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Digitale Kanzlei – Ein Segen für Mandant und Anwalt

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Deutschland – Land der Aktenordner und Faxgeräte. Insbesondere im öffentlichen Sektor scheinen diese Relikte vergangener Zeiten tief in der behördlichen DNA verankert. Aber auch in Kanzleien beherrscht das echte Papier vielerorts noch den Arbeitsalltag.

Dabei könnte alles so viel zeit- und kosteneffizienter gestaltet werden. Von einer digitalen Mandatsbearbeitung profitiert in letzter Konsequenz immer auch der Mandant.

Im Folgenden ein Weckruf.

Digitales Entwicklungsland

Bis Ende 2022 möchte – oder muss man realistisch schon sagen: wollte? – die Bundesregierung 500 Verwaltungsvorgänge digitalisieren. Stand August 2021 waren es nicht einmal deren 100. Experten schätzen, dass der deutsche Behördenapparat in Sachen Digitalisierung um bis zu 30 Jahre hinterherhinkt.

Nennen wir es beim Namen: Es ist ein Trauerspiel. Und hierbei geht es nicht um oberlehrerhaftes Prinzipiengehabe. Die rückständige Arbeitsweise verschwendet schlicht Steuergelder in wohl nicht allzu geringer Höhe. Ganz zu schweigen vom wenig umweltfreundlichen Aspekt, wenn weiterhin für jede simple behördliche Mitteilung der analoge Postversand das Mittel der Wahl ist.

Aber auch viele Kanzleien scheinen die digitale Arbeitsweise zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Freilich muss man hier Nachsicht haben mit Kolleginnen und Kollegen in Altersklassen, die noch im analogen Zeitalter sozialisiert worden sind. Wenn da der „Digital Native“ direkt mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommt, wäre das bloß seiner überbordenden Arroganz und fehlenden Empathie geschuldet.

Andererseits erscheint es aber auch wenig nachvollziehbar, wenn jene „Digital Natives“ die etwas „traditionsbewussteren“ Kollegen in aller Sachlichkeit etwa auf die Vorteile einer digitalen Mandatsbearbeitung hinweisen und dann die in diesem Kontext häufig vernehmbare sinngemäße Aussage ernten:

„Wir haben das schon immer so gemacht. Es hat schon immer so funktioniert. Also machen wir es auch weiter so. Punkt.“

Denn – so überheblich auch das Folgende in seiner Absolutheit klingen mag – man muss kein Prophet sein, um zu prophezeien: Wer sich dem digitalen Zeitgeist nicht öffnet, wird über kurz oder lang das Nachsehen haben.

Wenn der digitale Mandant auf den analogen Anwalt trifft

So werden auch die Mandanten die Vorzüge einer digitalen Mandatsbearbeitung mehr und mehr zu schätzen wissen, wenn sie dies nicht bereits heute tun.

Mag das pompöse Büro, das in großer Zahl besetzte (analoge) Sekretariat und das edle (analoge) Kanzleipapier für manch Mandanten noch Ausdruck von Seriosität und Qualität sein, wird auch die Mandantschaft dahingehend immer (preis-)sensibler.

Denn der Mandant von morgen – und oft auch schon der von heute – wird mitunter wenig Verständnis dafür haben, wenn sich der Schriftverkehr über Wochen hinzieht, nur weil der antiquierte Rechtsanwalt weiter darauf setzt, jedwedes Schreiben ausdrucken (kostet Zeit und Geld), durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einen Briefumschlag verfrachten zu lassen (kostet Zeit und Geld), diesen Brief der Post zu übermitteln (kostet Zeit und Geld), die wiederum den Brief dem Empfänger in den Briefkasten legt (kostet Zeit und Geld).

Anstatt – oh Du Wunder der Technik – eine (verschlüsselte) E-Mail zu versenden, die in quasi Echtzeit beim Empfänger ankommt.

Man könnte dutzende weiterer Beispiele nennen, die mitunter schon von tragisch-komischer Gestalt sind.

Freilich ist es manches Mal aufgrund gesetzlicher Vorgaben bzw. der vorgenannten fehlenden Digitalisierung der Gerichte und Behörden nicht anders möglich, als weiterhin auf Brieftaube und Fax zu setzen. Aber auch damit wird es einmal sein Bewenden haben.

