Erbschaftsteuer - was bringt die Reform?

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Die Vorteile für Unternehmenserben im aktuellen Erbschaftsteuerrecht sind verfassungswidrig. Die große Koalition will nun schnell nachbessern und die Interessenvertreter haben sich positioniert. Was bringt die mögliche Reform und bei welchen Vermögenswerten besteht Handlungsbedarf?

Die Erbschaftsteuer – seit Jahrzehnten verfassungswidrig

Bereits zum dritten Mal seit 1995 hat das Bundesverfassungsgericht die geltende Erbschaftsteuer für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Dabei geht es jedoch nicht um die Steuer selbst, sondern um ihre konkrete Ausgestaltung im Erbschaftsteuergesetz. Im aktuellen Urteil vom Dezember 2014 monierten die Karlsruher Richter die Vergünstigungen bei der Vererbung bzw. Verschenkung von Betriebsvermögen. Unternehmenserben werden ganz oder zum größten Teil von der Steuer freigestellt, wenn sie den Betrieb fortführen, Arbeitsplätze erhalten. Diese Besserstellung gegenüber den Erben z.B. von privatem Geld- oder Immobilienvermögen verstoße in seiner konkreten Form gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung. Hier die 4 Kritikpunkte des Bundesverfassungsgerichts:

  1. Die Verschonung von betrieblichem Vermögen ist unverhältnismäßig, soweit sie über den Bereich kleinerer und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine sogenannte Bedürfnisprüfung vorzusehen. Nach aktuellem Recht können z.B. auch sehr ertragsstarke Großunternehmen mit einem Wert von mehr als 100 Millionen Euro an sehr vermögende Erben vollständig steuerfrei weitergegeben werden.
  2. Die Befreiung von der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer hängt von der mittelfristigen Sicherung der Arbeitsplätze ab, die über die sogenannte „Lohnsummenregelung“ kontrolliert wird. Dieser Kontrolle unterliegen jedoch nur Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten. Auch dies hält das Bundesverfassungsgericht für unverhältnismäßig.
  3. Begünstigt werden nach aktuellem Recht auch Unternehmen, die bis zur Hälft aus unproduktivem Verwaltungsvermögen wie z.B. vermieteten Immobilien bestehen. Diesbezüglich vermissen die Richter aus Karlsruhe einen tragfähigen Rechtfertigungsgrund.
  4. Das Erbschaftsteuergesetz ermöglicht selbst nach der Schließung einiger ungewollter Lücken (z.B. „Cash-GmbH“) Gestaltungen zur Steuervermeidung, die nach Auffassung des Gerichts andere Steuerbürger gleichheitswidrig benachteiligen. Gestaltungsmissbrauch drohe durch die Möglichkeit der Umwandlung von Privatvermögen in Betriebsvermögen sowie betrieblicher Umstrukturierungen zur Umgehung der Anforderungen zur Lohnsummenklausel bzw. beim Anteil des Verwaltungsvermögens.

Dass Unternehmen überhaupt gegenüber Privatvermögen eine Bevorzugung erhalten, hat das Bundesverfassungsgericht dagegen nicht gerügt. Im Hinblick auf die Bedeutung der in Deutschland etablierten Unternehmensstruktur mit vielen kleinen und mittelständischen Familienunternehmen sei eine steuerliche Besserstellung aus Gründen des Gemeinwohls geboten.

Reichensteuer oder Dummensteuer? – Wer zahlt die Erbschaftsteuer?

Um das Karlsruher Urteil und die aktuelle politische Diskussion zu verstehen, lohnt es sich, einen Blick auf das Erbschaftsteueraufkommen und seine Veranlagung zu werfen. Zunächst einmal tragen Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer mit jährlich ca. 5,5 Mrd. Euro weniger als 1 Prozent zum gesamten Steueraufkommen in Deutschland bei. Die Steuer steht den Ländern zu. Jede Änderung im Erbschaftsteuerrecht wird daher auch auf Länderebene diskutiert und muss den Bundesrat passieren. Nur in ca. 6 Prozent aller Sterbefälle in Deutschland werden überhaupt von der Finanzverwaltung hinsichtlich der Erbschaftsteuer aufgegriffen. Das liegt insbesondere an den nicht unerheblichen persönlichen Freibeträgen für nahe Angehörige. So kann beispielsweise jedes Kind von jedem Elternteil 400.000 Euro steuerfrei erben. Bei Ehegatten beträgt der Freibetrag sogar 500.000 Euro. Pech haben dagegen vor allem die Erben, die nicht zum engsten Familienkreis des Erblassers gehören.

