Durch Ehemann bei Autounfall verletzt: 13.500 Euro

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Mit Urteil vom 29.01.2018 hat das Landgericht Münster den Arbeitgeber des unfallverursachenden Ehemannes verurteilt, an meine Mandantin ein Schmerzensgeld von 13.500 Euro zu zahlen. Hinzu kamen Haushaltsführungsschaden sowie die Feststellung, dass der Arbeitgeber als Halter des Fahrzeuges für alle weiteren materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden des Autounfalles einzustehen hat.

Die 1984 geborene Angestellte fuhr im Juli 2015 mit ihrem Ehemann nachts nach Hause. Sie war Beifahrerin. Halter des Fahrzeuges war der Arbeitgeber des Ehemannes. Ohne Fremdeinwirkung kam das Fahrzeug gegen 01:45 Uhr auf einer Bundesstraße von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Durch den Unfall erlitt die Mutter einer 6-jährigen Tochter eine distale Radiusfraktur links, eine HWS-Zerrung, eine Thorax-, Sternum- und Sakrumprellung. Die Radiusfraktur wurde am Unfalltag operativ mit einer winkelstabilen Platte behandelt. Wegen einer erst später festgestellten Bennett-Fraktur musste sie am 01.09.2015 erneut operiert werden. Einen Monat später wurde das eingebrachte Plattenmaterial entfernt. Zwei Jahre später wurde weiteres Fremdmaterial aus dem linken Daumensattelgelenk entfernt.

Die Haftpflichtversicherung des Pkw-Halters hatte eingewandt, die Mandantin träfe ein Mitverschulden von mindestens 1/3. Der Ehemann sei nach einer langen Flugreise übermüdet gewesen. Es sei keine andere Ursache plausibel, als dass der Ehemann während der Fahrt eingeschlafen sei. Diese Übermüdung könne der Mandantin nicht verborgen geblieben sein.

Dem Mitverschulden war die Mandantin im Prozess entgegengetreten: Ein unfallursächliches Verschulden des Ehemannes mindere die Ansprüche des Beifahrers im Verhältnis zum Halter nicht (KG Berlin, Urteil vom 03.05.2010, AZ: 12 U 119/09). Die Beweislast für ein Mitverschulden des Beifahrers liege bei der Haftpflichtversicherung. Einem Mitfahrer träfe nur dann ein Verschulden, wenn für ihn bereits bei Fahrtantritt erkennbar sei, dass der Fahrer wegen Übermüdung fahruntüchtig sei (vgl. OLG Karlsruhe VersR 1991, 473).

Es müssten sich bei zumutbarer Aufmerksamkeit begründete Zweifel an der Fahrtüchtigkeit des Fahrers aufdrängen (BGH, Urteil vom 10.02.1998, AZ: VI ZR 235/97). Bleibe ungeklärt, inwieweit der Beifahrer Kenntnis von einer Übermüdung habe, scheide ein Mitverschulden, das vom Versicherer zu beweisen sei, komplett aus (OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2011, AZ: 1 U 72/10).

Ein Mitverschulden setze weiter voraus, dass ein Beifahrer in Kenntnis der behaupteten Fahruntüchtigkeit Gelegenheit hatte, das Fahrzeug noch zu verlassen (KG, Beschluss vom 12.01.2006, AZ: 12 U 261/04; Saarländisches Oberlandesgericht MDR 2002, 392; KG DAR 1989, 305). Dass der Schädiger ihr Ehemann sei, führe nicht dazu, dass sie ein geringeres Schmerzensgeld beanspruchen könne, da Halterin des Fahrzeuges der Arbeitgeber des Ehemannes sei (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 17.12.1997, AZ: 13 U 202/96).

Meiner Argumentation ist das Landgericht nach umfangreicher Beweisaufnahme gefolgt: Das eheliche Verhältnis lasse Schmerzensgeldansprüche unberührt und führe nicht zu einer Anspruchsminderung (BGH, Urteil vom 18.06.1973, AZ: III ZR 207/71; BeckOK Spindler, § 253, Rdn. 40).

Zwar sprächen die Unfallzeit, die fehlende anderweitige Erklärung für den Unfall und die vorherige lange Reisedauer dafür, dass der Ehemann aufgrund von Übermüdung fahruntüchtig war und die Klägerin dies auch erkannt habe, weil auch sie geschlafen habe, als es zum Unfall kam. Es sei der Klägerin aber nicht zu widerlegen, dass sie auf die Fahrtüchtigkeit ihres Ehemannes vertraut habe und nicht erkannte, dass dieser ebenfalls übermüdet war.

Für ein solches Vertrauen spräche, dass es die Klägerin zugelassen habe, selbst einzuschlafen. Es gäbe keinen Erfahrungssatz, dass die Rückreise aus dem Urlaub fahrlässig wäre, weil der Reisende am Ende übermüdet sein werde. Auch aus den Angaben des Ehemannes im Strafverfahren könne nichts anderes geschlossen werden. Entscheidend sei allein die Erkennbarkeit der Fahruntüchtigkeit des Ehemannes für die Mandantin vor dem Einschlafen und dem Beginn der Autofahrt. Die Versicherung sei beweisfällig geblieben.

Aufgrund der erlittenen Verletzungen hat die Kammer ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.500 Euro für angemessen gehalten (LG Tübingen, Urteil vom 19.08.1988, AZ: 2 O 691/87 = Hacks/Wellner/Häcker, Nr. 24.1475; OLG Köln, Urteil vom 04.03.1993, AZ: 12 U 138/92; LG Osnabrück, Urteil vom 21.08.1996, AZ: 8 O 67/96).

Für die Höhe des Schmerzensgeldes sei es unerheblich, dass im ersten Krankenhaus die Bennett-Fraktur behandlungsfehlerhaft nicht erkannt worden sei. Eine fehlerhafte ärztliche Behandlung unterbreche die Kausalkette nicht. Es realisiere sich in ihr lediglich die Gefahr, die durch das Unfallereignis gesetzt worden sei (BGH, Urteil vom 06.05.2003, AZ: VI ZR 259/02; BGH, Urteil vom 22.05.2012, AZ: VI ZR 157/11).

Bei der Berechnung des unfallbedingten Haushaltsführungsschadens hielt die Kammer einen Stundensatz von 9 Euro netto für angemessen (OLG Hamm, Urteil vom 06.06.2016, AZ: 6 U 203/15; OLG Hamm, Urteil vom 06.09.2016, AZ: 9 U 238/15; OLG Köln, Urteil vom 12.12.2014, AZ: 19 U 39/14).

(Landgericht Münster, Urteil vom 29.01.2018, AZ: 012 O 131/16)

Christian Koch, Fachanwalt für Verkehrsrecht



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