Du hast noch Urlaubstage über oder brauchst mehr als vereinbart?

  • 3 Minuten Lesezeit

Was wäre, wenn du freie Tage verkaufst beziehungsweise kaufst?

AbschnittInhalt
1. EinführungÜberblick über das Thema, Bedeutung von Urlaub für Gesundheit und Erholung
2. Gesetzliche GrundlagenZwingender Mindesturlaub nach BUrlG, EuGH-Rechtsprechung
3. Mehrurlaub und GestaltungsspielräumeVertraglicher Zusatzurlaub, Arbeitszeitkonten, Zeitwertkonten
4. Verkauf von UrlaubstagenUnzulässigkeit beim Mindesturlaub, mögliche Gestaltungen bei Mehrurlaub
5. Kauf von UrlaubstagenModelle für zusätzliche freie Zeit, unbezahlter Urlaub, Sabbatical, Zeitwertkonten
6. Steuer- und sozialversicherungsrechtliche AspekteLohnsteuer, Sozialabgaben, Meldungspflichten
7. Rechtsprechung und PraxisbeispieleUrteile zum Urlaubsabgeltungsanspruch, Beispiele aus der Anwendung
8. Vertragliche MustergestaltungFormulierungsbeispiel für individuellen Mehrurlaubskauf oder -verkauf
9. Tipps für Arbeitnehmer und ArbeitgeberEmpfehlungen zur vertraglichen und betrieblichen Umsetzung
10. FAQErweiterte Fragen und Antworten

1. Einführung

Urlaub dient der Erholung, Regeneration und der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit. Gleichzeitig ist Urlaub ein knappes Gut: Manchmal bleiben am Jahresende Tage übrig, die nicht genommen werden, während andere Beschäftigte zusätzliche freie Zeit benötigen – sei es für Pflege, Weiterbildung oder private Projekte. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Urlaubshandel – also Verkauf und Kauf von Urlaubstagen – rechtlich zulässig und praktisch umsetzbar ist.

2. Gesetzliche Grundlagen

  • Zwingender Mindesturlaub (§ 3 BUrlG): Jeder Vollzeitarbeitnehmer hat bei einer Fünf-Tage-Woche Anspruch auf mindestens 20 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Kalenderjahr. Eine Abgeltung oder Verzicht während des laufenden Arbeitsverhältnisses ist unzulässig (EuGH, Rs. C‑214/18, 6. November 2019). Ausnahme: Abgeltung bei Beendigung (§ 7 Abs. 4 BUrlG).

  • Unverzichtbarkeit: Zweck des Urlaubs ist der Erhalt der Arbeitsfähigkeit (§ 1 BUrlG). Daher kann auf diesen nicht verzichtet werden – auch nicht freiwillig oder gegen Entgelt.

3. Mehrurlaub und Gestaltungsspielräume

Viele Arbeitgeber gewähren zusätzlich zum Mindesturlaub Mehrurlaub (z. B. 25–30 Tage). Solcher Mehrurlaub kann arbeitsvertraglich oder per Betriebsvereinbarung ausgestaltet werden:

  • Arbeitszeitkonten (§ 7a ArbZG): Zeitguthaben werden angesammelt und später als Freizeit abgebaut.

  • Langzeitkonten (Zeitwertkonten): Ansparmodelle über mehrere Jahre, z. B. Sabbatical-Fonds.

  • Tarifvertragliche Regelungen: Spezielle Branchenvereinbarungen enthalten häufig Klauseln zu Auszahlung oder Übertragung von Mehrurlaub.

4. Verkauf von Urlaubstagen

4.1 Mindesturlaub

  • Generelles Verbot: Verkauf oder Abtretung des gesetzlichen Mindesturlaubs ist unzulässig.

  • Rechtsprechung: EuGH betont zwingenden Charakter der Erholungsfunktion.

4.2 Mehrurlaub

  • Gestaltungsmöglichkeiten: Vereinbarung einer Auszahlung oder eines Verzichts auf Mehrurlaub gegen Entgelt möglich.