So haben z.B. Lebensgefährten oder Geschwister nur einen persönlichen Freibetrag von 20.000 Euro. Vermögen über diesen Betrag hinaus müssen sie mit Steuersätzen ab 15 bzw. 30 Prozent versteuern. Handelt es sich bei der Erbschaft um steuerliches Betriebsvermögen und erfüllen Erbe und Unternehmen die gesetzlichen Voraussetzungen, bleibt der Vorgang ganz oder ganz überwiegend steuerfrei – auch wenn es um eine millionenschwere Firma geht und/oder diese an entfernte Verwandte oder familienfremde Personen weitergegeben wird.

Im Ergebnis wird die Erbschaftsteuer daher nur von sehr wenigen Erben gezahlt, wenn Privatvermögen weitergegeben werden und diese entweder besonders groß sind oder die Empfänger nicht zu den nächsten Angehörigen gehören.

Dieser bereits kleine Kreis der von der Erbschaftsteuer „bedrohten“ Personen reduziert sich nochmals um diejenigen, die rechtzeitig steueroptimierende Maßnahmen ergreifen. Steuerpflichtige können z.B. Teile ihres Privatvermögen zu gewillkürtem Betriebsvermögen machen. Bis vor kurzem war es sogar möglich, große Bankguthaben in eine eigens gegründete GmbH zu übertragen und diese Gesellschaft steuerfrei an andere Personen zu vererben oder zu verschenken. Diese sogenannten Cash-GmbHs hat der Gesetzgeber als Gestaltungsmissbrauch erkannt und bereits vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts reagiert. Großes Sparpotential birgt auch die vorweggenommene Erbfolge. Wird Vermögen langfristig schrittweise auf die nächste Generation übertragen, lassen sich die alle 10 Jahre zur Verfügung stehenden persönlichen Freibeträge gleich mehrfach nutzen. Außerdem gibt es Lebensgefährten, die sich in Anbetracht drohender Erbschaftsteuer doch noch durch eine späte Heirat die hohen Freibeträge und niedrigen Steuersätze für Ehegatten sichern.

Schäuble und die Lobbyisten – wie geht es weiter mit der Erbschaftsteuer?

Wolfgang Schäuble hat sich vorgenommen, bis zum Sommer 2015 die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Heraus kommen soll eine verfassungskonforme Reform, bei der unterm Strich das aktuelle Erbschaftsteuervolumen in etwa gleich bleiben soll. Parteienvertreter und Wirtschaftsverbände haben sich bereits positioniert und verbreiten ihre Ansichten, Wünsche und Befürchtungen mit großem medialem Einsatz. Vor allem die Lobbyisten der Familienunternehmen warnen für den Fall einer Verschärfung für Betriebsvermögen vor dem Untergang der deutschen Unternehmenslandschaft und dem Ausverkauf der Familienbetriebe. Derzeit werden vor allem die nachfolgenden Punkte diskutiert.

  • Bedürfnisprüfung: Künftig soll es eine Bedürfnisprüfung zumindest für große Unternehmen geben. Wolfang Schäuble möchte eine Freigrenze bei 20 Mio Euro je Erbfall ziehen. Ab dieser Unternehmensgröße soll der Unternehmenserbe nachweisen, dass er nicht in der Lage ist, die Steuerschuld aus dem Privatvermögen zu begleichen. Mit Betriebsmitteln soll die Erbschaftsteuer in keinem Fall gezahlt werden. Umstritten ist, ob Erben nur das geerbte oder auch das beim Erbfall bereits vorhandene Vermögen für die Erbschaftsteuer aufbringen sollen. Einige Stimmen – u.a. auch aus der SPD – fordern außerdem eine Freigrenze bei einem Unternehmenswert von 100 Mio. Euro.
  • Lohnsummenklausel: Das Bundesverfassungsgericht rügt, dass Unternehmen mit nicht mehr als 20 Mitarbeitern, den Erhalt der Arbeitsplätze über die Lohnsummenregel gar nicht nachweisen müssen. Dadurch läuft der Begünstigungsgrund „Arbeitsplatzerhalt“ bei den meisten Unternehmen in Deutschland leer. Hier wird es wohl zu einer deutlichen Reduzierung der maßgeblichen Zahl auf weniger als 10 Beschäftigte geben. Schäubles ursprünglicher Plan, statt an die Mitarbeiterzahl an einen Unternehmenswert von 1 Mio. Euro anzuknüpfen dürfte dagegen schlechte Karten haben, da die entsprechende Unternehmensbewertung ungleich aufwendiger wäre als die bloße Feststellung der Zahl der Beschäftigten.
  • Verwaltungsvermögen: Die Bundesregierung will den Begriff des begünstigten Vermögens neu definieren. Steuerfrei soll das Vermögen bleiben, dass zu mehr als 50 Prozent dem Hauptzweck des Betriebs dient. Mit welchen konkreten Formulierungen der Gesetzgeber den drohenden Abgrenzungsprobleme in der Praxis beikommen will, darf mit Spannung erwartet werden.

