Die Ausnahmebewilligung im Handwerk nach § 9 HwO - Hinweise vom Anwalt zur Anerkennung
- 6 Minuten Lesezeit

Ausnahmebewilligung nach § 9 HwO
Sie sind Staatsangehöriger der EU, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder der Schweiz und wollen Ihr Handwerk in die deutsche Handwerksrolle eintragen lassen?
Dann steht Ihnen unter Umständen eine § Ausnahmebewilligung nach § 9 HwO zu.
Dieser Beitrag informiert Sie über die grundsätzlichen Voraussetzungen und Aspekte des § 9 HwO.

Rechtsanwalt Dr. Malte Brix
- Rechtsanwalt und Partner, Vy - Brix Lange Verweyen Rechtsanwälte
- Fachanwalt für Verwaltungsrecht
- Lehrbeauftragter für Öffentliches Recht an der HWR Berlin
- Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verwaltungsrecht Nordost e. V.
- Studium in Kiel und Berkeley, CA
- Geboren in Flensburg
Telefon: 030 / 51 56 59 98 - 0
Welche Voraussetzungen müssen nach §9 HwO vorliegen? EU/EWR-Handwerk-Verordnung
Bei § 9 HwO muss zunächst zwischen der Anerkennung von Berufserfahrung und der Anerkennung von Ausbildungs- und Befähigungsnachweisen differenziert werden.
Eine Ausnahmebewilligung wegen vorhandener Berufserfahrung kann erteilt werden, wenn der Antragsteller in einem anderen EU bzw. EWR-Staat oder der Schweiz tätig war und die notwendige Berufserfahrung zumindest in einer wesentlichen Tätigkeit des beantragten Gewerbes besitzt. Die Voraussetzungen sind gem. § 2 EU/EWR-Handwerk-Verordnung zudem:
- mindestens sechs Jahre ununterbrochene Tätigkeit als Selbstständiger oder Betriebsverantwortlicher, sofern die Tätigkeit nicht länger als 10 Jahre vor der Antragstellung beendet wurde
oder
- mindestens drei Jahre unterbrochene Tätigkeit als Selbstständiger oder Betriebsverantwortlicher, sofern dieser eine mindestens dreijährige Ausbildung vorangegangen ist
oder
- mindestens vier Jahre unterbrochene Tätigkeit als Selbstständiger oder Betriebsverantwortlicher, sofern dieser mindestens eine zweijährige Ausbildung vorangegangen ist
oder
- mindestens drei Jahre ununterbrochene Tätigkeit als Selbstständiger und mindestens fünf Jahre Tätigkeit als Arbeitnehmer, sofern die Tätigkeit nicht länger als zehn Jahre vor der Antragstellung beendet wurde
oder
- mindestens fünf Jahre ununterbrochene Tätigkeit in einer leitenden Stellung eines Unternehmens, von denen mindestens drei Jahre auf eine Tätigkeit mit technischen Aufgaben und mit der Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens entfielen und wenn zuvor eine dreijährige Ausbildung in der Tätigkeit stattgefunden hat
Bitte beachten Sie, dass diese Voraussetzungen nicht für das Friseurgewerbe gelten.

Wie eine Beratung aussehen kann:
- Anwaltliche Erstberatung zur Einschätzung der Erfolgsaussichten
- Professionelle Vertretung Ihrer Interessen zum Beispiel im Widerspruchsverfahren oder im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
- Individuelle Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt (kein Call-Center)
- Aufzeigen Ihrer individuellen Handlungsmöglichkeiten
Was sind Betriebsverantwortliche?
Betriebsverantwortliche sind Personen, welche in einem Unternehmen des entsprechenden Gewerbes wie folgt tätig waren:
- als Leiter eines Unternehmens oder zumindest einer Zweigniederlassung
- als Stellvertreter eines Inhabers oder eines Leiter eines Unternehmens, wenn mit dieser Stellung eine Verantwortung verbunden ist, die der Verantwortung der vertretenen Person vergleichbar ist
- in leitender Stellung mit kaufmännischen oder technischen Aufgaben und mit der Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens
Allerdings gilt diese Regelung nicht für Augenoptiker-, Hörgeräteakustiker-, Orthopädietechniker-, Orthopädieschuhmacher- und das Zahntechnikerhandwerk!

