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Einstellung des Krankengeldes nach Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK)

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„Gesundschreibung“ durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen

Gesetzlich krankenversicherte Personen, die krankheitsbedingt arbeitsunfähig sind, haben von Gesetzes wegen grundsätzlich für einen Zeitraum von bis zu 78 Wochen Anspruch auf Krankengeld. Hat die Krankenkasse aber Zweifel, ob tatsächlich Arbeitsunfähigkeit vorliegt, schaltet sie den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ein und beauftragt diesen eine Begutachtung vorzunehmen. Oftmals erfolgt eine solche Beauftragung schon wenige Wochen oder Monate nach Beginn der Erkrankung, insbesondere bei psychischen Diagnosen.

Der MDK kommt häufig nach Aktenlage, also ohne den betroffenen Versicherten überhaupt zu untersuchen oder seit der Corona-Pandemie allein aufgrund einer wenige Minuten dauernden telefonischen „Begutachtung“, zu dem Schluss, dass keine (weitere) Arbeitsunfähigkeit bestünde und schreibt den Versicherten sozusagen gesund – trotz anderslautender Beurteilung durch den behandelnden Arzt. Die Krankenkassen stellen daraufhin das Krankengeld ein.

So setzen Sie sich richtig zur Wehr:

1. Legen Sie (fristwahrend) Widerspruch gegen den Bescheid Ihrer Krankenkasse ein, mit dem Ihnen das Ende der Arbeitsunfähigkeit und der Krankengeldzahlung mitgeteilt wird. Für die Begründung des Widerspruchs raten wir, fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen (s. unten). Allein der Verweis, dass Sie weiterhin krank seien oder Ihr Arzt weiterhin von Arbeitsunfähigkeit ausgeht, wird nicht zum Erfolg führen. Die Entscheidung des MDK ist nämlich vorrangig gegenüber der Beurteilung durch Ihren Arzt.

2. Ihr Arzt wird vom MDK informiert, dass die Arbeitsunfähigkeit – entgegen der ärztlichen Bescheinigung – beendet wurde. Ihr Arzt kann nach den einschlägigen Normen nunmehr dieser Entscheidung des MDK widersprechen und eine Zweitbegutachtung beantragen. Halten Sie Ihren Arzt unbedingt dazu an dies zu tun (Sie selbst können die Zweitbegutachtung nicht wirksam beantragen!).

In Unkenntnis der rechtlichen Gegebenheiten beantragen zwar viele Ärzte die Zweitbegutachtung, begründen diesen Antrag jedoch nicht hinreichend. So muss der Arzt nicht lediglich (erneut) die erhobenen Diagnosen darlegen und Arbeitsunfähigkeit behaupten, sondern die Arbeitsunfähigkeit näher darlegen. Wichtig ist hier zunächst zu wissen, wie Arbeitsunfähigkeit überhaupt definiert wird:

Arbeitsunfähigkeit bei Erwerbstätigen liegt vor, wenn die zuletzt vor Eintritt der Erkrankung ausgeübte Tätigkeit wegen einer Erkrankung nicht weiter ausgeübt werden kann. Für diese Beurteilung ist maßgeblich welche beruflichen Anforderungen der konkrete Arbeitsplatz stellt und aufgrund welcher konkreten Krankheitsfolgen diesen Anforderungen nicht (vollschichtig bzw. im arbeitsvertraglich vereinbarten Umfang) nachgekommen werden kann.

Arbeitsunfähigkeit bei Erwerbslosen bestimmt sich danach, ob die betroffene Person aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen noch in der Lage ist, Arbeiten zu verrichten, für die sie sich beim Arbeitsamt zur Verfügung gestellt hat. Hier sind sodann alle Erwerbstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu berücksichtigen, die dem Arbeitslosen zumutbar sind. Eine Arbeitsunfähigkeit liegt demzufolge erst vor, wenn nicht einmal leichteste Tätigkeiten in einem Stundenumfang verrichtet werden können, für den sich der Arbeitslose der Arbeitsagentur zur Verfügung gestellt hat (z.B. Vollzeit/Teilzeit).

Es reicht daher nicht, wenn der die Arbeitsunfähigkeit bescheinigende Arzt lediglich eine Diagnose angibt. Vielmehr muss er die konkreten Krankheitsfolgen benennen und mitteilen, welche konkreten Arbeitsplatzanforderungen deshalb nicht zu bewältigen sind. Es müssen also die Krankheitsfolgen mit einer Tätigkeit in Beziehung gesetzt werden. Beispielweise kann ein Maler aufgrund eines Kraftverlustes in den Händen oder einer Bewegungseinschränkung im Arm nicht mehr vollschichtig auf Baustellen tätig sein, Leitern sicher besteigen und Wände streichen oder eine Buchhalterin kann aufgrund von Konzentrationsstörungen und Panikattacken nicht im Großraumbüro vollschichtig den buchhalterischen Aufgaben nachkommen.

Wichtig: 
Ein Widerspruch gegen den Einstellungsbescheid hat keine aufschiebende Wirkung.

Das Krankengeld wird daher trotz Widerspruch zunächst erstmal nicht weiter geleistet. Sollte der Widerspruch erfolgreich sein, wird das Krankengeld nachgezahlt.

Sollten Sie durch die Einstellung des Krankengeldes in eine finanzielle Notlage geraten (Miete und Lebenshaltungskosten nicht mehr gesichert), kommt die Einleitung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens vor dem Sozialgericht in Betracht.

Lassen Sie die Arbeitsunfähigkeit trotz der Krankengeldeinstellung weiterhin regelmäßig und lückenlos bescheinigen. Wird nicht spätestens am nächsten Tag nach dem Ende der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit die weitere Arbeitsunfähigkeit attestiert, tritt also eine Lücke ein, kann im schlimmsten Fall der Anspruch auf Krankengeld vollständig enden (häufig bei zwischenzeitlich erwerbslos gewordenen Personen), zumindest aber wird Krankengeld auch im Fall der Nachzahlung nicht für den Zeitraum ohne ärztliche Bescheinigung geleistet.

Fachanwaltliche Hilfe dringend angeraten

Bei der Einstellung des Krankengeldes aufgrund unterschiedlicher Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist spezialisierter Rat und fachkundige Vertretung von Anfang an ratsam. Letztlich streiten Sie sich sowohl mit einer Behörde mit hohem Fachwissen, nämlich der Krankenversicherung, und rein praktisch zusätzlich mit dem MDK, der im Widerspruchsverfahren meist erneut eingeschaltet wird. Es müssen also sowohl medizinisch als auch die juristisch die rechtserheblichen Argumente vorgebracht und nötigenfalls belegt werden, andernfalls geht das Widerspruchsverfahren verloren.


Sollten Sie eine persönliche Beratung unter Berücksichtigung Ihrer individuellen Ausgangslage wünschen oder benötigen Sie bereits rechtliche Vertretung, sprechen Sie uns gerne an.

Tobias Blume
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht

(Stand Mai 2022 - alle Angaben nach bestem Wissen, ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit)


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