Die Lüge über Nachweiszeiten von Drogen in Urin und Blut – Cannabis, Kokain, MDMA, Speed u.v.m.

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Abbauwerte von Drogen: Wie lange sind Drogen bei mir nachweisbar? 

Warum wissenschaftliche Arbeit im grundrechtlich geschützten Bereich wichtig ist und warum das Begutachtungsstellen wie die PIMA Stuttgart exakt null zu interessieren scheint, kann man hier nachlesen. Ziemlich übel, wie den Betroffenen da bei der MPU mitgespielt wird. Methodik in bei der MPU? Fehlanzeige!

Wenn Sie Fragen zum Thema haben: Schreiben Sie in meinem Forum, ich antworte zeitnah.

Weiter im Text:

In Sachen Führerschein stellen sich immer wieder die gleiche Frage: Wie lange lässt sich der Stoff denn nun in Blut und Urin nachweisen? Wann kann ich also nach dem Konsum von Cannabis und den paar Lines Koks am Wochenende wieder Autofahren, ohne dass ich gleich den Führerschein los bin, wenn die Polizei  mich aus dem Verkehr und einer Blutprobe unterzieht, nur weil ich Pupillen wie a) Stecknadeln oder b) wie Tellerminen hatte und mehr oder weniger auffällig mit Kiefermalmen beschäftigt war?

Wer die große Suchmaschine im Netz bemüht, wird schnell fündig. Mit wissenschaftlicher Leichtfüßigkeit ist da von Stunden, Tagen, Wochen und Monaten zu lesen. Von aktiven THC, inaktiven THC COOH, von einmaligen, gelegentlichen und regemmäßigen Konsum.

Von Kokain und Benzoylecgonin, Crystal Meth, Amphetamin (Speed), Morphin, Methadon, Benzos, Barbituraten, LSD und Pilzen ist da überall zu lesen, wieviele Stunden, Wochen und Monate sich diese Substanzen abhängig vom Konsummuster nachweisen lassen sollen.

Sie liest man etwa in Sachen Cannabis etwa bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (welche zwar komplett unverständlich auf die Unterscheidung zwischen THC und THC COOH verzichtet, aber was will man erwarten?) :

Wirkung: 

1 - 4 Stunden (geraucht), 2 - 10 Stunden (oral)

Nachweis im Urin:

  • seltener Konsum: 2 - 3 Tage
  • regelmäßiger Konsum: 6 - 8 Wochen
  • chronischer Konsum: bis zu 12 Wochen

Nachweis im Blut:

  • gelegentlicher Konsum: 3 Tage
  • regelmäßiger Konsum: bis zu 30 Tage

So soll das also sein. Der normale Konsument orientiert sich natürlich daran, raucht paar Joints und wird 5 Tage später immer noch mit einem THC Wert von mindestens 1,0 ng/ml erwischt bzw. 100 Tage später noch THC COOH gemessen. Komischer Ausreißer oder eher Normalfall?

Wollen wir mal einen kleinen Augenmerk auf das Thema "wissenschaftliches Arbeiten" lenken. Ist ganz einfach zusammen gefasst: Wenn ich etwas behaupte, muss ich das auch beweisen. Klar kann ich meine eigene Unwissenschaftlichkeit auch durch Hinweise kaschieren, dass es sich bei den Zeiten "nur um eine Richtschnur handele".

Nun ist es aber gerade bei Cannabis so, dass die THC Wirkstoffgehalte der handelsüblichen Sorten vervielfacht haben in den letzten 2 - 3 Jahrzehnten. Wenn ein Cannabis Konsument heute zB jeden Abend oder 1 - 2 mal die Woche ein halbes Gramm Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von 20 % oder mehr konsumiert, dann ist das sicher nicht die seltene Ausnahme. 

Und sollten die Tabellen mit der Frage, wie lange Cannabis und andere Drogen nun nachweisbar sind, dem eigenen -schon runtergeschraubten- Ansprüchen in Sachen "grobe Richtschnur" genügen, so darf unterstellt werden, dass es auch Studien gibt, die diese Zeitvorgaben -grob richtschnürlich- stützen. Ist so beim wissenschaftlichen Arbeiten. Wissenschaft hat was mit "Nachweisen" und "Beweisen" zu tun. 

Vorsicht Fehlerquelle: "Ausdenken" ist nicht identisch mit "Beweisen". Verwechseln sehr viele.

Es gibt aber keine Studien in Sachen Cannabis, bei denen etwa 100 - 200 mg THC (also 0,5 - 1 Gramm starkes Gras oder wirklich starkes Gras) einmal, gelegentlich oder regelmäßig konsumiert und die Abbauzeiten von THC und THC COOH beobachtet wurden. Abgesehen davon bräuchte es für eine solche Studie eine ausreichend große Anzahl von Teilnehmern, damit die Studie statistisch verwertbar ist ("Stichprobe" nennt man das unter Statistikern). 