Welche Kosten entstehen?
- Die erste Kontaktaufnahme ist immer kostenfrei
- Die Vergütung basiert in der Regel auf dem tatsächlichen Zeitaufwand
- Unsere Vergütungsvereinbarung erhalten Sie vorab zur Prüfung
- Eine Erstberatung ist oft zu einem Pauschalbetrag möglich und enthält eine überschlägige Handlungsempfehlung
Welche Qualifikationen sind notwendig?
Die Anerkennung von Ausbildungs- und Befähigungsnachweisen bedarf folgender Qualifikationen:
- eine abgeschlossene Schulbildung an einer allgemeinbildenden weiterführenden Schule, die durcheine Fach- oder Berufsausbildung, ein neben dem Ausbildungsgang erforderliches Berufspraktikum oder eine solche Berufspraxis in der jeweiligen Tätigkeit ergänzt wird
oder
- eine abgeschlossene Schulbildung an einer technischen oder berufsbildenden weiterführenden Schule, auch in Verbindung mit einer Fach- oder Berufsausbildung, einem neben dem Ausbildungsgang erforderlichen Berufspraktikum oder einer solchen Berufspraxis darin
Allerdings wird hier unterschieden, je nachdem ob:
- es sich bei dem Gewerbe um ein in Ihrem Herkunftsland reglementierten Beruf handelt und Ihre Qualifikation Sie im Herkunftsland zumindest zur Ausübung einer wesentlichen Teiltätigkeit des reglementierten Gewerbes berechtigt
oder
- es keine Reglementierung des Gewerbes im Herkunftsland besteht und auch keine staatlich
geregelte Ausbildung für die Tätigkeit existiert, die von Ihnen absolvierte Ausbildung aber der
oben dargestellten Qualifikationsstufe entspricht und Sie zumindest eine wesentliche Tätigkeit des betreffenden Handwerks als Vollzeitbeschäftigung über mindestens zwei Jahre ausgeübt haben, welche nicht länger als zehn Jahre zurückliegt
oder
- es keine Reglementierung des Gewerbes im Herkunftsland besteht, aber es existiert eine staatlich geregelte Ausbildung in dem anderen Mitgliedsstaat, die der oben dargestellten Qualifikationsstufe entspricht und speziell auf die Ausübung eines bestimmten Berufs ausgerichtet ist und aus einem abgeschlossenen Ausbildungsgang besteht, auch in Verbindung mit einem Berufspraktikum oder einer Berufspraxis in der jeweiligen Tätigkeit
oder
- die von Ihnen abgeschlossene Ausbildung in Anhang III der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen in der jeweils gültigen Fassung aufgeführt ist

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Reichen diese Qualifikationen für die Anerkennung nach § 9 HwO aus?
Nicht ganz, da von der Handwerkskammer zur Erteilung der Ausnahmebewilligung eine Ausgleichsmaßnahme gefordert werden kann. Es handelt sich hierbei um die Teilnahme an einem höchstens dreijährigen Anpassungslehrgang oder das Ablegen einer Eignungsprüfung.
Wann wird so eine Ausgleichsmaßnahme in der Regel gefordert?
Eine solche Ausgleichsmaßnahme wird zumeist gefordert, wenn:
- die nachgewiesene Ausbildungsdauer mindestens ein Jahr unter der im Inland geforderten Ausbildungsdauer liegt
oder
- Ihre bisherige Ausbildung sich auf Fächer bezogen hat, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die durch eine inländische Meisterprüfung in dem entsprechenden Handwerk abgedeckt werden
beziehungsweise
- das Gewerbe, für das eine Ausnahmebewilligung beantragt wird, in Deutschland wesentliche Tätigkeiten umfasst, die in Ihrem Herkunftsstaat nicht Bestandteil des entsprechenden Berufs sind, und dieser Unterschied in einer besonderen Ausbildung besteht, die in Deutschland erforderlich ist und sich auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die durch den vorgelegten Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis abgedeckt werden
Allerdings werden Ausgleichsmaßnahmen nicht angeordnet, wenn die Ausnahmebewilligung auf der Anerkennung von Berufserfahrung (§ 2 EU/EWR HwV) beruht.
Wie läuft das Verfahren nach §9 HwO ab?
Der Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung ist bei der zuständigen Handwerkskammer zusammen mit allen antragsbegründenden Unterlagen einzureichen.
Auf Wunsch hört die Handwerkskammer die zuständige Fachorganisation an.
Gleiches gilt, wenn die von Ihnen im Rahmen der Berufserfahrung erworbenen Kenntnisse geeignet sind, die genannten Unterschiede auszugleichen, oder wenn die berufliche Qualifikation den Anforderungen entspricht, die nach Artikel 15 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG auf der Grundlage gemeinsamer Plattformen von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft beschlossen worden sind.

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Welche Unterlagen sind erforderlich?
- Nachweis der Staatsangehörigkeit (Reisepass, Personalausweis als Kopie)
- gegebenenfalls: Bescheinigung über Art und Dauer der Tätigkeit (sogenannte EU-Bescheinigung), ausgestellt von der zuständigen Behörde oder Einrichtung des Herkunftsstaates
- Bescheinigung der Ausbildung durch ein staatlich anerkanntes Zeugnis oder die Anerkennung der Ausbildung durch eine zuständige Berufsorganisation des Herkunftsstaates
- Unterlagen, die von der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates ausgestellt wurden und die belegen, dass die Ausübung des Gewerbes nicht wegen Unzuverlässigkeit untersagt worden ist
Werden im Herkunftsstaat die vorgenannten Unterlagen nicht ausgestellt, können diese durch eine Versicherung an Eides statt oder in Staaten, in denen es eine solche nicht gibt, durch eine feierliche Erklärung ersetzt werden. Eine solche Erklärung müssen Sie vor einer zuständigen Behörde, einem Notar oder einer entsprechend bevollmächtigten Berufsorganisation des Herkunftsstaates abgeben. Diese Stelle bescheinigt Ihre Erklärung.
Die Unterlagen dürfen nicht älter als drei Monate sein.
Die genannten Unterlagen sind bis auf den Nachweis der Staatsangehörigkeit auch in übersetzter Form einzureichen. Gegebenenfalls können Sie zur Vorlage einer von einem öffentlich bestellten und beeidigten Urkundenübersetzer angefertigten oder beglaubigten Übersetzung aufgefordert werden.

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Achtung: Die erteilte Ausnahmebewilligung nach § 9 Handwerksordnung berechtigt nicht zur Führung des Meistertitels im Handwerk und schließt die Ausbildungsbefugnis nicht ein.
Die selbstständige Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks ist nur nach Eintragung in die Handwerksrolle erlaubt.
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