Das Berliner Testament – was Ehegatten wissen sollten

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Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern bietet das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) die Möglichkeit, ein gemeinschaftliches Testament zu erstellen. Weit verbreitet ist die unter der Bezeichnung „Berliner Testament“ bekannte Art der gegenseitigen Erbeinsetzung und Schlusserbenbestimmung. 

Ehegatten und die gesetzliche Erbfolge

Durch jede letztwillige Verfügung, auch das Berliner Testament, kann die sogenannte gesetzliche Erbfolge geändert werden und der zuletzt versterbende bzw. hinterbliebene Ehegatte/eingetragene Lebenspartner als Erbe eingesetzt werden.

Die gesetzliche Erbfolge legt fest, wer Erbe wird, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung (Testament, Erbvertrag) hinterlassen hat. Andernfalls bestimmt das Gesetz, wer Erbe wird.

Die Erbfolge richtet sich nach sogenannten Erbordnungen (Erben 1. Ordnung, 2. Ordnung, 3. Ordnung usw.), die ausgehend vom Erblasser das verwandtschaftliche Näheverhältnis abbilden.

Erben 1. Ordnung sind zum Beispiel die eigenen Kinder und Enkelkinder, Erben der 2. Ordnung die eigenen Eltern und deren weiteren Abkömmlinge (also Brüder und Schwestern des Erblassers), usw.

Innerhalb jeder Ordnung gilt, dass ein noch lebender und „dichter“ zum Erblasser stehender Verwandter den nächstfolgenden Verwandten „verdrängt“ (sogenanntes Repräsentationsprinzip). Hinterlässt ein Erblasser zum Beispiel nur einen Sohn und einen Enkel, erbt – sofern kein Testament existiert – nur der Sohn.

Ehegatten/eingetragene Lebenspartner steht neben diesen Verwandten (insbesondere Kindern) ein eigenes gesetzliches Erbrecht zu, dessen Höhe (Quote) letztlich auch vom Güterstand und der Anzahl der Kinder des Erblassers abhängig ist.

Hatten die Ehegatten keinen (notariellen) den Güterstand ändernden Ehevertrag geschlossen (Gütertrennung, Gütergemeinschaft oder seit 2013 den deutsch-französischen Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft), leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Lebte der verstorbene Ehegatte mit seinem Ehepartner in Zugewinngemeinschaft und hatte er Kinder, werden der überlebende Ehegatte zur Hälfte und die Kinder – unabhängig von deren Anzahl – zusammen ebenfalls Erben zu 1/2 (zum Beispiel wird bei vier Kindern, jedes Kind (Mit-)Erbe zu ein Achtel).

Sind jedoch keine Kinder vorhanden, erbt der Ehegatte nach der gesetzlichen Erbfolge neben anderen Verwandten (z. B. Eltern, Geschwistern, Neffen, Nichten) 3/4 des Nachlasses.

Sofern die Eheleute zum Beispiel Gütertrennung vereinbart, hängt die gesetzliche Erbquote des Ehegatten auch davon ab, ob der Erblasser Kinder hatte bzw. wie viele Kinder vorhanden sind (der Ehegatte wird Erbe zu 1/2 bei einem Kind, zu 1/3 bei zwei Kindern und zu 1/4 bei drei oder mehr Kindern).

Auch eingetragenen Lebenspartnern – nicht jedoch nicht miteinander verheirateten/verpartnerten Lebensgefährten! – steht ein gesetzliches Erbrecht neben Verwandten zu, §10 Lebenspartnerschaftsgesetz.

Hintergrund des Berliner Testaments

Sobald mehrere Erben vorhanden sind, entstehen ohne letztwillige Verfügungen im Erbfall Erbengemeinschaften, bestehend aus dann mehreren Miterben. Hierbei handelt es sich um eine vom Gesetz vorgegebene und „sperrige“ Zwangsgemeinschaft, die sehr konfliktträchtig und schlecht handhabbar sind.

Mit dem sogenannten Berliner Testament bezwecken die Ehegatten die Abänderung der gesetzlichen Erbfolge, und zwar zunächst zugunsten des länger lebenden Ehegatten.

Häufig bestimmen die Ehegatten neben der Erbeinsetzung des Längerlebenden auch die Erbfolge für den Tod des Überlebenden, zum Beispiel die gemeinsamen Kinder als Schlusserben. Eine Erbengemeinschaft für den ersten Erbgang zumindest wird so verhindert.

Die eigenen Kinder sollen jedoch beim Ableben des ersten Elternteils nichts bekommen und werden für den ersten Erbfall enterbt.

Formvorschriften für die Errichtung eines Ehegattentestaments

Die Möglichkeit, ein gemeinschaftliches Testament zu errichten steht nach deutschem Recht ausschließlich Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern zu (nicht hingegen bloßen Lebensgefährten!).

Ein gemeinschaftliches Testament kann entweder vor einem Notar aufgesetzt oder von nur einem Ehegatten eigenhändig und handschriftlich niedergeschrieben werden. Am Ende des Testaments muss es von beiden jeweils persönlich und unter Angabe von Ort und Datum unterschrieben werden.

Wechselbezügliche Verfügungen und Bindungswirkung

Insbesondere wenn Dritte die Schlusserben sein sollen – häufig die gemeinsamen Abkömmlinge -, sollten die Ehegatten in ihrem Testament ausdrücklich festlegen, welche ihrer Verfügungen wechselbezüglichen Charakter haben. 

