DSGVO und KUG – Menschen als Beiwerk auf Fotos

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Am 25.05.2018 ist die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft getreten. Die Folgen, die sich hieraus für den gesamten Bereich der digitalen Fotoproduktion ergeben, gehören derzeit zu den am heftigsten umstritten Sachgebieten der DSGVO – insbesondere das Verhältnis der DSGVO zum Kunsturhebergesetz (KUG) ist unklar. 

Ausgangspunkt ist hierbei die Feststellung, dass Fotos, die identifizierbare Personen zeigen, rechtlich gesehen „personenbezogene Daten“ im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind. Der gesamte Bereich der „Verarbeitung“ von digitalen Fotos unterfällt damit dem sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO, sofern es sich nicht ausschließlich um eine persönliche oder familiäre Tätigkeit handelt, etwa der fotografierten Hochzeitsgesellschaft (Art. 2 Abs. 1 lit. c DSGVO). Der Begriff der Verarbeitung ist dabei in Art. 4 Nr. 2 DSGVO legal definiert – und es ist kaum ein Sachverhalt aus der digitalen Fotoproduktion denkbar, der nicht unter diesen Begriff fällt, also selbst das Löschen ist umfasst.

Ist der Anwendungsbereich der DSGVO erst einmal eröffnet – wie dies in den meisten Sachverhalten der Fall sein dürfte – kommt Art. 6 Abs. 1 DSGVO zur Anwendung. Dieser Artikel beinhaltet ein sogenanntes Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und ist auch so zu verstehen. Da heißt, jeder Vorgang im Zusammenhang mit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist zunächst einmal verboten und nur dann erlaubt, wenn hierfür eine Rechtfertigung existiert.

Als Rechtfertigung ist vor allem die wichtigste Rechtsgrundlage zu nennen, nämlich die ausdrückliche Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden Person für einen oder mehrere bestimmte Zwecke, Art. 6 Abs. 1 (a) DSGVO. 

Eine solche ausdrückliche Einwilligung dürfte in der Praxis aus dem Bereich der Street Fotografie aber quasi unmöglich sein, also bei Bildern, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen, oder bei Bildern von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben. Zu denken ist etwa an eine Fotografie des Brandenburger Tors, bei dem ein anonymer, aber identifizierbarer Passant beiläufig fotografiert wird – und die Fotografie nun kommerziell verwertet werden soll.

Nach dem bisher Gesagten ist dies unzulässig. Denn ohne ausdrücklicher Einwilligung der betroffenen Person ist jegliche Form der Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung des Bildnisses der anonymen Person verboten. Und eben aus diesem Grund wird die Ansicht vertreten, dass der Fotograf, der das Brandenburger Tor fotografiert, das Bild auf seinen Rechner hochlädt und online stellt, sich sogar strafbar macht, weshalb das Ende der digitalen Fotografie eingeleitet sei.

Zum Teil wird daher vertreten, der nationale Gesetzgeber habe es versäumt, von seiner Sonderregelungsmöglichkeit („Öffnungsklausel” Art. 85 Abs. 2 DSGVO) Gebrauch zu machen. Dies sei aber erforderlich, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen. 

Das Team um Jüdemann Rechtsanwälte halten diese Rechtsansicht für zweifelhaft. Denn bei der Einwilligung handelt es sich nur um einen der zahlreichen Erlaubnistatbestände. Insbesondere die Rechtfertigung der Verarbeitung von personenbezogenen Daten zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten ist zu nennen, wie dies in Art. 6 Abs. 1 (f) DSGVO geregelt ist. Dessen Erlaubnistatbestand ist erfüllt, wenn „die Verarbeitung (…) zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich (ist), sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.“

Kurz gesagt: Die Verarbeitung ist rechtmäßig, wenn die berechtigten Interessen des Verantwortlichen den rechtlichen Interessen der betroffenen Person überwiegen. Und eben bei dieser Abwägung kann ein bewährtes Gesetz helfen, das dem Rechtsanwender gut bekannt ist, nämlich das Kunsturheberrechtsgesetz (KUG). 

Bei dem 1907 eingeführten KUG handelt es sich um ein Gesetz, das einen interessengerechten Ausgleich zwischen dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten des Abgebildeten und dem Recht der Informations-, Presse- und Meinungsfreiheit gewährleistet und durch jahrzehntelanger Rechtsprechung austariert wurde.

Einzelheiten des Verhältnisses der neu in Kraft getreten DSGVO und des alt gedienten KUG sind mangels (höchstrichterlicher) Rechtsprechung freilich noch nicht geklärt. Hierzu gehört etwa die Frage, ob das bereits existierende KUG eine spezialgesetzliche Abweichung und/oder Ausnahme im Sinne von Art. 85 Abs. 2 DSGVO ist, obgleich das KUG Bildnisse nur vor der Verbreitung und der Zurschaustellung schützt, die DSGVO aber deutlich früher ansetzt, nämlich schon bei der Erhebung von personenbezogenen Daten. 

Ungeachtet dieser Ungewissheit steht dem Rechtsanwender aber jedenfalls ein bewährtes Abwägungsmodell im Sinne von Art. 6 Abs. 1 (f) DSGVO zur Verfügung, sodass das Recht nicht zur Schließung einer planwidrigen Regelungslücke richterlich fortgebildet werden müsste.

Fragen zur DSGVO oder zum Kunsturhebergesetz? Lesen Sie auch unseren Fachartikel auf unserer Kanzleiwebsite unter:

https://www.ra-juedemann.de/dsgvo-kug-bildaufnahmen-im-oeffentlichen-raum/

Wir beraten Sie gerne!

Ihr Kai Jüdemann

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Fachanwalt für Strafrecht


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