Erfolgreiche Klage gegen einen Duldungsbescheid trotz BFH-Urteil VII R 21/21

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Erfolgreiche Klage gegen einen Duldungsbescheid vor dem Finanzgericht Münster


Mit Urteil vom 24.11.2023 erstritt Rechtsanwalt Falk-Christian Barzik vor dem Finanzgericht Münster die Aufhebung eines Duldungsbescheides über knapp 238.449 €, der bereits in 2019 gegen meine Mandantin ergangen war.

Mandantin hatte den Duldungsbescheid von ihrer Mutter „geerbt“ 

Die vor dem Finanzgericht Münster klagende Mandantin „erbte“ den Duldungsbescheid von ihrer Mutter, die in 2017 gestorben war und gegen welche der Bescheid zuerst ergangen war.

2009 hatte die Mutter für ihren Sohn ein Konto bei der Commerzbank eröffnet gehabt, welches dieser in der Folgezeit dann für unternehmerische Transaktionen genutzt hatte. Der Sohn hatte diesen klassischen Fall der sog. Kontoleihe gewählt, um auf diesem Wege seine Gläubiger zu benachteiligen, die anderenfalls in seine Konten hätten vollstrecken können. Insbesondere das Finanzamt hatte dieses seit 2005 immer wieder aufgrund von erheblichen Steuerschulden erfolglos versucht.

Finanzamt erliess Duldungsbescheid gegen 84jährige Mutter

In den Fällen der Kontenleihe nimmt das Finanzamt den Kontoinhaber – mithin hier also die Mutter- gerne per Duldungsbescheid für die Steuerschulden des Kontoleihenden in Anspruch. Der Duldungsbescheid stützt sich dabei auf den §§ 3, 4 AnfG.

Dies setzt jedoch eine positive Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Kontoinhabers durch den Kontoleihenden voraus. Letztere wird von den Finanzämtern in den Fällen der Kontenleihe jedoch nahezu immer angenommen. In dem der Klage zugrundeliegenden Fall wurde gegen eine 84jährige ein Duldungsbescheid erlassen, weil diese tüttelige Rentnerin sich von ihrem Sohn zur Eröffnung des Kontos hatte überreden lassen. Dabei hatte der Sohn seine Mutter auch noch über die Eröffnungsgründe getäuscht gehabt.

2016 erfuhr das Finanzamt von dem Konto nach einer Hausdurchsuchung im Wohnhaus und Betrieb des Sohnes, gegen den auch bereits zum wiederholten Male ein Steuerstrafverfahren eröffnet worden war. Die Weiterführung des Gewerbes war dabei nur möglich, weil der Sohn diverse Tricks nutzte, um weiter am Markt tätig bleiben zu können. In Folge der so gefundenen Erkenntnisse erfuhr das FA vom Konto und wandte sich anschließend mit dem beabsichtigten Duldungsbescheid an die Mutter und die Klägerin. In 2019 wurde dann gegen die Tochter und Klägerin als Erbin der Mutter ein Duldungsbescheid auch erlassen.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren war Klage vor dem Finanzgericht Münster erhoben worden.

Knackpunkt der Kontoleihe-Fälle ist die Gläubigerbenachteiligungsabsicht 

Knackpunkt in den Fällen der Kontenleihe ist regelmäßig die Frage, ob dem Kontoinhaber Gläubigerbenachteiligungsabsicht nachgewiesen werden kann. Dahingehend ist das FA beweispflichtig. Es gibt jedoch in § 3 I S.2 AnfG eine Vermutungsregel, dass die Gläubigerbenachteiligungsabsicht immer dann anzunehmen ist, wenn der Kontoinhaber zum Zeitpunkt der anfechtbaren Handlung von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Kontoleihenden wusste.

Im Klagefall ging es dabei um die Details, da der Fall sehr verworren war. So hatte der Sohn erstmalig in 2001 finanzielle Probleme bekommen, die zur Insolvenzanmeldung der Messebau-GmbH führte. Das dahingehende Insolvenzverfahren endete erst in 2008. Währenddessen hatte der Sohn als Einzelunternehmer seit 2005 weitergemacht, angestellt gearbeitet und in 2012 auch noch eine spanische S.L. gegründet, in welcher seine Tochter als Strohfrau Geschäftsführerin gewesen war.

