Die selbständige Tätigkeit innerhalb und außerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens
- 3 Minuten Lesezeit
Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer selbständig oder freiberuflich tätigen Person bedeutet nicht das Ende ihrer beruflichen Selbstständigkeit. Es besteht die Möglichkeit der Fortsetzung der Tätigkeit entweder innerhalb oder außerhalb des Insolvenzverfahrens (hierüber muss der Insolvenzverwalter entscheiden). Im praktisch häufig vorkommenden Fall Freigabe durch den Insolvenzverwalter trägt der Schuldner selbst alle Kosten und behält alle Umsätze, muss aber monatliche Zahlungen an die Insolvenzmasse leisten, die auf der Basis einer (unterstellten) abhängigen Beschäftigung berechnet werden, unabhängig vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg seiner selbstständigen Tätigkeit.
Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Menschen eröffnet, der zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung eine selbständige/freiberufliche Tätigkeit ausübt, stellt sich für den betroffenen Insolvenzschuldner häufig die Frage: wie geht es jetzt weiter?
Ein schlichter Mythos ist die bisweilen zu hörende Aussage, dass eine selbständige Tätigkeit im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht möglich oder sogar "verboten" sei. Das stimmt nicht! Vielmehr ist es so, dass sich für den Insolvenzverwalter die Frage stellt, ob die bereits bestehende selbständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners innerhalb oder außerhalb des Insolvenzverfahrens fortgeführt werden soll, wenn der Insolvenzschuldner die Fortführung möchte. Möchte der Schuldner (eigene Entscheidung!) die selbständige Tätigkeit von sich aus nicht fortführen, dann wird der Insolvenzverwalter alle Gegenstände, die zur Einzelunternehmung gehören, einer Verwertung zuführen und die Erlöse in der Insolvenzmasse ansammeln.
Möchte aber der Insolvenzschuldner "seine/ihre" selbständige Tätigkeit fortführen, so ist der Insolvenzverwalter zur Entscheidung berufen, ob diese selbständige Tätigkeit innerhalb oder außerhalb des Insolvenzverfahrens fortgeführt werden soll. Beide Varianten sollen im Rahmen dieses Rechtstipps einmal kurz vorgestellt werden:
1. Fortführung im Rahmen des Insolvenzverfahrens:
Möchte der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit innerhalb des Insolvenzverfahrens fortführen, so stehen der Insolvenzmasse alle Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners zu, allerdings hat die Insolvenzmasse auch alle betriebsbedingten Kosten zu tragen. Es stellt sich dann die Frage, wovon der Schuldner "leben" soll. Hier regelt § 100 InsO, dass dem Schuldner Unterhalt aus der Insolvenzmasse zu gewähren ist, über dessen Höhe in der Regel die Gläubigerversammlung (auf Vorschlag des Insolvenzverwalters) zu entscheiden hat. Je nach Ertragskraft der Tätigkeit, Spezialisierung des Insolvenzschuldners und auch dessen Chancen auf dem Arbeitsmarkt kann die Höhe des Unterhalts im Einzelfall sehr unterschiedlich ausfallen.
2. Freigabe der selbständigen/freiberuflichen Tätigkeit:
Der statistisch sicherlich häufigere Fall ist der, dass der Schuldner seine selbständige/freiberufliche Tätigkeit gerne weiterführen möchte, der Insolvenzverwalter hier aber ein (zu großes) Risiko für die Insolvenzmasse erkennt und daher dem Schuldner anbietet, diese Tätigkeit aus der Insolvenzmasse freizugeben. Die Freigabe erfolgt durch ein einfaches Schreiben des Insolvenzverwalters gegenüber dem Schuldner, in dem dieser die "Freigabe der selbständigen/freiberuflichen Tätigkeit" aus der Insolvenzmasse erklärt, § 35 Abs. 2 InsO.
Aufgrund einer solchen Freigabe ist dann der Insolvenzschuldner verpflichtet alle Kosten der selbständigen Tätigkeit selbst zu tragen, allerdings stehen ihm auch alle Umsätze zu; der Insolvenzschuldner trägt also die unternehmerischen Chancen und Risiken unmittelbar nach der Freigabe wieder selbst. Neue Schulden sind nicht von der Insolvenz erfasst!
Unabhängig davon, wie ertragreich die selbständige Tätigkeit ist, verpflichtet sich der Schuldner außerdem, die Insolvenzmasse durch monatliche Zahlungen so zu stellen, als wäre er eine seinem Ausbildungsstand angemessene abhängige Beschäftigung eingegangen.
Die Zahlungen, die der Insolvenzschuldner bei einer freigegebenen selbständigen Tätigkeit also monatlich an die Insolvenzmasse zu leisten hat, haben also NICHTS mit dem wirtschaftlichen Erfolg/Misserfolg dieser Tätigkeit zu tun, sondern bemessen sich an einer "gedachten" angestellten (angemessenen) Tätigkeit des Insolvenzschuldners.
Hier ein Beispiel: der Schuldner ist gelernter Kfz-Mechatroniker und hat keine unterhaltsberechtigten Personen. Der Insolvenzschuldner sich eine selbständige Tätigkeit als Handelsvertreter aufgebaut, die er gerne auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter betreiben möchte. Davon verspricht er sich "mehr", als wenn er wieder in seinen "alten Beruf" als Kfz-Mechatroniker zurückkehren würde. Unterstellt, ein ausgebildeter Kfz-Mechatroniker verdiente monatlich durchschnittlich 1.860 EUR netto, so würde sich vorliegend ein pfändbarer Betrag in Höhe von 257,78 EUR (Pfändungstabelle Stand: 07/2024) zugunsten der Insolvenzmasse ergeben. Entsprechend wird der Insolvenzverwalter die Freigabe der selbständigen Tätigkeit gegenüber dem Schuldner unter der Prämisse erklären, dass dieser monatlich einen Betrag von 260,00 EUR an die Insolvenzmasse abführt. Dieser Betrag ist dann vom Insolvenzschuldner gänzlich unabhängig vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit zu entrichten (erzielt der Insolvenzschuldner einen monatlichen Überschuss nach Steuern von 5.000,00 EUR muss er gleichwohl "nur" 260,00 EUR zur Insolvenzmasse abführen; erzielt er aber in einem anderen Monat keinen Überschuss oder erwirtschaftet sogar einen Verlust, muss er gleichwohl die 260,00 EUR an die Insolvenzmasse bezahlen, will er nicht seine Obliegenheiten im Insolvenzverfahren verletzen.
Artikel teilen: