Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Erbschaftsteuer: Freibetrag für Pflege der eigenen Eltern?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Können sich Eltern irgendwann z. B. aufgrund des Alters oder einer Krankheit nicht mehr selbst versorgen, übernehmen ihre Kinder häufig deren Pflege. Auch wenn sie diese Aufgabe gern übernehmen, so kostet sie dennoch viel Zeit, Nerven und regelmäßig auch viel Geld. Nach dem Tod des gepflegten Elternteils wird dann unter Umständen auch noch Erbschaftsteuer fällig. Hier stellt sich die Frage, ob die Kinder, die ihre Eltern bis zu deren Tod umsorgt haben, neben dem Freibetrag nach § 16 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) zusätzlich den sog. Pflegefreibetrag steuerlich geltend machen dürfen.

Tochter pflegte ihre Mutter jahrelang selbst

Im Jahr 2001 wurde eine Frau pflegebedürftig. Ihre erwachsene Tochter hatte sie daraufhin in ihr Haus aufgenommen und auf eigene Kosten gepflegt. Von der Pflegekasse erhielt sie dafür lediglich ein Pflegegeld in Höhe von zuletzt 700 Euro pro Monat.

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2012 setzte das zuständige Finanzamt (FA) nach Berücksichtigung des Freibetrags gemäß § 16 ErbStG eine Erbschaftsteuer von 4865 Euro gegen die Tochter fest. Mit dieser Vorgehensweise war die Steuerpflichtige aber nicht einverstanden. Sie war der Ansicht, dass von ihrem Erbteil auch der Pflegefreibetrag nach § 13 I Nr. 9 ErbStG in Höhe von 20.000 Euro abgezogen werden müsse. Schließlich habe sie sich bis zum Tod der Mutter auf eigene Kosten um diese gekümmert.

Das FA wollte den Pflegefreibetrag aber nicht gewähren – schließlich sei die Tochter ohnehin per Gesetz zum Unterhalt verpflichtet gewesen. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Pflege durch Kinder wird finanziell „belohnt“

Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Tochter Recht: Das FA musste ihr somit den Pflegefreibetrag in voller Höhe im Rahmen der Erbschaftsteuer gewähren.

Wann wird der Pflegefreibetrag gewährt?

Gemäß § 13 I Nr. 9 ErbStG ist ein Freibetrag von höchstens 20.000 Euro bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige den Erblasser bzw. Schenker auf eigene Kosten gepflegt oder ihm Unterhalt gezahlt hat. Allerdings darf die Pflegeperson dafür keine oder nur eine unzureichende Vergütung bekommen haben.

Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Erblasser bzw. der Schenker pflegebedürftig im Sinne des § 14 Sozialgesetzbuch 11 (SGB XI) und daher einem Pflegegrad zugeordnet ist. Vielmehr kann der Pflegefreibetrag schon dann geltend gemacht werden, wenn eine Person gepflegt wird, die „nur“ hilfebedürftig ist, also z. B. Unterstützung beim Waschen, Essen, Einkaufen oder Anziehen benötigt.

Voraussetzung ist ferner, dass die Pflege nicht nur regelmäßig, sondern auch für eine gewisse Dauer gewährt wurde.

Nicht immer kann der Pflegefreibetrag jedoch in voller Höhe berücksichtigt werden. Entscheidend ist vielmehr der Einzelfall. Ein voller Abzug ist nur möglich, wenn die Pflegeleistungen einen Wert von mindestens 20.000 Euro hatten, wobei als Maßstab z. B. die üblichen Vergütungssätze der entsprechenden Berufsgruppen, etwa Pflegedienste, dienen können. Wie hoch der Freibetrag nach § 13 I Nr. 9 ErbStG also ausfällt, hängt von der Art, der Dauer und dem Umfang der Pflege ab.

Kein Pflegefreibetrag für unterhaltspflichtige Kinder?

Eltern und Kinder sind einander nach § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unterhaltsverpflichtet. Diese Pflicht wird aber erfüllt durch Zahlung eines Geldbetrags. Die Übernahme der Pflege eines Elternteils dagegen ist stets freiwillig – Kinder können dazu nicht gezwungen werden. Dieses „Opfer“ soll mit dem Pflegefreibetrag honoriert werden.

Dürften Kinder oder andere nahe Angehörige den Freibetrag dagegen nicht geltend machen, würde der Sinn und Zweck des § 13 I Nr. 9 ErbStG ins Leere laufen – schließlich wird die Pflege zumeist von Familienangehörigen übernommen, also insbesondere von den Kindern.

Tochter kann Pflegefreibetrag geltend machen

Vorliegend hat die Tochter ihre Mutter elf Jahre umfassend in ihrem eigenen Haus gepflegt. Die Richter orientierten sich bei der Frage, welchen Wert ihre Leistungen hatten, an dem erhaltenen Pflegegeld in Höhe von 700 Euro/Monat. Bezogen auf die Dauer der Pflegezeit kamen die Richter zu dem Ergebnis, dass die Tochter Pflegeleistungen von über 20.000 Euro erbracht hatte – ein Abzug des vollen Freibetrags war daher möglich.

(BFH, Urteil v. 10.05.2017, Az.: II R 37/15)

(VOI)

Foto(s): Fotolia.com

Artikel teilen: