Die Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung

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Kündigungen wegen Eigenbedarfs sind ein aktuelles Thema für Mieter und Vermieter. Aus Mietersicht ist sie der „wunde Punkt" des eher mieterfreundlichen deutschen Mietrechts. Mehr Immobilienkäufe führen regelmäßig auch zu einem Anstieg von Eigenbedarfskündigungen. Hier werden die wichtigsten Fragen rund um die Eigenbedarfskündigung beantwortet.

1. Was ist Eigenbedarf? Für wen gilt er?

2. Wann gilt eine Sperrfrist?

3. Form und Frist der Eigenbedarfskündigung beachtet?

4. Freie Alternativwohnung angeboten?

5. Liegt ein Härtefall zugunsten des Mieters vor?

1. Was ist Eigenbedarf? Für wen gilt er?

Eigenbedarf ist gegeben, wenn der Vermieter seine Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder für Angehörige seines Hausstands in nachvollziehbarer Weise benötigt. Der nachvollziehbare Wunsch nach einer größeren Wohnung (z.B. bei Kinderwunsch) oder nach einem Arbeitszimmer reicht regelmäßig aus.

Außer für sich selbst kann der Vermieter Eigenbedarf geltend machen für Kinder, Enkelkinder, Geschwister, Kinder der Geschwister (Nichten und Neffen 1. Grades). Für Nichten und Neffen 2. Grades kann Eigenbedarf nur in besonderen Fällen geltend gemacht werden, etwa wenn der Neffe 2. Grades gleichzeitig Patenkind ist und eine besonders enge familiäre Bindung besteht

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann für Ihre Mitglieder Eigenbedarf geltend machen. Häufiger Fall: die Erbengemeinschaft. Eine juristische Person kann keinen Eigenbedarf haben. Eine Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) kann keinen Eigenbedarf für die Anteilseigner geltend machen.

Der Vermieter darf den Eigenbedarf nicht nur „vorschieben". Wenn der Vermieter den Eigenbedarf nur vorgibt, ohne ihn tatsächlich zu haben, ist die Eigenbedarfskündigung unwirksam.

2. Wann gilt eine Sperrfrist?

Manche Mieter sind durch eine gesetzliche Sperrfrist vor einer Eigenbedarfskündigung geschützt. Die Sperrfrist, die von 3-10 Jahren reichen kann, ist von Ort zu Ort unterschiedlich.

Der Mieter kann durch die Sperrfrist vor der Eigenbedarfskündigung geschützt sein, wenn:

1. der Mieter die Wohnung angemietet hat, als die Wohnung (noch) keine Eigentumswohnung war;

2. das Wohnungseigentum erst während der Mietzeit des Mieters begründet wurde;

3. eine im Gesetz festgelegte Sperrzeit von 3 Jahren seit der 1. Veräußerung des Wohnungseigentums noch nicht um ist;

4. und wenn eine von der Landesregierung verlängerte Sperrzeit (Höchstdauer 10 Jahre nach der 1. Veräußerung) für den Bezirk gilt, in dem die Wohnung liegt. Diese (verlängerte) Sperrfrist darf ebenfalls nicht abgelaufen sein.

Beispiel Berlin:

In folgenden Bezirken gilt seit dem 1.9.2011 eine von der Berliner Landesregierung festgelegte 7-Jährige Sperrfrist:

  • Mitte
  • Charlottenburg-Wilmersdorf
  • Friedrichshain-Kreuzberg
  • Pankow
  • Steglitz-Zehlendorf

Für Mieter und Vermieter dieser Bezirke gilt folgendes Beispiel: Ein Mieter, der seit dem 1.12.2005 in einer Wohnung lebt, an der am 1.12.2006 Wohnungseigentum geschaffen wurde, darf wegen der verlängerten Sperrfrist bis zum 1.12.2013 trotz einer Eigenbedarfskündigung in seiner Mietwohnung bleiben. Erst nach dem 1.12.2013 wäre eine Eigenbedarfskündigung bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen möglich.

3. Form und Frist der Eigenbedarfskündigung beachtet?

Eine Eigenbedarfskündigung hat strenge Formvoraussetzungen.

Grundsätzlich gilt: Alle Gründe der Eigenbedarfskündigung müssen vollständig im Kündigungsschreiben enthalten sein. Im nachfolgenden Gerichtsverfahren darf sich der Vermieter grundsätzlich nur auf die Gründe und Argumente stützen, mit denen er die Eigenbedarfskündigung im Kündigungsschreiben begründet hat.

Nach der neueren Rechtsprechung darf der Vermieter seinen Eigenbedarf „hochspielen" bzw. „übertrieben" darstellen (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.3.2010, Aktenzeichen: VIII ZR 70/09). Das macht das Kündigungsschreiben deshalb nicht formunwirksam.

Welche Kündigungsfrist gilt?

Eine Eigenbedarfskündigung ist eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Es gelten die gesetzlichen Fristen für die ordentliche Kündigung.