Wechselbezügliche Verfügungen entfalten Bindungswirkung, die dazu führt, dass Ehegattentestamente, sofern sie nicht einvernehmlich aufgehoben werden, nicht einfach einseitig widerrufen werden können. Ein nur von einem Ehegatten erklärter einseitiger Testamentswiderruf bedarf der notariellen Form und muss dem anderen Ehegatten zu Lebzeiten nachweisbar zugehen (aus Beweisgründen durch Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher).

Ist der andere Ehegatte jedoch verstorben, ist ein Widerruf in der Regel ausgeschlossen und das Testament – soweit nichts anderes im Testament festgelegt wird – nicht mehr abänderbar. Der überlebende Ehegatte kann dann in der Regel seine eigene Testierfreiheit nur wiedererlangen, wenn er die Erbschaft ausschlägt; dann aber um den Preis des Verlustes der Erbschaft.

Es ist daher ratsam, sich Gedanken dazu zu machen, ob der überlebende Ehegatte berechtigt sein soll, zum Beispiel bei bestimmten Entwicklungen, abweichend zu testieren.

Was muss ein gutes gemeinschaftliches Testament enthalten?

Weitere wichtige Regelungen sollte ein durchdachtes Ehegattentestament enthalten:

  • den ausdrücklichen Widerruf vorangegangener letztwilliger Verfügungen;
  • Pflichtteilstrafklauseln, um die Kinder von der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen abzuhalten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass ein Kind nach dem ersten Erbfall seinen Pflichtteil erhält und nach dem Tod des Letztversterbenden zusätzlich auch noch Miterbe wird;
  • Gegebenenfalls Klauseln für den Fall der Wiederverheiratung;
  • Regelung der Anfechtungsmöglichkeiten im Erbfall;
  • bei minderjährigen Kindern gegebenenfalls Bestimmungen zur Vermögenssorge durch Dritte, Vormundschaftsregelungen oder die Anordnung einer Testamentsvollstreckung;
  • Vermächtnisregelungen.

Passt das Berliner Testament? 

Ob das Berliner Testament für jedes Ehepaar die richtige erbrechtliche Lösung darstellt, muss je nach den persönlichen Wünschen und Familienkonstellation individuell überprüft werden.

Nachfolgend einige Stolpersteine: 

  • Die Enterbung der Kinder für den ersten Erbfall kann auch steuerliche Nachteile haben. Die Freibeträge für Kinder (Zurzeit 400.000 Euro je Kind) können nicht genutzt werden und auf den überlebenden Ehegatten kommen Erbschaftsteuern zu, die dann auch beim zweiten Erbfall die Kinder belasten. Die steuerlichen Freibeträge reichen dann gegebenenfalls nicht aus. Bei entsprechend hohen Vermögen lässt sich das Ehegattentestament durch Vermächtnislösungen und/oder rechtlich einwandfreien Pflichtteilsstrafklauseln steuerlich „entschärfen“, ohne dass eine Erbengemeinschaft entsteht.
     
     
  • Erbfälle mit Auslandsbezug: Seit 2015 gilt die EU-Erbrechtsverordnung. Seither gilt nicht mehr das Staatsangehörigkeitserbrecht. Das für Erbfälle anwendbare Erbrecht richtet sich seither nach dem Recht des Landes, in welchem der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers bestand. Die meisten Länder jedoch erkennen das gemeinschaftliche Testament nicht an (zum Beispiel, Italien, Spanien, Frankreich). Berliner Testamente werden dadurch unwirksam. In Fällen mit Auslandsbezug sollte daher dringend über einen notariellen Erbvertrag nachgedacht werden und zumindest eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Heimaterbrechts aufgenommen werden.
     
     
  • Bei Patchworkfamilien, also wenn Geschiedene sich neu verheiraten und jeweils Kinder aus früheren Beziehungen mitbringen. Hier stößt das Berliner Testament an sein Grenzen, da nur die eigenen Kinder pflichtteilsberechtigt sind und die Rechtsposition der Kinder somit vom Zufall abhängt, welcher der Ehegatten zuerst verstirbt.
     
     
  • Für Eltern mit behinderten Kindern reicht das klassische Berliner Testament in der Regel nicht aus.

Angriffe gegen Ehegattentestamente

Vor allem Testamente, die ohne Beratung und Hilfestellung eines Rechtsanwalts für Erbrecht oder eines Notars errichtet wurden, stellen oft Herausforderungen dar, da letztlich nicht klar ist, was der wirkliche Wille des Erblassers gewesen ist. Häufig sind diese Testamente auslegungsbedürftig, anfechtbar oder unwirksam. Juristisch ungenaue Formulierungen, Formmängel, zweifelhafte Testierfähigkeit und die Anfechtungsmöglichkeiten wegen Irrtums des Erblassers sind nur einige der möglichen Anknüpfungspunkte für in der Regel langwierige und teure Erbstreitigkeiten.

Vor allem bei Ehegattentestamenten gelangen die Beteiligten (Erben, enterbte Kinder, etc.) aufgrund der rechtlichen Komplexität nicht selten zu der Ansicht, dass der Erblasser etwas anderes gemeint hat oder die Bedeutung von Formulierungen gar nicht verstehen konnte oder aber ganz anders verfügt hätte, wenn er spätere Entwicklungen vorausgesehen.

Weitere Informationen zum Berliner Testament finden Sie hier: https://www.rosepartner.de/rechtsberatung/erbrecht-nachfolge/berliner-testament.html


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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