Diskriminierende Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam

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Grundsatz: Kündigungen sind im Kleinbetrieb und während der ersten sechs Monate wirksam

In Betrieben mit 10 oder weniger Mitarbeitern gibt es grundsätzlich keinen Kündigungsschutz; der Arbeitgeber kann also die Arbeitsverhältnisse mit seinen Mitarbeitern aus nahezu jedem beliebigen Grund wirksam kündigen. Das Gleiche gilt für alle Betriebe, unabhängig von deren Größe, innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses (sogenannte Wartefrist). In der Regel lohnt es sich in diesen Fällen nicht, gegen die Kündigung zu klagen. Der gekündigte Arbeitnehmer müsste nämlich die Treuwidrigkeit der Kündigung erfolgreich darlegen und nachweisen (vgl. BAG 6 AZR 533/08), was ihm nur schwerlich gelingen wird.

Ausnahme: Es liegen Indizien für eine Diskriminierung vor

Aber bekanntlich gibt es keine Regel ohne Ausnahme. Das Einfallstor für den Arbeitnehmer ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, abgekürzt AGG:

Durch dieses Gesetz sollen Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindert oder beseitigt werden (§ 1 AGG). Beschäftigte, also insbesondere Arbeitnehmer, dürfen nicht wegen eines solchen Grundes benachteiligt werden, sogenanntes Diskriminierungsverbot (§ 7 AGG). Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mit Urteil vom 19.12.2013 (ger. Az.: 6 AZR 190/12) entschieden, dass eine Kündigung dann rechtsunwirksam ist, wenn ihr eine Diskriminierung des Arbeitnehmers nach dem AGG zugrunde liegt. Und jetzt kommt der Clou: Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines dieser Gründe vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Mit anderen Worten: Gelingt es dem Arbeitnehmer, Indizien für eine Diskriminierung durch die Kündigung darzulegen, hat auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb bzw. während der Wartefrist ein ziemlich großes Problem: Er muss nämlich jetzt auf einmal beweisen, dass seine Kündigung nicht diskriminierend war, sie vielmehr ausschließlich aus AGG-konformen Gründen erfolgte.

Die BAG-Entscheidung

So zumindest hat es das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Juli 2015 – ger. Az.: 6 AZR 454/14 – entschieden. Die Entscheidung liegt derzeit nur als Pressemitteilung vor; in dem Fall hatte der Arbeitgeber, eine ärztliche Gemeinschaftspraxis, seiner langjährigen Arzthelferin gekündigt und in dem Kündigungsschreiben darauf hingewiesen, dass sie inzwischen „pensionsberechtigt“ sei. Hierin sah die gekündigte Arzthelferin eine Diskriminierung aus Gründen des Alters, weshalb sie Kündigungsschutzklage erhob. Dem Arbeitgeber gelang es nicht, nachzuweisen, dass kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorlag, weshalb das Bundesarbeitsgericht die Kündigung für unwirksam hielt. Aus rechtlicher Sicht ist die Entscheidung meines Erachtens falsch; im entschiedenen Fall dürfte die unterschiedliche Behandlung gemäß § 10 AGG zulässig gewesen sein.

Konsequenzen für Arbeitgeber:

Als Arbeitgeber sollten Sie auch beim Ausspruch von Kündigungen im Kleinbetrieb bzw. in der Wartefrist unbedingt den Eindruck vermeiden, die Kündigung erfolge aus einem der in § 1 AGG genannten Gründen. Am besten begründen Sie die Kündigung gar nicht, und zwar weder schriftlich noch mündlich gegenüber anderen Mitarbeitern.

Konsequenzen für Arbeitnehmer:

Wenn Ihr Arbeitgeber Sie im Kleinbetrieb bzw. während der Wartefrist gekündigt hat, prüfen Sie unbedingt, ob Indizien für eine Diskriminierung vorliegen, beispielsweise aufgrund der Begründung im Kündigungsschreiben. In diesem Fall sollten Sie unverzüglich einen Rechtsanwalt aufsuchen und auf die vorstehend skizzierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinweisen. Denken Sie daran, dass Sie innerhalb von 3 Wochen ab Zugang des Kündigungsschreibens Kündigungsschutzklage erheben müssten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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