Erbengemeinschaft = Zwangsgemeinschaft

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Mehrere Erben bilden einer Erbengemeinschaft 

Der Erblasser kann durch Testament oder Erbvertrag mehrere Personen zu seinen gemeinsamen Erben bestimmen. Ebenso können mehrere Personen aufgrund der gesetzlichen Erbfolge (wenn weder ein Testament oder Erbvertrag existieren) gemeinsam Miterben werden. 

Eheleute, Verwandte des Erblassers, aber auch familienfremde Personen finden sich dann häufig nach einem Erbfall in einer Erbengemeinschaft wieder, denn mehrere Erben bilden automatisch eine Erbengemeinschaft.

Die Erbengemeinschaft entsteht kraft Gesetzes mit dem Erbfall ohne jegliche Mitwirkung der Erben. Sie kann auch nicht durch eine Vereinbarung begründet oder wiederhergestellt werden.

Gesamthandsgemeinschaft – allen gehört alles, aber nur gemeinsam.

Bei einer Erbengemeinschaft handelt es sich um eine sogenannte Gesamthandsgemeinschaft. Der Nachlass bildet bis zur Teilung in seiner Gesamtheit ein vom Eigenvermögen der Erben getrennt bleibendes Sondervermögen.

Dies hat jedoch auch zur Folge, dass der einzelne Erbe zwar über seinen Erbanteil (mit Einschränkungen) insgesamt, nicht aber über seinen Anteil an einzelnen Nachlassgegenständen verfügen kann. An dieser Gesamthandsgemeinschaft hat jeder einzelne Miterbe einen Bruchteil in Höhe seiner Erbquote (z. B. die Hälfte oder 3/7) am Gesamtnachlass inne. Vereinfacht kann man sagen, dass allen alles gemeinsam gehört, und führt dazu, dass die Miterben nur gemeinsam über Nachlassgegenstände verfügen dürfen.

Diese gerade für Nichtjuristen schwer zu verstehenden Besonderheiten machen die Erbengemeinschaft zu einem „sperrigen“ und oft auch streitauslösenden Gebilde.

Verwaltung des Nachlasses 

Die Verwaltung des Nachlasses und die Verfügung über Nachlassgegenstände ist grundsätzlich nur gemeinschaftlich durch die Miterben möglich.

Zu Maßnahmen, die zur sogenannten „ordnungsmäßigen Verwaltung“ erforderlich sind, ist jeder Miterbe den anderen gegenüber verpflichtet. Für Maßnahmen der „ordentlichen Verwaltung“ reicht die Stimmenmehrheit, wobei sich die Stimmhöhe der Miterben nach ihren jeweiligen Erbquoten richtet.

Ordnungsgemäße Verwaltung liegt vor, wenn die Maßnahme der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Nachlassgegenstandes und dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen entspricht, was „vom Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers“ zu entscheiden ist.

Beispiele Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung

  • Instandsetzungs- oder Reparaturarbeiten an Nachlassgegenständen (zum Beispiel einem Haus),
  • Wiederaufbau einer abgebrannten Immobilie unter Verwendung von Versicherungszahlungen,
  • Abschluss/Verlängerung eines Mietvertrages über ein Nachlassgrundstück, das schon zu Lebzeiten des Erblassers vermietet war,
  • Die Kündigung eines Mietvertrages ist eine Verfügung, der grundsätzlich alle Miterben zustimmen müssen (!), kann aber auch zugleich eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung darstellen.

Außerordentliche Verwaltung und Verfügungen über Nachlassgegenstände 

Maßnahmen, die hingegen nicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören und insbesondere für Verfügungen gilt grundsätzlich (mit wenigen Ausnahmen), dass diese nur durch gemeinschaftliches Handeln aller Miterben möglich ist. Ein Mehrheitsbeschluss reicht nicht aus.

Zum Beispiel die Errichtung eines Neubaus auf einem bisher nicht genutzten Nachlassgrundstück (wesentliche Veränderung des Nachlasses) oder der wirtschaftlich sinnvolle Verkauf einer Immobilie (Verfügung) und auch die Fortführung eines Handelsgeschäftes, bedürfen der Zustimmung aller Miterben, selbst solcher, die nur mit einer minimalen Erbquote Miterben sind.

Auf die Zustimmung eines Miterben zu einer Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung, insbesondere einer wesentlichen Veränderung des Nachlasses, haben die übrigen Erben grundsätzlich keinen Anspruch.

Notgeschäftsführung 

In „Notfällen“ kann auch ein Miterbe allein für die Erbengemeinschaft handeln, sofern es sich um Maßnahmen handelt, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören und notwendig sind, um Schaden vom Nachlass oder von einzelnen Nachlassgegenständen abzuwenden (zum Beispiel unaufschiebbare Reparaturmaßnahmen an einem Haus).

Weitere Voraussetzung für ein Notgeschäftsführungsrecht ist zudem, dass die übrigen Miterben nicht mehr rechtzeitig zustimmen können. Maßnahmen, die lediglich der Verbesserung des Nachlasses dienen oder lediglich nützlich sein können, sind indes nicht vom Notgeschäftsführungsrecht gedeckt.

Mitbenutzung des Nachlasses durch jeden Erben

Regelmäßig zu Streit kommt es, wenn nur einzelne Erben Nachlassgegenstände nutzen (zum Beispiel ein zum Nachlass gehörendes Haus oder Wohnung), denn jeder Miterbe kann die Benutzung der Nachlassgegenstände verlangen, wenn keine entsprechende Nutzungsvereinbarung getroffen wurde. 