Ob die kommende Neuregelung erst für die Zukunft oder rückwirkend auf den Tag der Urteilsverkündung gelten wird, ist offen. Wer jetzt noch die für ihn günstigen Möglichkeiten des aktuellen Erbschaftsteuerrechts für Schenkungen ausnutzen will, muss zumindest damit rechnen, dass sich die Spielregeln rückwirkend zu seinen Lasten ändern. Wer in der Vergangenheit von einem Rechtsanwalt für Steuerrecht oder Steuerberater entsprechend beraten wurde, wird ohnehin bereits vor dem Urteil anstehende Übertragungen vollzogen haben. Wer jetzt erst aktiv wird, sollte im Schenkungsvertrag zumindest eine Steuerklausel aufnehmen, die – für den Fall dass wider Erwarten Schenkungsteuer anfällt – die Möglichkeit eröffnet, die Schenkung rückgängig zu machen.

Fazit und Einschätzung

Die Erbschafteuer zieht ihre Bedeutung nicht aus ihrem Volumen sondern aus ihrer gesellschaftspolitischen Symbolkraft. Während einige die Abschaffung der Steuer fordern, sehen andere in ihrer Erhöhung die Möglichkeit für mehr soziale Gerechtigkeit.

Die Privilegierung des Betriebsvermögens wird wohl ein Dauerbrenner bleiben. Häufig wird darauf hingewiesen, dass keine Fälle bekannt sind, in denen die Erbschaftsteuer ein Unternehmen in die Insolvenz getrieben hat. Dass dürfte aber nur deshalb der Fall sein, dass es in den vergangenen Jahrzehnten – auch vor der letzten Erbschaftsteuerreform – stets massive Vergünstigungen für Unternehmenserben gegeben hat. Legt man die aktuellen Steuersätze zwischen 7 und 50 Prozent zugrunde, dürfte klar sein, dass derartige Belastungen für viele Betriebe ohne Vergünstigungen existenzbedrohend sein werden. Schließlich ist die Unternehmensnachfolge auch ohne Erbschaftsteuer schon schwierig genug.

Einfacher scheint das Erbschaftsteuerrecht jedenfalls nicht zu werden. Die aktuell im Raum stehenden Vorschläge sehen z.B. in mehr Fällen als bisher eine konkrete Unternehmensbewertung vor. Solche Bewertungen sind zeitaufwendig, teuer und angreifbar. Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte dürfen sich jedenfalls auch in Zukunft über ausreichend Aufträge rund um den Bereich Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer freuen. Darüber hinaus ist fraglich, ob die geplante Reform wirklich zur Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuer führen wird. Vielleicht wäre Wolfgang Schäuble besser beraten, wenn er statt seiner „minimalinvasiven“ Nachbesserung, die Gelegenheit für eine große Reform ergreifen würde.

Gute Vorschläge liegen ja bereits auf dem Tisch: Steuersätze runter und Vergünstigungen streichen. Würde z.B. für jede Erbschaft oder Schenkung eine Steuer in Höhe von 10 Prozent fällig und hätten Erben von illiquidem Vermögen wie Immobilien oder Unternehmen weiter die Möglichkeit, die Steuer bis zu 10 Jahren zu stunden, dürfe damit kaum jemand überfordert sein. Eine solche Lastengleichheit könnte jedenfalls ein großer Schritt Richtung verfassungsrechtlichem Gleichheitsgrundsatz sein.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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