Eine Frage, die sich dem geneigten Betrachter "leicht" aufdrängen sollte / müsste:

Wie will man eigentlich Fragen zum Konsummuster und zum Konsumzeitpunkt bestimmen, wenn man gar keine wissenschaftlich belastbare Studie zur der Frage hat? Durch Rückgriff auf Jahrzehnte alte Studien, wo ca. 6 -12 x weniger THC verabreicht wurde als der Durchschnittskonsument heute -locker- zu sich nimmt? Durch Verklärung dieser Studien auf "aktuellste Studienergebnisse"?  Würde doch kein normaler Mensch machen, der etwas wissenschaftliche Ethik in sich spürt. Aber die Behörden (Führerscheinstellen) und Gerichte sehen das nicht so eng. Von den MPU Gutachterstellen mal ganz abgesehen.

Die Fragen nach der Nachweisbarkeit spielen natürlich eine große praktische Rolle. "Wann kann ich nach dem Konsum von Cannabis wieder fahren?" ist natürlich die Frage, die am meisten gestellt wird. Es gibt alte Studien, bei denen viel zu wenig Teilnehmern (=zu kleine Stichprobe) im Hinblick auf die heutigen Cannabis Sorten viel zu wenig THC verabreicht wurde (maximal 34 mg). 

Zur Frage des Nachweisbarkeits Zeitfenster von THC von gelegentlichen Konsumenten von Cannabis in den oben genannten Konsummengen (1-2 x Konsum von 0,5 - 1 Gramm hochqualitativen Cannabis / Woche) habe ich die Universitätsmedizin der Universität mal um eine gutachterliche Stellungnahme bemüht. Und in dieser hieß es:

Wir haben also gutachterlich festgestellt bekommen, dass es gar keine aktuellen Studien in Sachen von THC / THC COOH und dessen Abbauzeiten gibt.

Dass der Gutachter 100 bis 200 mg THC als "sehr hohe THC Dosen" bezeichnet, mag man ihm nachsehen. Nach meiner Kenntnis ist es dieser Tage nicht unüblich, dass solche Dosen konsumiert werden und das auch mehrmals pro Woche. 

Das bedeutet im Klartext:

  • Es ist nicht klar, wie lange ein THC Wert von 1,0 ng/ml in Blut / Urin nachgewiesen kann.
  • Es ist nicht klar, wie lange THC COOH in welcher Konzentration abhängig von Konsummuster und konsumierter Menge in Blut / Urin nachweisbar ist.

Das ist vollkommen unklar. Und dieses wissenschaftliche Niemandsland in Sachen Cannabis führt natürlich zu großen Problemen und Fragen:

  • Wie will man im Bußgeldrecht im Rahmen von § 24 a II StPO die Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässikgkeit rechtlich sauber vornehmen, wenn der Zeitfaktor des Konsumzeitpunkts hierfür das relevante Kriterium ist und man dem Beschuldigten nicht glaubt, er habe 4 Tage vor der Auffälligkeit im Verkehr letztmalig Cannabis konsumiert? Handelt man überhaupt noch fahrlässig, wenn man sich nach 4, 5, 6 Tagen oder einer Woche ins Auto setzt und der THC Wert noch 1,0 ng/ml beträgt? Wie will ein Gericht ohne jede aktuelle Studie zu der Frage hier "Recht" sprechen? Kommt "Recht" ohne Wissenschaft aus, ohne "Unrecht" zu werden? Wie soll das gehen? Kraft höherer überwissenschaftlicher Weihen der Verfahrensbeteiligten?
  • Wie will die Fahrerlaubnisbehörde angeblich wissenschaftlich abgesichert aus den THC COOH Wert auf ein Konsummuster schließen und dann etwa eine MPU anordnen oder wegen regelmäßigen Konsums direkt die Fahrerlaubnis entziehen? Wenn überhaupt nicht klar ist, ob der den regelmäßigen, d.h. täglichen oder beinahe täglichen Konsum (über einen Zeitraum von mehreren Monaten) angeblich beweisende Wert von 150 ng/ml THC COOH nicht einfach dem Konsum von 2 Gramm etwa von "Super Silver Haze" / "Jack Herer" / "Super Skunk" / "Amnezia Haze" nach langer Konsumpause an einem Festival Wochenende zuzuschreiben ist? Wie definiert sich hier das Wort "Recht"? Als "etwas, was ohne Wissenschaft auskommt und ohne Studien ein Ergebnis würfeln darf". Ist die Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen angeblich "regelmäßigen" Konsums dann "Recht" oder "Unrecht"?
  • Wie verhält es sich beim ärztlichen Gutachten nach Auffälligkeit im Verkehr oder wegen Besitzes von Cannabis, wenn beim Betroffenen mehr als 100 ng/ml THC COOH gemessen werden und dieser behauptet, er habe nur einmal konsumiert? Ist es "Recht", ihn der Lüge bezichtigen, obwohl mangels Studien nicht klar ist und sein kann, ob er die Wahrheit spricht oder nicht? Wie ist es im MPU Gutachten, bei dem ein Gutachter den regelmäßigen (täglichen oder beinahe täglichen) Konsum bei einem Betroffenen feststellt, der aber nur am Wochenende am Freitag und Samstag konsumiert und auch nicht jedes Wochenende? Ist es "Recht", den Betroffenen dann der Lüge zu bezichtigen, wenn er die Wahrheit über seinen Konsum sagt und dem Gutachter in seiner unwissenschaftlichen geistig unflexiblen Haltung nicht aufgeht, dass nicht sein Kunde lügt, sondern er selber, in dem er den Klienten der Lüge bezichtigt? Diese Fragen werden bei der Anfechtung von Gutachten sehr oft relevant und stoßen auf harten Widerstand bei den Begutachtungsstellen. Es gilt diesen zu brechen.
  • Kann "Recht" rechtens sein, wenn die entscheidenden Fragen wissenschaftlich nicht geklärt sind? Recht ohne Wissenschaft ist bestenfalls Karikatur. Ein schlechter Witz für die Betroffenen.

