Die Impfpflicht nach dem Masernschutzgesetz auf legalem Weg umgehen

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Die Impfpflicht nach dem Masernschutzgesetz - Auf legalem Weg umgehen

RAin Dr. Sarah Kamm, 04.09.2023


  1. Einleitung

Seit dem 01.03.2020 gilt in Deutschland eine Masernimpfpflicht. Eingeführt wurde diese mit dem Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention vom 10.02.2020 (Bundesgesetzblatt 2020 I, S. 148), dem sogenannten Masernschutzgesetz.

In erster Linie enthält dieses Änderungsvorschriften zum Infektionsschutzgesetz (IfSG). Im Mittelpunkt steht der neu gefasste § 20 VIII–XIV IfSG.


Das Bundesministerium für Gesundheit rechtfertigt die Grundlage des Gesetzes auf seiner Internetseite (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/impfpflicht/faq-masernschutzgesetz.html) insbesondere mit einer bislang zu geringen Impfquote:


Die bisherigen Maßnahmen zur Steigerung der Impfquoten haben nicht dazu geführt, dass sich ausreichend Menschen in Deutschland impfen lassen. Es gibt immer noch Impflücken in allen Altersgruppen. Die bundesweite Impfquote für die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene zweite Masern-Impfung bei Kindern im Alter von 24 Monaten liegt nur bei 73,9 Prozent. Für eine erfolgreiche Eliminierung der Masern sind mindestens 95 Prozent nötig.“


Zur gesetzlichen Pflicht, die Impfung herbeizuführen und diese zu erdulden, gehört nach § 20 VIII 3 IfSG auch die Pflicht, die Impfung mit einem sogenannten „Kombinationsimpfstoff“ hinzunehmen, wenn ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten.

Das Gesetz gebietet also nicht nur eine Masernimpfpflicht, sondern entgegen dessen Wortlaut ebenso die „obligatorische Mitimpfung“ gegen Masern, Mumps und Röteln. Vollkommen wertungsfrei könnte man hierin eine unlimitierte Ausweitungsoption sehen und dadurch eine bald unbegrenzte Impfpflicht befürchten.


Die Impfpflicht besteht gemäß § 20 VIII Satz 1 Nr. 1 IfSG für Personen, die nach dem 31.12.1970 geboren wurden und hängt nach § 20 VIII Satz 1 vom Besuch, der Unterbringung oder der Tätigkeit in einer dort aufgeführten Einrichtung ab. Es geht insbesondere um Kindertagesstätten, Heime und Schulen sowie sonstige Ausbildungseinrichtungen, aber auch Krankenhäuser, Entbindungs- oder Rehabilitationseinrichtungen sowie Arztpraxen.


Folgende Nachweise gegenüber der Leitung einer Einrichtung sind denkbar:


1.         Eine Impfbescheinigung oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht (§ 20 IX Nr. 1 IfSG).


2.         Ein ärztliches Zeugnis, dass Immunität gegen Masern vorliegt oder dass aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann (§ 20 IX 1 Nr. 2 IfSG),


3.         Eine Bestätigung einer staatlichen (dem Bund oder den Ländern zuzuordnenden) Stelle oder der Leitung einer anderen Einrichtung gem. § 33 Nr. 4 IfSG, dass einer der vorgenannten Nachweise bereits vorgelegen hat (§ 20 IX Nr. 3 IfSG)


Wird der Nachweis nicht oder nicht rechtzeitig erbracht, oder sollten Zweifel an dessen Echtheit bestehen, informiert die entsprechende Einrichtung das zuständige Gesundheitsamt.


  1. Durchsetzung der Impfpflicht


Auch, wenn keine „Zwangsimpfungen“ denkbar sind, kann die Impfpflicht durch eine Fülle indirekt Druck aufbauender bzw. Zwang bewirkender Maßnahmen versucht werden durchzusetzen.


Die Vorlagepflicht an das Gesundheitsamt ist eine durch Verwaltungsvollstreckungsrecht, insbesondere mit Zwangsgeld durchsetzbare Pflicht. Zusätzlich oder alternativ kann ein Bußgeld verhängt werden.“ (siehe hierzu die Gesetzesbegründung in Bundestag-Drucksache 19/13452, 30). Wer den Nachweis dem Gesundheitsamt „nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig“ vorlegt, begeht eine Ordnungswidrigkeit (§ 73 I a Nr. 7 c, II IfSG).