Bei Mietverhältnissen über unbestimmte Zeit gilt, wenn das Mietverhältnis noch keine 5 Jahre bestanden hat: Eine Kündigung ist möglich spätestens bis zum 3. Werktag eines Monats zum Ende des übernächsten Monats.

Beispiel: Eine zum 28.2.2012 wirksame Kündigung muss dem Mieter bis zum 3. Werktag im Dezember 2011 zugehen.

Was aber, wenn der 3. Werktag ein Samstag ist? Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Samstag für den rechtzeitigen Zugang einer ordentlichen Wohnraumkündigung nicht zu berücksichtigen. Eine zum 28.2.2012 ausgesprochene Kündigung wäre demnach noch bis zum 5.12.2012 möglich.

Für den Vermieter verlängert sich die Kündigungsfrist nach 5 und nach 7 Jahren nach Überlassung des Wohnraums an den Mieter um jeweils 3 Monate.

Beispiel: Falls der Mieter z.B. vor dem 1.12.2006 in die Wohnung gezogen ist, kann ein Mietverhältnis mit einem bis zum 5.12.2011 zugegangenen Kündigungsschreiben nur zum 30.6.2012 gekündigt werden. Wenn der Mieter vor dem 1.12.2004 eingezogen ist, darf mit einem Kündigungsschreiben, welchen am 5.12.2011 zugeht, nur zum 30.9.2012 gekündigt werden.

4. Freie Alternativwohnung angeboten?

Vor einer Eigenbedarfskündigung muss der Vermieter dem Mieter unter Umständen eine seiner anderen, zur Vermietung freien Alternativwohnung zu vergleichbaren Mietkonditionen anbieten. Falls nicht, kann die Eigenbedarfskündigung unwirksam sein.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Vermieter dem Mieter eine zwischen Zugang des Kündigungsschreibens und Auszug des Mieters in seinem Anwesen frei gewordene vergleichbare Alternativwohnung anbieten. Tut er dies nicht, ist die Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig.

Nach einer Auffassung kann der Vermieter dazu verpflichtet sein, eine frei gewordene Wohnung bereits dann dem Mieter anzubieten, wenn die Gründe für den Eigenbedarf gegeben sind und sich der Vermieter zur Eigenbedarfskündigung entschließt. Dadurch wird der Zeitraum, in denen der Vermieter eine vergleichbare Wohnung anbieten muss, erheblich erweitert. In der Praxis dürften sich aber Beweisprobleme ergeben.

Wenn der Vermieter dazu verpflichtet ist, eine freie Alternativwohnung anzubieten, muss er die Wohnung dem Mieter zu vergleichbaren Mitbedingungen - also auch zu einem vergleichbaren Mietpreis - anbieten. Eine Vergleichbarkeit der Wohnungen darf nicht von vornherein ausscheiden. Die freie Alternativwohnung muss für eine Benutzung der Mieter in Frage kommen. Einem 2-Personen-Haushalt muss der Vermieter sicherlich nicht eine 1-Zimmer-Wohnung oder eine 5-Zimmer Dachetagenwohnung anbieten.

5. Liegt ein Härtefall zugunsten des Mieters vor?

Für manche Mieter greift bei Eigenbedarfskündigungen eine gesetzliche Sozialklausel. Der Mieter kann der Kündigung widersprechen, wenn dies für ihn oder seine Familie einen Härtefall bedeutet.

Die Härtegründe (meist Alter, Krankheit und/oder Behinderung) müssen mit den Interessen des Vermieters am Eigenbedarf an seiner Wohnung abgewogen werden. Deshalb sind Härtefälle grundsätzlich vom Einzelfall abhängig.

Beispiele aus der Rechtsprechung:

Härtefall

30-jähriges Mietverhältnis, 80-Jähriger nahezu erblindeter im Haushalt wohnender Ehepartner (Kammergericht Berlin, Urteil vom 6.5.2004, Aktenzeichen: 8 U 288/03).

Erhebliche Behinderung (Autismus) eines im Haushalt wohnenden Kindes (LG Aachen, Urteil vom 28.9.2005, Aktenzeichen: 7 S 66/05).

Kein Härtefall

Geheilte Krebserkrankung und zu erwartende kurzzeitige durch den Umzug verursachte schwere Depression eines 69-Jährigen (AG Hamburg, Urteil vom 4.8.2009, Aktenzeichen: 49 C 100/08).

Generell gilt dass die Rechtsprechung einen Härtefall nur unter sehr außergewöhnlichen Umständen annimmt.

Form: Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen.

Frist: Der Widerspruch des Mieters muss dem Vermieter spätestens 2 Monate vor dem Ende des Mietverhältnisses zugehen.

Der Vermieter muss den Mieter auf diese Frist und auf die Schriftform rechtzeitig vor Ablauf der Frist hinweisen. Falls der Vermieter hierauf nicht rechtzeitig hinweist, kann der Mieter den Widerspruch noch im ersten Termin eines nachfolgenden Räumungsrechtsstreits erklären.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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