Sie sehen: Das Wort "Willkür" ist aus wissenschaftlicher Perspektive beinahe noch freundlich gewählt hinsichtlich des Umgangs der Behörden / Gerichte und Gutachterstellen mit diesen Fragen. Dabei ist es ganz einfach: Ohne Studien kann ich bestimmte Fragen nicht beantworten. Und muss im Zweifel davon ausgehen, dass zB ein THC COOH Wert eben nicht für einen regelmäßigen Konsum spricht, sondern völlig zwanglos auch durch einen Einmalkonsum erklärt werden kann. Und das gilt solange, bis das Gegenteil durch Studien bewiesen ist. 

Die direkte Folge einer solch edel-redlichen Einsicht in die eigene Unvollkommenheit und die der globalen Studienlage wären vermutlich: Weniger Verurteilungen wegen § 24 a Abs. II StVG mangels Nachweises zumindest fahrlässiger Tatbegehung, weniger Anordnungen einer MPU, weniger direkte Entziehungen, weniger negative Gutachten bei der MPU. Sie ahnen es aber schon: Das ist nicht gewollt. 

Also: In Sachen Cannabis und Abbauzeiten ist die Frage, wie lange was nachweisbar ist, nicht zu beantworten. Und zwar auch nicht als grobe Richtschnur mit Spielraum von 100 % von unten nach oben. Alles, was Sie dazu lesen, ist ausgedacht und nicht wahr. 

Wenn Sie also fragen, wieviele Tage Sie nach dem Konsum von Cannabis wieder ein PKW führen dürfen: Keine Ahnung. Studien dazu gibt es nicht. Aus dem Bauch heraus: 1 Woche. Mindestens.

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Sie wissen also jetzt: Fragen zur Abbauzeit von THC / THC COOH können nicht beantwortet werden. Es sei denn, mal will raten. ____________________________________________________________________________________________

So. Kommen wir zu den anderen BtM wie Kokain, XTC, Speed, Heroin, Crystal: Wenn schon laut Aussage des Gutachters von der Universitätsmedizin Mainz die kontrollierte Gabe von 100 / 200 mg THC an Studienteilnehmer an der Realität vorbei als "sehr hohe Dosis" eingeschätzt wird und entsprechene Studien wegen "ethischer Bedenken" nicht zu erwarten sind:

Was glauben Sie, wie viele Studien es gibt, bei denen einer ausreichend großen Zahl an Studienteilnehmern diese harten BtM verabreicht worden sind, um zu prüfen, wie lang sich der aktive Wirkstoff und die Abbaustoffe in Blut und Urin nachweisen lassen? Gibt es die Studie, wo sich 100 Probanden 1 oder 2 Lines bestes Kokain pro Tage reingezogen haben und oder sich einen Schuß gesetzt haben? Oder jeden Tag zum Frühstück einen bitteren Kaffee mit 100 mg MDMA als Upper getrunken haben?

Natürlich gibt es diese nicht. Und woher kommen dann die ganzen Zeitangaben? Stunden, Wochen und Monate? Aus der Phantasie. Aus der Kompetenzillusion, man könnte fehlende Studien durch ausgedachte Werte ersetzen. Sehr verbreitet bei Behörden und Gerichten.  Zur Methode erhobene Unmethode. Aber wissenschaftlich falsch bleibt falsch. Egal wie viele Gerichte veraltete Studien dort für anwendbar erklären, wo sich mangels Übertragbarkeit jede Anwendbarkeit verbietet.

Recht funktioniert nicht ohne saubere wissenschaftliche Methode. Leicht zu verstehen eigentlich. Und offenbar doch nicht leicht genug. Es ist nur noch als wissenschaftliche Schande zu verstehen, was im Verwaltungsrecht gängige Praxis ist im Hinblick auf die Bewertung von Abbauwerten von Drogen.

Man kommt deshalb leicht unter die Räder vor Gerichten und Verwaltungsbehörden und wird ebenso zum Spielball dieser wie man Spielball der MPU Stellen wird. Es kann nicht schaden, sich einen Anwalt zur Seite zu holen in diesen Fällen. 

Schreiben Sie mir gerne bei Bedarf.

Foto(s): mir

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