Erbrecht - Auskunftsrecht des Pflichtteilsberechtigten nach Ausschlagung der Erbschaft?

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Vereinfachte Ausgangsproblematik: Der verstorbene Erblasser wird von seinen Kindern beerbt, die er durch Verfügung von Todes wegen zu seinen Erben eingesetzt hat. Einer der eingesetzten Miterben schlägt fristgerecht die Erbschaft aus. Er verlangt jetzt von den übrigen Geschwistern als den (übrigen) Miterben die Erteilung einer Auskunft über den Bestand des Nachlasses zum Zwecke der Prüfung des Bestehens und der anschließenden Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen.

Nach § 2314 Abs. 1 BGB ist ein nicht erbender Pflichtteilsberechtigter - hierzu zählt nach § 2303 BGB Abs. 1 BGB ein Abkömmling des Erblassers - berechtigt, von dem oder den Erben über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu verlangen.

Gemäß § 2306 Abs. 1 BGB kann im Falle von bestimmten Beschränkungen und Beschwerungen ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter den Erbteil ausschlagen und statt dessen den Pflichtteil verlangen.

Fraglich und umstritten ist, ob die Auskunftsberecbtigung aus § 2314 Abs. 1 BGB auch in dem Fall des § 2306 Abs. 1 BGB gilt, d.h. dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte eigentlich - ohne die Ausschlagung - MIterbe geworden wäre. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, in einem solchen Falle fehle es mangels eines Informationsbedürfnisses an der Berechtigung des Auskunftsbegehrens; der Pflichtteilsberechtigte sei schließlich bis zur Ausschlagung zumindest vorläufig selbst Erbe gewesen und habe bis dahin alle Informationsmöglichkeiten über den Bestand des Nachlasses gehabt.

Mit seinem Urteil (Versäumnisurteil) vom 30.11.2022 - IV ZR 60/22, NJW 2023, 452, hat der Bundesgerichtshof die vorbeschriebenen Bedenken zurückgewiesen und sich der vorherrschenden Meinung angeschlossen, dass der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten auch im Falle einer Ausschlagung nach § 2306 Abs. 1 BGB gilt. Dieses ergebe sich aus dem Wortlaut des § 2314 Abs. 1 BGB, der keine Differenzierung anhand des Grundes der fehlenden Erbenstellung vorsehe. Auch aus den Gesetzesmaterialien sei herzuleiten, dass der Gesetzgeber mit § 2314 Abs. 1 BGB alle in Betracht kommenden Fälle habe erfassen wollen. Auch aus Sinn und Zweck des § 2314 Abs. 1 BGB ergebe sich kein Anlass, die vorgenannte Vorschrift einschränkend auszulegen. Wenn das Gesetz dem Pflichtteilsberechtigten im Falle des § 2306 Abs. 1 BGB einen Pflichtteilsanspruch einräume, sei kein Grund erkennbar, warum ihm nicht gleichzeitig auch die Hilfsansprüche nach § 2314 Abs. 1 BGB zustehen sollten. Schließlich - so der Bundesgerichtshof - könne gegenüber dem Auskunftsanspruch auch nicht eingewandt werden, dass dem Pflichtteilsberechtigten bis zur Ausschlagung die Auskunftsrechte eines Miterben zugestanden hätten. Für eine genaue Berechnung des Pflichtteilsanspruchs könne sich die sechswöchige Ausschlagungfrist (§ 1944 Abs. 1 BGB) im Einzelfall als zu kurz erweisen, nach der Ausschlagung habe der Pflichtteilsberechtigte keinen Zugriff auf den Nachlass mehr und sei deshalb, genauso wie der normale Nichterbe, auf die erweiterten Auskünfte nach § 2314 Abs. 1 BGB angewiesen. Der ausschlagende Miterbe habe im Rahmen der Ausschlagung auch nicht darlegen müssen, warum und aus welchen Motiven heraus er überhaupt die Erbschaft ausschlage.

M. E. ist die Argumentation des Bundesgerichtshofs nachvollziehbar und überzeugend. Weder liegt ein Grund vor, den nach § 2306 Abs. 1 BGB ausschlagenden Miterben zu benachteiligen, noch ist ersichtlich, dass die auskunftspflichtigen Erben durch die Auffassung des Bundesgerichtshofs benachteiligt werden. Soweit der infolge Ausschlagung in die Stellung des Pflichtteilsberechtigte gekommene vorläufige Erbe im Einzelfall tatsächlich nachweisbar bereits über die begehrten Informationen verfügen sollte, wird man das im Rahmen der Prüfung und Festlegung des Umfangs der Auskunftspflicht aus § 2314 Abs. 1 BGB berücksichtigen können.


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