehmer behält dann den vollen Lohnanspruch.

5. Was kann der Arbeitgeber tun, wenn ich mit Kurzarbeit nicht einverstanden bin und es keine Regelung dazu gibt?

Weigert sich ein Arbeitnehmer, der Einführung von Kurzarbeit zuzustimmen, kann der Arbeitgeber eine sog. „Änderungskündigung“ aussprechen. Weil solche Kündigungen mit zahlreichen Fallstricken versehen sind, bergen sie für Arbeitgeber ein großes Risiko.

6. Kann der Arbeitgeber wegen Corona aus betrieblichen Gründen eine Kündigung aussprechen?

Grundsätzlich rechtfertigt der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung. Die derzeitigen behördlichen Anordnungen stellen aber einen Ausnahmefall dar. 

Es ist derzeit (Stand: 20.03.2020) nicht absehbar, wann und wie lange die Situation bestehen bleibt. Es ist, je nach Branche, auch nicht vorauszusehen, wie die Auftragslage sich entwickeln wird. Auch ist derzeit noch ungewiss, inwieweit es staatliche Unterstützung für die Wirtschaft geben wird. 

All das sind Punkte, die ein Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung miteinbeziehen müsste. Da das derzeit aber schlicht nicht möglich ist, ist es eher unwahrscheinlich, dass eine betriebsbedingte Kündigung einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würde.

7. Kann der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, weil ich mit Corona infiziert bin?

Eine Infektion mit dem Virus stellt zunächst schlicht eine Erkrankung dar. Ein Kündigungsgrund ist das nicht. Denkbar ist allenfalls, dass weitere Umstände hinzu kommen. Beispielsweise, dass man trotz bekannter Infektion weiter in die Arbeit geht und so weitere Personen gefährdet oder gar ansteckt. Hier müsste aber zum einen Vorsatz nachgewiesen werden. Zum anderen wäre auch zu prüfen, ob eine Abmahnung als milderes Mittel vorzuziehen wäre.

8. Darf ich vorsorglich von der Arbeit fernbleiben, um ein Ansteckungsrisiko zu minimieren?

Solange es keine behördliche Anordnung gibt, bleiben die arbeitsvertraglichen Pflichten bestehen. Also genauso, wie der Arbeitgeber den Lohn weiterzahlen muss, muss der Arbeitnehmer auch die Arbeitsleistung erbringen. Nur vorsorglich der Arbeit fernzubleiben stellt daher eine Arbeitsverweigerung dar, die im Extremfall sogar eine fristlose Kündigung nach sich ziehen kann.

9. Darf ich von der Arbeit fern bleiben, um mich um meine Kinder zu kümmern?

Sind die Kinder erkrankt, richtet sich der Umgang mit dem Arbeitsausfall nach den allgemeinen Vorschriften.

Geht es aber darum, gesunde Kinder zu betreuen, weil Schulen und Kindergärten geschlossen haben, wird es komplizierter. Grundsätzlich kommt auch hier in Betracht, dass Arbeitnehmer den Ausfall nicht zu verantworten haben und deshalb trotzdem den Lohnanspruch gem. § 616 BGB behalten. 

Diese Regelung bietet aber nur wenig Rechtssicherheit. Denn zum einen kann der § 616 BGB vertraglich ausgeschlossen werden. Es ist also im Arbeitsvertrag zu prüfen, ob es eine Regelung dazu gibt. Zum anderen ist gerichtlich noch nicht geklärt, wie lange der Lohnanspruch durch den § 616 BGB erhalten bleibt. 

Die Meinungen reichen von drei Tagen bis zu einer Woche. Aber selbst wenn man von einer Woche ausgeht, wäre damit nicht die gesamte Zeit der Schulschließungen abgedeckt. Eltern ist daher dringend zu raten, möglichst rasch eine Lösung für die Betreuung von Kindern zu finden.

10. Was passiert, wenn ich nicht (rechtzeitig) zur Arbeit kommen kann, weil der öffentliche Nahverkehr ausfällt?

Das sog. „Wegerisko“ liegt beim Arbeitnehmer. Das heißt, der Arbeitnehmer ist dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass er rechtzeitig in der Arbeit ist. Kommt er zu spät oder gar nicht in die Arbeit, kann das arbeitsrechtliche Konsequenzen zur Folge haben. Wie weitreichend die Folgen sein können, hängt maßgeblich vom Einzelfall ab. 

Fällt der öffentliche Nahverkehr tatsächlich kurzfristig und unerwartet aus, wird dem Arbeitnehmer kaum ein Vorwurf zu machen sein. In einem solchen Fall wäre sogar fraglich, ob überhaupt eine Abmahnung gerechtfertigt wäre. Wurde aber der Ausfall bereits am Vortag angekündigt, wird sich der Arbeitnehmer kaum darauf berufen können, dass er nicht rechtzeitig reagieren konnte.

In jedem Fall ist einem Arbeitnehmer zu empfehlen, den Arbeitgeber umgehend zu informieren, wenn er feststellt, dass er nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheinen wird.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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