  • Beispielklausel: „Zuzüglich zu den gesetzlichen 20 Tagen kann der AN bis zu 5 Tage Mehrurlaub gegen Abgeltung von Bruttomonatsgehalt/21 gekürzt verlangen.“

  • Praxishinweis: Klare vertragliche Fixierung schützt vor Nachforderungen.

5. Kauf von Urlaubstagen

5.1 Unbezahlter Urlaub

  • Arbeitnehmer kann unbezahlten Urlaub beantragen. Dieser ist eine Form des „Kaufs“ durch Gehaltsverzicht.

5.2 Temporäre Teilzeit/Arbeitszeitreduzierung

  • Reduktion des Beschäftigungsausmaßes schafft zusätzliche freie Tage gegen proportionalen Gehaltsverzicht.

5.3 Zeitwertkonto/Sabbatical

  • Langfristiges Ansparen von Überstunden oder Gehaltsanteilen zur Finanzierung längerer Auszeiten.

6. Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte

  • Lohnsteuer: Ausgezahlter Mehrurlaub zählt zum Arbeitslohn (§ 19 EStG).

  • Sozialversicherung: Beitragsbemessung bei Freizeitausgleich vs. Barüberlassung.

  • Meldungen: Arbeitgeber muss jede Abweichung bei Entgeltzahlung melden.

7. Rechtsprechung und Praxisbeispiele

GerichtAktenzeichenKernaussage
EuGHC‑214/18Unabdingbarkeit des Mindesturlaubs
BAG9 AZR 53/10Abgeltungsanspruch bei Beendigung konkretisiert
LAG München3 Sa 45/21Verzichtsklausel für Mehrurlaub wirksam bei klarer Regelung

8. Vertragliche Mustergestaltung

Mustervereinbarung Mehrurlaubskauf

§ X Mehrurlaub gegen Abgeltung
(1) Der Arbeitnehmer kann jährlich bis zu x Tage zusätzlichen Urlaub gegen Auszahlung von y % des Bruttojahresgehalts (Berechnungsgrundlage: Jahresgehalt/220) beanspruchen.
(2) Die Auszahlung erfolgt mit dem Gehalt des Folgemonats nach Urlaubsantritt.
(3) Ansprüche verfallen, wenn sie nicht bis zum 31. Dezember des Folgejahres geltend gemacht werden.

9. Tipps für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

  • Vertrag klären: Vor Abschluss auf Definitionen (Mindesturlaub vs. Mehrurlaub) achten.

  • Dokumentation: Jegliche Regelung schriftlich fixieren.

  • Steuerliche Beratung: Insbesondere bei Auszahlung größerer Summen.

  • Urlaubsplanung: Betriebsvereinbarung zur Koordination und Transparenz.

10. FAQ (Erweitert)

1. Kann ich Mehrurlaub ins nächste Jahr übertragen und verkaufen?

  • Übertragung oft möglich, Verkauf nur bei ausdrücklicher Regelung.

2. Verliere ich Urlaubsansprüche bei Langzeitkrankheit?

  • Gesetzlicher Urlaub verfällt frühestens 15 Monate nach Jahresende (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Zusatzurlaub kann abweichen.

3. Welche Folgen hat eine selbst initiierte Abtretung an Kollegen?

  • Unwirksam, mögliche arbeitsrechtliche Abmahnung bei Ordnungsverstoß.

4. Wie wirken sich Zeitwertkonten auf Insolvenz des Arbeitgebers aus?

  • Schutz durch Insolvenzsicherungskonzept (§ 7a ArbZG).


Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. von der kanzlei JURA.CC bearbeitet im Schwerpunkt das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Mandanten außergerichtlich bei Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen bei der Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Soweit erforderlich erfolgt eine gerichtliche Vertretung bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel für den Arbeitnehmer eine angemessene und möglichst hohe Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ein sehr gutes Arbeitszeugnis für zukünftige Bewerbungen oder auch die Rücknahme der Kündigung und die Weiterbeschäftigung zu erzielen.

Mehr Informationen unter www.JURA.CC oder per Telefon: 0221-95814321

Foto(s): kanzlei JURA.CC

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