Sofern sich der den Gegenstand nutzende Miterbe jedoch weigert, einer entsprechenden Nutzungsvereinbarung zuzustimmen, kann von den anderen Miterben Nutzungsersatz verlangt werden, jedoch erst dann, wenn sie form- und ordnungsgemäß von den anderen verlangt wurde.

Beendigung der Erbengemeinschaft 

Die Erbengemeinschaft wird erst durch vollständige Auseinandersetzung aufgelöst, auf die jeder Miterbe Anspruch hat, sobald die Nachlassverbindlichkeiten beglichen worden sind.

Jeder Erbe hat Anspruch darauf, dass die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt wird. Die Auseinandersetzung erfolgt durch vollständige Aufteilung der Erbmasse unter den Miterben und bedarf eines Auseinandersetzungsvertrages. Der Auseinandersetzungsanspruch bezieht sich auf den gesamten Nachlass. Dies bedeutet auch, dass die einzelnen Miterben grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Teilauseinandersetzung, zum Beispiel auf die Übertragung eines bestimmten Gegenstandes an einen Miterben, haben.

Nur in Ausnahmen kann ein Anspruch auf teilweise Auseinandersetzung hinsichtlich bestimmter Teile des Nachlasses verlangt werden, sofern dies besondere Gründe rechtfertigen und die Belange der anderen Miterben nicht beeinträchtigt werden, zum Beispiel, bei einer nur aus zwei Miterben bestehenden Erbengemeinschaft, die alle Nachlassverbindlichkeiten beglichen hat und der Miterbe lediglich das begehrt, was ihm bei der endgültigen Auseinandersetzung ohnehin zufallen würde.

Andere Beendigungsgründe 

Erbengemeinschaft können auch beendet werden

  • dadurch, dass der vorletzte Miterbe stirbt,
  • durch Abschichtung, also dem vertraglich vereinbarten Ausscheiden der Miterben gegen Zahlung einer Abfindung,
  • infolge Erbteilsübertragung oder
  • bei Immobilien die Teilungsversteigerung. 

Streit in der Erbengemeinschaft 

Das unvermeidbare Aufeinandertreffen von verschiedenen Personen mit unterschiedlichen Mentalitäten und Interessen sowie die rechtliche Komplexität in nahezu allen Bereichen der Erbengemeinschaft, birgt ein erhebliches Streitpotential.

Eine streitige Erbauseinandersetzung bedarf der Beratung und Begleitung durch erbrechtkundige Rechtsanwälte spezialisierten Erbrechtler, da die Übernahme eines erbrechtlichen Mandats hohe Spezialisierung und Erfahrung erfordert.

Im Vordergrund sollte stets das Bemühen nach einer außergerichtlichen Lösung sein.

Mögliche Ansätze für den Weg aus der Erbengemeinschaft können sein:

  • Vereinbarung mit den Miterben über den „Ausstieg“ durch Ausschlagung innerhalb der knappen Ausschlagungsfrist gegen eine Abfindungsleistung. Dies ist jedoch binnen der kurzen Frist selten praktikabel, da häufig nicht genügend und ausreichend Informationen über den Nachlass vorhanden bzw. beschaffbar sind,
  • die Veräußerung des eigenen Miterbenanteils an Miterben oder Dritten mittels notariell zu beurkundenden Erbteilkaufs,
  • Vereinbarung mit den übrigen Miterben aus der Erbengemeinschaft gegen Zahlung einer Abfindung auszuscheiden. Eine solche Abschichtungsvereinbarung bedarf in der Regel der notariellen Beurkundung, wenn hierdurch auch z. B. über Immobilien oder GmbH-Geschäftsanteile verfügt wird,
  • Einvernehmliche schrittweise Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft durch mehrere Teilauseinandersetzungen. Ob ein solches Vorgehen im Einzelfall für den jeweiligen Miterben taktisch und zweckmäßig ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Rechtlich ist die Erbengemeinschaft auf ihre zeitnahe Auflösung, also durch die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ausgelegt.

Nur dann, wenn der Erblasser es testamentarisch ausdrücklich durch ein Teilungsverbot anordnet hat, sind die Erben gehindert, die Erbengemeinschaft ganz oder auseinander zu setzen.

Testament richtig gestalten

Jeder, der beabsichtigt, ein Testament zu verfassen oder ein bestehendes Testament abzuändern, sollte sich über die bestehenden erbrechtlichen Gestaltungsmittel/Alternativen beraten lassen und einsetzen um entweder eine Erbengemeinschaft zu vermeiden und/oder durch klare zusätzliche Verfügungen und Anordnungen die spätere Auseinandersetzung zu vereinfachen. Denkbare Ansätze können zum Beispiel sein: 

  • gegebenenfalls nur eine Person zum Alleinerben zu bestimmen und Vermächtnisse für die übrigen festlegen,
  • die jeweiligen Erbquoten je Miterben festlegen,
  • Zuweisung von einzelnen Vermögenswerten klar bestimmen und festlegen, ob dies mit Wertausgleich (sogenannte Teilungsanordnung) oder ohne Wertausgleich (sogenanntes Vorausvermächtnis) erfolgen soll,
  • unter Umständen eine Testamentsvollstreckung anordnen.

Bei jeder Form der Auseinandersetzung und Aufteilung von Nachlassgegenständen auf die Erben können steuerlich unerwünschte Folgen entstehen, insbesondere bei Betriebsvermögen oder Immobilien. Derartige drohende steuerliche Zusatzbelastungen müssen rechtzeitig identifiziert und einkalkuliert werden.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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