Die Rolle des Opferanwalts im deutschen Strafverfahren – Reformvorschläge der EU-Kommission

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Einleitung

Das deutsche Strafrechtssystem ist primär darauf ausgerichtet, Straftaten zu ahnden und die Allgemeinheit zu schützen. Doch was ist mit den Opfern dieser Straftaten? Hier kommt der Opferanwalt ins Spiel – eine spezialisierte Rechtsfigur, die die Interessen der Opfer im Strafprozess vertritt. Die Notwendigkeit und der Nutzen eines Opferanwalts wurden kürzlich durch einen Gesetzesentwurf der EU-Kommission unterstrichen, in dem die Rechte der Opfer im Strafprozess gestärkt wurden.

Was macht ein Opferanwalt?

Ein Opferanwalt, auch bekannt als Nebenklagevertreter, ist ein Rechtsbeistand, der die Opfer von Straftaten vertritt. Zu seinen Aufgaben gehören:

  1. Rechtliche Beratung und psychologische Unterstützung: Opferanwälte informieren ihre Mandanten über ihre Rechte und unterstützen sie dabei, den oft belastenden Prozess des Strafverfahrens zu bewältigen.
  2. Vertretung im Strafprozess: Sie vertreten die Interessen des Opfers vor Gericht, stellen Anträge, nehmen an der Beweisaufnahme teil und dürfen Fragen an Zeugen und den Angeklagten stellen.
  3. Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld: Opferanwälte helfen dabei, Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend zu machen.
  4. Prozessbegleitung: Sie begleiten das Opfer zu allen Terminen und stellen sicher, dass seine Stimme gehört wird.
  5. Anspruch auf Prozesskostenhilfe: In bestimmten Fällen können Opferanwälte für ihre Mandanten Prozesskostenhilfe beantragen.

Warum ist ein Opferanwalt sinnvoll?

Der Gesetzentwurf hat gezeigt, dass die aktive Teilnahme von Opferanwälten an Strafverfahren nicht nur die Rechte der Opfer stärkt, sondern auch zu einer umfassenderen Aufklärung von Straftaten beitragen kann. 

Ein Opferanwalt sorgt dafür, dass:

  • Die Perspektive des Opfers im Verfahren angemessen vertreten ist.
  • Das Opfer nicht durch das Verfahren zusätzlich traumatisiert wird.
  • Die Interessen des Opfers bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.
  • Die Opfer von Straftaten eine Stimme erhalten und nicht zu bloßen Zeugen degradiert werden.

Aktuelle Reformvorschläge und ihre Bedeutung

Die Europäische Union arbeitet daran, Menschen, die Opfer von Straftaten geworden sind, mehr Unterstützung und bessere Hilfe zu bieten. Die EU-Kommission hat Pläne vorgestellt, um die Rechte und die Unterstützung für diese Opfer zu stärken. Ziel ist es, ihnen einen leichteren Zugang zu wichtigen Informationen, Gerechtigkeit und Entschädigung zu ermöglichen.

Eine wichtige Neuerung ist die Einführung einer gebührenfreien Telefonnummer (116 006), die in der gesamten EU gelten soll. Opfer von Straftaten können diese Nummer anrufen, um Hilfe und Informationen zu erhalten. Zusätzlich soll kostenlose psychologische Betreuung angeboten werden, um Opfern in schwierigen Zeiten beizustehen.

Věra Jourová (Kommissionsvizepräsidentin) betont, dass etwa 75 Millionen Menschen in der EU jährlich Opfer von Straftaten werden und dass diese Menschen umfassenden Schutz und volle Unterstützung verdienen. Die EU möchte mit einem neuen Maßnahmenpaket dafür sorgen, dass alle Opfer, besonders diejenigen, die besonders schutzbedürftig sind, besser unterstützt werden.

Die Reform sieht vor, dass:

  • Opfer besser über ihre Rechte informiert werden.
  • Eine Hotline und eine umfangreiche Website mit Chat- und E-Mail-Funktion eingerichtet werden.
  • Spezielle Schutzmaßnahmen für schutzbedürftige Opfer, wie Kinder oder Menschen mit Behinderungen, verbessert werden.
  • Opfer individuelle Hilfe bekommen, zum Beispiel kostenlose psychologische Unterstützung.
  • Der Zugang zur Justiz erleichtert wird, indem Opfer mehr Unterstützung vor Gericht erhalten.
  • Opfer nach einem Urteil sofort Entschädigung erhalten können, ohne ein separates Verfahren starten zu müssen.

Diese geplanten Änderungen basieren auf der Überprüfung der bestehenden Opferschutzrichtlinie von 2012 und der EU-Strategie für die Rechte von Opfern 2020-2025. Sie zeigen das Engagement der EU, den Schutz und die Unterstützung für Opfer von Straftaten stetig zu verbessern.

Dieser Entwurf ist ein Meilenstein für die Stärkung der Opferrechte und unterstreicht die Wichtigkeit, als Opfer von Straftaten einen qualifizierten Opferanwalt an seiner Seite zu wissen.

Fazit

Die Vertretung durch einen Opferanwalt kann für die Wahrung der Rechte und Interessen von Opfern im Strafverfahren entscheidend sein. Sie bietet nicht nur rechtlichen Beistand, sondern auch menschliche Unterstützung in einer oft schwierigen Lebensphase.

Ihr Rechtsanwalt und Strafverteidiger/Opferanwalt

Christian Keßler

(Dieser Artikel dient allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Jeder Fall ist einzigartig, und die hier dargestellten Informationen können sich ändern. Für eine persönliche Beratung sollte stets ein qualifizierter Rechtsanwalt konsultiert werden. Die Bezugnahme auf ein aktuelles Urteil dient der Veranschaulichung und bedeutet nicht, dass dies auf alle Fälle anwendbar ist.)


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