Das Gesundheitsamt kann nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber einer Person, die trotz Anforderung keinen Nachweis vorlegt, ein Betretungsverbot aussprechen (§ 20 XII 3 IfSG), soweit die Person keiner gesetzlichen Schul- oder Unterbringungsverpflichtung unterliegt (§ 20 XII 4 u. 5 IfSG). Die Schulpflicht geht der Impfpflicht laut Gesetz also vor, was aber nicht bedeutet, dass die Nachweispflicht wegfällt.


Widerspruch und Anfechtungsklage gegen ein vom Gesundheitsamt erteiltes Betretungsverbot haben keine aufschiebende Wirkung (§ 20 XII 6 IfSG). Das Verbot ist also sofort vollziehbar. Missachten die pflichtigen Personen die vollziehbare Anordnung, machen sie sich wiederum bußgeldpflichtig; die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 2.500 Euro geahndet werden (§ 73 I a Nr. 7 d, II IfSG).


  1. Verfassungsmäßigkeit und Fazit


Wenngleich der vorliegende Beitrag vorrangig Alternativen und Wege aufzeigt, die Impfpflicht auf legalem Wege zu umgehen, anstatt eine Grundrechtsverletzung gerichtlich geltend zu machen, bedeutet die nicht, dass durch die Impfpflicht keine Grundrechte verletzt sind. Dass es sich um eine in Grundrechte eingreifende Pflicht handelt, verdeutlicht § 20 XIV IfSG: „Durch die Absätze 6 bis 12 wird das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.“


Das Masernschutzgesetz begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken vor allem im Hinblick auf Art. 2 II 1 GG (Recht auf körperliche Unversehrtheit), Art. 3 I GG (Gleichheitssatz) und Art. 6 II 1 GG (Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung des Kindes).

Dahingehende Verfassungsbeschwerden wegen Grundrechtsverletzungen, wies das Bundesverfassungsgericht allerdings bereits als unbegründet zurück: (BVerfG, Beschluss vom 21.7.2022– 1 BvR 469/20)


Die Verfassungsbeschwerden haben keinen Erfolg. Die angegriffenen Vorschriften berühren zwar sowohl das die Gesundheitssorge für ihre Kinder umfassende Grundrecht der beschwerdeführenden Eltern aus Art. 6 II 1 GG als auch und vor allem das durch Art. 2 II

1 GG gewährleistete Grundrecht der beschwerdeführenden Kinder auf körperliche Unversehrtheit; […] Sowohl die Eingriffe in das Elternrecht als auch die in die körperliche Unversehrtheit sind aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die beschwerdeführenden Kinder sind in ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung (Art. 3 I GG ) ebenfalls nicht verletzt.“


Das Bundesministerium für Gesundgeit betont:

„Der Schutz der Gesundheit anderer Personen beziehungsweise der Allgemeinheit zur Abwehr von Seuchengefahren rechtfertigt dann den gesetzlichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit.“ (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/impfpflicht/faq-masernschutzgesetz.html)




Wenn Sie einer dreifach-Impfung gegenüber skeptisch sind, ist das Ihr gutes Recht, auch wenn die Vereinbarkeit einer Impfpflicht mit dem Grundgesetz höchstrichterlich bestätigt wurde.


Die Impfpflicht gilt nach § 20 VIII Satz 4 IfSG nicht für Personen, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können. Neben einer individuell zu bestimmenden Unverträglichkeit des Impfstoffes werden hiervon alle Gründe erfasst, die nach fachlich vertretbarer ärztlicher Auffassung angesichts der konkreten gesundheitlichen Lage der zu impfenden Person die Impfung mit Blick auf die ansonsten drohenden Gefahren für Leib und Leben als zu riskant erscheinen lassen.


Die Gründe, weshalb eine Person sich nicht impfen lassen kann, sind demnach vielfältig. Es sind nicht nur die in den Empfehlungen der ständigen Impfkommission (§ 20 II IfSG) aufgeführten Kontraindikationen maßgeblich.

Foto(s): Bild: Sutterstock / DesignRage

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