Die dahingehenden diversen Aktivitäten des Sohnes waren aber der Mutter und auch der klagenden Schwester nicht bekannt gewesen. Erst nach Einschaltung von RA Barzik konnten durch die Sichtung diverser Unterlagen dahingehend Einzelheiten ermittelt werden, die dann zur Begründung der Klage verwendet wurden.

Finanzamt wollte Benachteiligungsabsicht anhand von „Vermögensverschiebungen“ und einer Zwangsersteigerung bewiesen sehen

Seitens des Finanzamtes wurde bereits im Einspruchsverfahren argumentiert, dass es in den Jahren 2002ff Vermögensverschiebungen durch die Abänderung eines Testaments der Eltern, den Abschluss eines Erbvertrages und der Zwangsersteigerung eines ehemaligen Betriebsgrundstückes der GmbH des Sohnes durch die Mutter gegeben hatte, welche indizierten, dass die Mutter von den massiven Finanzproblemen des Sohnes bereits in 2002 (Erbvertrag) bzw. 2006 (Zwangsersteigerung) Kenntnis gehabt hätte. Diese Kenntnis zur damaligen Zeit hätte dann in die Jahre 2009ff (Kontoeröffnung) nach Ansicht des Finanzamtes fortwirken sollen.

Im Prozess gelang es uns das FG von der fehlenden Kenntnis zu überzeugen

Im Prozess gelang es uns dahingehend das Finanzgericht davon zu überzeugen, dass keine der vom FA genannten Punkte jedoch eine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Sohnes indizierte, noch dass dies zwangsläufig Vermögensverschiebungen zulasten des Finanzamtes gewesen waren.

In jedem der Fälle gelang es uns nachzuweisen, dass andere Beweggründe -zur Änderung des Erbvertrages oder der Zwangsersteigerung des Grundstückes- geführt hatten. Auch gelang es uns das Gericht davon zu überzeugen, dass selbst eine in 2001 erlangte Kenntnis, nicht in die Jahre 2009 fortgewirkt hätte, da sich die Umstände seitdem geändert hatten. Auch hätte zwischen den Problemen der Messebau-GmbH und den Problemen der Privatperson unterschieden werden müssen.

Wissenszurechnung des § 166 BGB blieb letzte Hürde

So blieb nur noch die Frage, ob eine Inanspruchnahme noch nach § 166 BGB möglich sein sollte. In einem solchen Fall wird dem Vertretenem das Wissen seines Stellvertreters zugerechnet.

Bei Klageerhebung in 2020 war dies noch zu verneinen gewesen, da unter anderem auch das FG Münster eine generelle Wissenszurechnung über § 166 BGB abgelehnt hatte. Jedoch hatte der BFH in 2022 in einem ähnlichen Fall der Kontenleihe unter Ehegatten eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB in einer Revision bejaht gehabt. Dort hatte eine Ehefrau ihrem Ehegatten ein Konto zur Verfügung gestellt gehabt und anschließend bewusst die „Augen vor einer gläubigerbenachteiligenden Nutzung“ verschlossen gehabt (BFH).  

In der mündlichen Verhandlung ging es dann darum darzulegen, dass unser Fall zwar ähnlich sei, in den Details jedoch mit dem Fall des BFH nicht identisch sei und daher der § 166 BGB auf unseren Fall auch nicht anzuwenden sei. Dieser Darstellung folgte das FG Münster letztlich. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Fazit: Das Finanzamt war im vorliegenden Fall wieder einmal sehr schnell bei der Bejahung der Voraussetzungen eines Duldungsbescheides. Sämtliche umfangreich vorgetragenen Einwände wurden im Einspruchsverfahren nicht beachtet. Eine Aussetzung der Vollziehung war nicht gewährt worden, sodass diese dem Hauptverfahren vorgelagert noch beim Finanzgericht hatte erfochten werden müssen.

Erst die umfangreiche anwaltliche Prüfung der entlastenden Beweise und Indizien und deren umfassender Vortrag konnten das Finanzgericht letztlich erst davon überzeugen, dass die Voraussetzungen eines Duldungsbescheides nicht vorlagen.

Fälle wie dieser zeige, dass die Hinnahme von Duldungsbescheiden auch nach dem aktuellen BFH-Urteil VII R 21/21 keineswegs zwangsläufig in die Inanspruchnahme führen müssen. Der Teufel steckt im Detail.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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