Die Erbrechtsreform 2010

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Der Bundestag hat am 02.07.2009 die seit langem erwartete Erbrechtsreform verabschiedet, der Bundesrat ihr zugestimmt. Sie ist zum 01.01.2010 in Kraft getreten, also für Erbfälle anwendbar, die ab dem 01.01.2010 geschehen sind. Hier die wichtigsten Änderungen:

1. Finanzielle Anerkennung der Pflegeleistung

Zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut. Bisher konnten die Kinder des von ihnen gepflegten Erblassers bei der Erbauseinandersetzung untereinander einen höheren Anteil am Nachlass wegen ihrer Pflegeleistung nur beanspruchen, wenn sie einen Verzicht auf berufliches Einkommen, z. B. durch Übergang zur Teilzeitbeschäftigung oder nachweisbare finanzielle Einkommenseinbußen hinnehmen mussten. Da in der Regel solche Pflegeleistungen für die Eltern in aufopferungsvoller Weise neben der eigenen beruflichen Tätigkeit erbracht werden, kann nunmehr ein solcher Anspruch bei der Erbauseinandersetzung unabhängig von einer eigenen Einkommensminderung beansprucht werden. Der geschätzte Wert der Pflegeleistung wird zunächst vom Wert des Nachlassvermögens subtrahiert und der sich dann daraus ergebende Nachlasssaldo zum Gegenstand der Erbauseinandersetzung der Erben nach ihren Erbquoten. Dem pflegenden Miterben steht ein Ausgleichsbetrag in Höhe der zu bewertenden Pflegeleistung zusätzlich zu. Ausgleichsberechtigt sind ausschließlich pflegende Kinder des Erblassers. Im Gegensatz zu einem früheren Gesetzentwurf ist dieser begünstigte Personenkreis nicht weitergefasst worden.

Die Anerkennung von Pflegeleistungen kann dennoch am sinnvollsten durch den Erblasser selbst in Form einer letztwilligen Verfügung bzw. eines Testamentes erfolgen, in dem er die pflegende Person als Erben einsetzt, ein Vermächtnis anordnet oder zum Beispiel eine erhöhte Erbquote für diese Person auswirft. Auf diesem Wege können nicht nur pflegende Kinder, sondern auch ein erweiterter Personenkreis für die Pflegeleistungen „entschädigt werden".

2. Abschreibung von Schenkungen

Verschenkt der Erblasser zu Lebzeiten Vermögenswerte, so erwächst daraus im Erbfall für die pflichtteilsberechtigten Kinder oder den Ehegatten ein sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch, wenn die Schenkung innerhalb von 10 Jahren vor Eintritt des Erbfalles erfolgte. Nach der bisherigen Rechtslage war es für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches unerheblich, zu welchem Zeitpunkt die betreffende Schenkung innerhalb dieses 10 jährigen Zeitraumes erfolgte. Jetzt wird der Schenkungswert mit 1/10 pro Jahr abgeschrieben. Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall würde mit dem vollen Wert in die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches einbezogen werden, zwei Jahre vor dem Erbfall jedoch beispielsweise nur noch mit 9/10 und in jedem weiteren Jahr früher um jeweils ein weiteres 1/10 weniger.

3. Erweiterung der Stundungsgründe

Weiterhin hat der Gesetzgeber auch die Erweiterung der Stundungsgründe für die Auszahlung eines Pflichtteiles an die Berechtigten geregelt. Besteht das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem Unternehmen oder einem Eigenheim, müssen die Erben diese Vermögenswerte nicht mehr zur Erfüllung der Pflichtteilsansprüche veräußern. Die bisher nur für Ehegatten und Kinder bestehenden Stundungsmöglichkeiten stehen jetzt jedem gesetzlichen oder testamentarischen Erben zur Seite.

4. Pflichtteilsentziehung

Weiter hat der Gesetzgeber die Pflichtteilsentziehungsgründe neu gestaltet. Das Bundesverfassungsgericht hatte wiederholt entschieden, dass am Pflichtteilsanspruch als gesetzliche Mindestteilhabe am Nachlass nur in engen Ausnahmefällen rechtliche Abstriche gemacht werden dürfen. Die Entziehung des Pflichtteiles soll eine seltene Ausnahme bleiben. Die Rechtsreform sieht insoweit eine Vereinheitlichung der Entziehungsgründe vor, in dem sie zukünftig für Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten oder Lebenspartner gleichermaßen Anwendung findet. Bislang galten insoweit gesetzliche Unterschiede.

Darüber hinaus sollen künftig alle Personen geschützt werden, die dem Erblasser ähnlich wie ein Ehegatte, Lebenspartner oder Kind nahe stehen, z. B. auch Stief- und Pflegekinder. Eine Pflichtteilsentziehung soll auch dann möglich sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte diesen Personen nach dem Leben trachtet oder ihnen gegenüber sonst eine schwere Straftat begeht. Nach bisheriger Gesetzeslage war dieses nur bei entsprechenden Vorfällen gegenüber einem viel engerem Personenkreis möglich. Der Entziehungsgrund des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels" ist entfallen. Zum einen galt er bisher nur für Abkömmlinge, nicht aber für die Entziehung des Pflichtteiles von Eltern und Ehegatten. Zum anderen hatte er sich als zu unbestimmt erwiesen. Stattdessen ist nun Maßstab eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mind. 1 Jahr ohne Bewährung, was eben nun zur Pflichtteilsentziehung berechtigt. Zusätzlich muss dem Erblasser unzumutbar sein, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu überlassen. Gleiches soll bei Straftaten gelten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden.

5. Verjährungsfrist

Die Erbrechtsreform hat nunmehr auch das Verjährungsrecht hinsichtlich des Familien- und Erbrechtes vereinheitlicht. Bisher unterlagen die familien- und erbrechtlichen Ansprüche noch immer einer Sonderverjährung von 30 Jahren, im Gegensatz zu der ansonsten fast einheitlichen Verjährungsfrist von 3 Jahren, die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von 2001 geschaffen wurde. Die Verjährung familien- und erbrechtlicher Ansprüche wird daher nunmehr mit der Regelverjährung von 3 Jahren angepasst. Allerdings gibt es nach wie vor gesetzliche Ausnahmetatbestände, in denen weiterhin eine 30jährige Verjährungsfrist zur Anwendung kommt.


RA Arno Wolf

Fachanwalt für Erbrecht

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