In puncto Gerichte vielleicht schon ab dem 01.01.2022. Ab diesem Datum sind Anwältinnen und Anwälte jedenfalls grundsätzlich verpflichtet, auf elektronischem Wege mit den Gerichten zu kommunizieren.

Schmankerl aus der Praxis 

An dieser Stelle noch zwei bezeichnende Schmankerl:

Jüngst bekundete ein Anbieter, der den Fax-Versand über „Online-Wege“ anbietet, dass 80 Prozent seiner diesbezüglichen Kunden Rechtsanwälte seien. Das sollte doch zu denken geben…

Ferner berichtete ein erfolgreicher Kanzleilenker, dass die analogen Aktenordner in seinen Kanzleiräumlichkeiten irgendwann derart überhandnahmen, dass man zuweilen den Überblick verlor bzw. Aktenordner nur noch nach zeitaufwendiger Suche wiederfand.

Man informierte sich folglich zwecks Optimierung dieser Prozesse und stieß dabei u.a. auf die Möglichkeit, die Kanzleiräume mit einer Art Ortungssystem und jeden Aktenordner mit einem „Tracking-Chip“ zu versehen.

Zwar kann man dieser Methodik ihren Charme nicht absprechen. Gleichwohl erkannte der Kanzleilenker die Zeichen der Zeit und stellte stattdessen die analoge Aktenführung gänzlich auf eine digitale E-Akte um.

Nunmehr bedarf es zum einen keiner zusätzlichen Räumlichkeiten zur analogen Aktenaufbewahrung. Und zum anderen muss nicht in das kostspielige Tracking-System investiert werden. Stattdessen spielt sich fortan alles in der platz- und geldressourcenschonenden E-Akte ab.

Selbstredend darf auch hier nicht verkannt werden, dass die Umstellung von analoger Akte hin zur E-Akte selbst manch „Digital Native“ nicht direkt in Fleisch und Blut übergehen mag. Aber nach einer gewissen Zeit der Umstellung und Eingewöhnung werden selbst die größten Skeptiker des Digitalen bzw. die Hardcore-Fans von „echtem Papier“ ehrlich und nüchtern konstatieren müssen: ‚OK, zahlt sich aus‘.

Video-Call statt Parkplatzsuche

Nebst der unmittelbaren Aktenbearbeitung hält das digitale Zeitalter weitere Vorteile für die Mandatsbearbeitung bereit. Viele Kunden und Mandanten möchten ihre – insbesondere die eher lästigen – Arbeiten schnell auf dem „kurzen Dienstweg“ vom heimischen Schreibtisch weg abgewickelt wissen. Warum also für das Gespräch mit dem Anwalt extra raus aus dem Haus, rein ins Auto, Anreise, ggf. Parkplatzssuche, etc.?

Insbesondere Corona hat dahingehend vielen Menschen die Augen geöffnet: „Zoom, Teams und Skype ist ja (fast) wie vis-à-vis im Büro“, werden sich einige gedacht haben.

Freilich: Wenn es etwa um eine Erbstreitigkeit oder Strafsache geht, mag es einleuchten, wenn Mandanten weiter den ganz persönlichen Draht zum Anwalt haben möchten. Aber wenn es um den gewöhnlichen Autounfall mit überschaubarem Schaden oder das Löschbegehren hinsichtlich einer ungerechtfertigten Google-Bewertung geht, hält der technische Status quo doch häufig effizientere Möglichkeiten bereit.

Auch hier gilt wieder: Spart Zeit, spart Geld.

Überdies sind Rechtsuchende nicht mehr auf den (vermeintlichen) Rechtsexperten aus dem örtlichen Umfeld beschränkt, sondern können auch mal den (wirklichen) Fachmann aus dem 500 km entfernten Hintertupfingen konsultieren, sofern einer Online-Rechtsberatung nicht ausnahmsweise praktische Erwägungen entgegenstehen.

Ob analog, ob digital – Der Mandant trifft die Wahl

In Summe lässt sich sagen, dass selbstredend auch die weitgehend analog aufgestellten Vertreter der Anwaltszunft weiter ihre Daseinsberechtigung haben. Es werden sich aber all Jene, die sich der Digitalisierung beharrlich verschließen, nicht wundern dürfen, wenn die Mandanten auf lange Sicht mehr und mehr ausbleiben.

Um den Weckruf mit einer plakativen Frage warnenden Charakters enden zu lassen: Wo findet man heute eigentlich noch eine (analoge) Videothek?


RA Robin Noconwww.nocon-recht-digital.de


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