Die Insolvenz von Germania – erste Folgen für Pauschalreisende

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Nachdem am 4. Februar 2019 in der Öffentlichkeit bekannt wurde, dass die Fluggesellschaft Germania Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat, teilte die Airline mit, keine Flüge mehr für Ihre Kunden bereitstellen zu können. In der Berichterstattung wurde zunächst kein Unterschied zwischen den verschiedenen Kategorien von Kunden gemacht. 

Hier ist aber zu unterscheiden zwischen den Fluggästen, deren Flug Bestandteil eines mit einem Reiseveranstalter geschlossenen Reisevertrages (Pauschalreisende) ist und den Fluggästen, die unmittelbar mit der Fluggesellschaft einen Luftbeförderungsvertrag (Nur-Flug-Kunden) geschlossen haben. 

Das Schicksal der etwa 260.000 Nur-Flug-Kunden konnte ganz schnell ausgemacht werden, nachdem die Fluggesellschaft bekannt gab, den Flugbetrieb einzustellen. Für diese Kunden gibt es leider keine günstigen Nachrichten, denn die Beförderung wird nicht erfolgen und Rückerstattungen von Ticketentgelten sind unwahrscheinlich. Rund 6.000 Fluggäste befanden sich im Zeitpunkt des Insolvenzantrages am Zielort ihres Hinfluges und müssen nun auf eigene Kosten den Rückflug neu buchen.

Anderes gilt für die Pauschalreisenden. Ihre Ansprüche auf Beförderung richten sich ausnahmslos gegen den Reiseveranstalter, mit dem sie den Reisevertrag geschlossen haben. Allerdings ergeben sich hier nun auch erste Probleme für Reisende. Im Zeitpunkt des Insolvenzantrages befanden sich etwa 14.000 Pauschalreisende im Urlaub, deren Rückflüge von Germania durchgeführt werden sollten. Hier müssen die Reiseveranstalter schnell handeln und ihren Kunden Beförderungsmöglichkeiten verschaffen. Nicht bekannt sind die Zahlen der Passagiere, deren zukünftige Flüge Bestandteil eines mit einem Reiseveranstalter geschlossenen Reisevertrages sein sollten.  Bekannt ist hingegen, dass Germania-Flüge von einigen Veranstaltern zur Konstruktion von Pauschalreisen "eingekauft" wurden. Diese Fluggäste behalten ihre Rechte gegen die jeweiligen Reiseunternehmen.

Reaktionen der Reiseveranstalter

Wenn der Reisende Glück hat, bucht der Reiseveranstalter, mit dem er den Reisevertrag geschlossen hat, ihn auf einen Flug mit einer anderen Fluggesellschaft um. Einzige Konsequenz in diesen Fällen könnte es sein, dass sich die Flugzeiten ändern, eventuell auch noch der Abflughafen in Deutschland. Die Reise könnte aber in diesen Fällen weitestgehend unbeeinträchtigt stattfinden.

Es ist aber andererseits auch schon bekannt geworden, dass Reiseveranstalter den Reisevertrag kündigen. Zur Begründung wird angeführt, unvermeidbare außergewöhnliche Umstände (früherer Begriff: höhere Gewalt) haben die Durchführung der Reise vereitelt. Die Reaktion der Reiseveranstalter ist verständlich, denn für in naher Zukunft liegende Reisen wird es nicht gelingen, adäquaten Ersatz für die Flüge zu finden. 

Hohe Auslastungen bei den Fluggesellschaften und kaum verfügbare Flugzeuge auf dem Markt verhindern, dass kurzfristig andere Fluggesellschaften die mit der Insolvenz der Germania wegfallenden Flugkontingente kompensieren können. Die Beförderungskapazitäten, die durch Einstellung des Flugbetriebes der Germania weggefallen sind, können kurzfristig kaum ersetzt werden. 

Rechtliche Bewertung 

Hat der Reiseveranstalter den Pauschalreisenden, die sich bereits im Urlaub befinden, keinen Rückflug gewährt, so bleibt den Reisenden zunächst nichts anderes übrig, als den Rückflug auf eigene Kosten neu zu buchen. Der Reiseveranstalter muss dem Reisenden die hierfür notwendigen Kosten erstatten.

Fraglich ist, ob sich ein Reiseveranstalter bei der Insolvenz seines Leistungsträgers (der Fluggesellschaft) auf unvermeidbare außergewöhnliche Umstände im Sinne des § 651h Abs. 4 Nr. 2 BGB berufen kann. In der bis zum 30. Juni 2018 geltenden Form des Reisevertragsrechts war die Formulierung der „höheren Gewalt“ enthalten. Hiernach konnten Umstände aus der Sphäre des Reiseveranstalters oder seiner Leistungsträger nicht als höhere Gewalt betrachtet werden. Die Rechtsprechung hierzu war eindeutig.

Auch nach der jetzigen Bezeichnung als unvermeidbare außergewöhnliche Umstände ist bei innerbetrieblichen Problemen davon auszugehen, dass der Reiseveranstalter die vertragliche Gewähr für die Erbringung der Leistung durch Dritte übernimmt. 

Daher dürfen sowohl der Streik der Leistungserbringer als auch dessen Insolvenz nicht dazu führen, dass der Reiseveranstalter vor Antritt der Reise vom Reisevertrag wegen unvermeidbare außergewöhnliche Umstände zurücktritt. 

Rechtsfolgen des erklärten Rücktritts durch den Reiseveranstalter

Der Reisende ist einem Rücktritt des Reiseveranstalters vom Reisevertrag bzw. einer Kündigung wegen höherer Gewalt (bei Reiseverträgen, die vor dem 1. Juli 2018 geschlossen wurden) nicht schutzlos ausgeliefert. Der Reisende hat Anspruch auf die Leistung, die er gegebenenfalls – sofern noch genügend Zeit besteht – einklagen kann. 

Bleibt es bei dem vom Veranstalter erklärten Rücktritt oder der Kündigung so stellt dies eine Vereitelung der Reise durch den Reiseveranstalter dar, sodass sich hieraus wiederum Ansprüche für den Reisenden auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit ergeben.

Für die Beratung zu den Ansprüchen nach gekündigten Reiseverträgen steht Ihnen advocatur Wiesbaden – die Spezialkanzlei für Reise- und Luftverkehrsrecht – gerne zur Verfügung. Mit unserer Erfahrung aus mehr als 10.000 Reiseprozessen vor vielen Amts- und Landgerichten der Bundesrepublik Deutschland können wir ein Optimum an anwaltlichem „Know-how“ bieten.

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Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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