Die neue Erscheinungspflicht von Zeugen im Ermittlungsverfahren

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Mit der umfangreichen Reform der Strafprozessordnung im Jahr 2017 haben sich die Pflichten für Zeugen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geändert. Wenn es früher hieß, dass man polizeilichen Vorladungen als Zeuge in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht folgen muss, wurde dies durch die umfangreiche Neuregelung geändert.

Der alte § 163 Abs. 3 StPO wurde durch die neuen Abs. 3-7 ersetzt:

(3) Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Ersten Buches entsprechend. Die eidliche Vernehmung bleibt dem Gericht vorbehalten.

(4) Die Staatsanwaltschaft entscheidet

  1. über die Zeugeneigenschaft oder das Vorliegen von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten, sofern insoweit Zweifel bestehen oder im Laufe der Vernehmung aufkommen,
  2. über eine Gestattung nach § 68 Absatz 3 Satz 1, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen,
  3. über die Beiordnung eines Zeugenbeistands nach § 68b Absatz 2 und
  4. bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung des Zeugen über die Verhängung der in den §§ 51 und 70 vorgesehenen Maßregeln; dabei bleibt die Festsetzung der Haft dem nach § 162 zuständigen Gericht vorbehalten.

Im Übrigen trifft die erforderlichen Entscheidungen die die Vernehmung leitende Person.

(5) Gegen Entscheidungen von Beamten des Polizeidienstes nach § 68b Absatz 1 Satz 3 sowie gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 und 4 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten jeweils entsprechend. Gerichtliche Entscheidungen nach Satz 1 sind unanfechtbar.

(6) Für die Belehrung des Sachverständigen durch Beamte des Polizeidienstes gelten § 52 Absatz 3 und § 55 Absatz 2 entsprechend. In den Fällen des § 81c Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt § 52 Absatz 3 auch bei Untersuchungen durch Beamte des Polizeidienstes sinngemäß.

(7) § 185 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.

Wie die Regelung in der Praxis umgesetzt werden wird, muss sich in den nächsten Monaten und Jahren zeigen. Der Gesetzeszweck soll dabei in der Beschleunigung und der gesteigerten Effektivität im Strafverfahren liegen. Ob sich diese Ziele mit der getroffenen Regelung erfüllen lassen, gilt als sehr fraglich.

Welche Gefahren bestehen für einen Zeugen?

Besonders problematisch sind die Fälle, in denen ein mögliches Zeugnisverweigerungsrecht im Raum steht. Der Zeuge wird durch die neue gesetzliche Regelung nur zum Erscheinen bei der Vernehmung verpflichtet. Eine Verpflichtung, auch eine Aussage zu treffen, besteht nicht, soweit sich der Zeuge auf ein ihm zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht berufen kann. Die wichtigsten Zeugnisverweigerungsrechte liegen hier einerseits in der Verwandtschaft mit dem Beschuldigten, aber auch in dem Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen. Als Rechtsanwalt für Strafrecht kann ich Ihnen daher nur dringend anraten, sich vorher von mir beraten und sich von mir zum Termin begleiten zu lassen. Nur so können Sie sichergehen, dass auch bei den Ermittlungsbehörden Ihre Rechte gewahrt werden und sich nicht plötzlich das Blatt wendet und sie der Beschuldigte einer Straftat werden. Gerade in frühen Stadien des Ermittlungsverfahrens ist oft noch nicht klar, wer alles als Beschuldigter in Betracht kommt. Oft sind die strafrechtlichen Tatbestände so komplex, dass Sie selbst gar nicht exakt überblicken, ob Sie sich durch ein Verhalten in der Vergangenheit möglicherweise strafbar gemacht haben.

Was passiert, wenn ich der Vernehmung fernbleibe?

Die neue Regelung im § 163 IV Nr. 4 StPO verweist auf die §§ 51 und 70 StPO. Es werden damit eine Reihe von Sanktionsmöglichkeiten geboten, um die neu eingeführte gesetzliche Pflicht auch entsprechend durchzusetzen. Der Staatsanwaltschaft steht es dabei zu, bei Ausbleiben des Zeugen ein Ordnungsgeld festzusetzen oder auch eine zwangsweise Vorführung anzuordnen. Dem zuständigen Ermittlungsgericht ist es auch möglich, Ordnungs- oder Erzwingungshaft anzuordnen. Zusammenfassend kann man sagen, dass den Ermittlungsbehörden umfangreiche Erzwingungsmittel an die Hand gelegt wurden. Voraussetzung für diese Erzwingungsmittel ist jedoch eine ordnungsgemäße Ladung, die ich gerne für Sie prüfen kann.

Wer darf alles bei der Vernehmung anwesend sein?

Bei der Zeugenvernehmung bleibt es bei der bestehenden Regelung, dass weder der Beschuldigte noch sein Verteidiger ein kodifiziertes Anwesenheitsrecht haben. Der leitende Vernehmungsbeamte kann jedoch der Teilnahme des Verteidigers zustimmen. Als Zeuge haben Sie das Recht, sich eines anwaltlichen Zeugenbeistands zu bedienen, dessen Anwesenheit dann auch während der Vernehmung gestattet ist. Es bietet sich hier aus praktischen Gesichtspunkten an, die Teilnahme des Zeugenbeistands vorher bei den Behörden anzuzeigen.

Zusammenfassung der neuen Regelung

Die neue Pflicht zum Erscheinen bei einer Vorladung zur Zeugenvernehmung wird zunächst die Behörden vor eine große Herausforderung stellen, da die Anzahl der Vernehmung sich deutlich erhöhen wird. Es ist dabei auch zu erwarten, dass die grundsätzliche Dauer der Ermittlungsverfahren sich eher verlängert und daher auf keinen Fall von einer Beschleunigung im Verfahren durch die neue Regelung auszugehen ist. Weiter wird sich erst eine Praxis einspielen müssen, inwiefern man die möglichen Zwangsmaßnahmen gegen Fernbleiben der Zeugen tatsächlich anwendet. Für die Zeugen selbst besteht natürlich stets die Gefahr, sich oder die Angehörigen in einer solchen Vernehmung schwer zu belasten. Es bleibt daher dringend zu empfehlen, dass man sich rechtzeitig von einem Rechtsanwalt für Strafrecht beraten und gegebenenfalls begleiten lässt.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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